Der Bundestag hat den Weg für die Überwachung von Kommunikation über Messenger-Dienste wie WhatsApp freigegegeben mittels Einsatz von Staatstrojaner.
Der Bundestag beschließt – trotz Kritik von Bürgerrechtlern und IT-Branche – im Eilverfahren mit den Stimmen von Union und SPD den Einsatz von Staatstrojanern auch für die alltägliche Strafverfolgung. So dürfen Strafverfolger künftig in vielen Fällen verschlüsselte Internet-Telefonate und Chats über Messenger, wie WhatsApp, Signal, Telegram oder Threema, rechtlich abgesichert überwachen (Quellen-TKÜ) oder Dateien auslesen (Online-Durchsuchung).
Staatstrojaner soll zur Aufklärung schwerer Straftaten eingesetzt werden
Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag (22.06.2017) das Gesetz „zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“. Gemäß dem Gesetzentwurf ist die Quellen-TKÜ künftig bei „schweren Straftaten“ erlaubt, bei denen auch Ermittlungsbehörden die Telekommunikation überwachen dürfen (Paragraf 100a Strafprozessordnung). Dazu zählen neben Mord und Totschlag beispielsweise auch Steuerhinterziehung, Geldfälschung und Computerbetrug. Die Online-Durchsuchung soll nur bei „besonders schweren Straftaten“ erlaubt sein. Zudem muss eine akustische Wohnraumüberwachung (Großer Lauschangriff) möglich sein (Paragraf 100c Strafprozessordnung). Bisher hatte man Staatstrojaner nur zur Terrorbekämpfung zugelassen.
Mit dem Staatstrojaner will die Bundesregierung Strafverfahren „effektiver und praxistauglicher“ machen. Vorraussetzung für den Einsatz wäre, die Geräte der Betroffenen mit Schadsoftware in Form sogenannter Staatstrojaner zu infizieren. Damit wird jedoch die IT-Sicherheit laut Experten allgemein untergraben. Das Gesetz ist umstritten, weil Datenschutz-Probleme und ein Missbrauch von den Behörden bewusst nicht geschlossener Sicherheitslücken befürchtet werden. Zudem wird die Frage aufgeworfen, ob die Reichweite der Maßnahmen mit der Verfassung vereinbar ist.
Kritik von Richtern, Bürgerrechtlern und den Grünen
Die Grünen meinen, die Bundesregierung startet mit dem Gesetz kurz vor Ende der Legislaturperiode „ihren finalen Angriff auf die Bürgerrechte“. Polizei und Sicherheitsbehörden würden damit „zu Chef-Hackern der Republik gemacht“. Nur noch perfide sei, „dass die Bundesregierung den Staatstrojaner selbst als trojanisches Pferd in einem harmlosen Gesetz zum Fahrverbot als Nebenstrafe versteckt“, teilten die Abgeordneten Konstantin von Notz und Hans-Christian Ströbele mit, denn in dem Gesetzentwurf ging es zunächst nur um eine Strafrechtsreform.
Der Richter und Bürgerrechtler Ulf Buermeyer sieht die Vielzahl an möglichen Einsatzfällen für eine Onlinedurchsuchung als „verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen“, auch die Quellen-TKÜ werde so weit gefasst, dass sie verfassungswidrig sei.
Kritiker bemängeln u.a., dass die große Koalition den Gesetzentwurf erst Mitte Mai in ein bereits laufendes Gesetzgebungsverfahren eingebracht hatte. Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar meint, es sei „unverantwortlich, die entsprechenden Überwachungsbefugnisse in einem parlamentarischen Schnelldurchgang ohne Möglichkeit zur gründlichen Prüfung und Debatte zu beschließen“. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder kritisierte ebenfalls das Gesetz. Die Bemühungen der Wirtschaft um eine wirkungsvolle Ende-zu-Ende-Verschlüsselung „werden mit der Ausweitung des Einsatzes von Staatstrojanern konterkariert“, sagte er.
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