Bundesverfassungsgericht
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Bundesverfassungsgericht kippt BND-Abhörpraxis-Regelungen

Die Überwachung der Telekommunikation von Ausländern im Ausland verstößt gegen Grundrechte hat das Bundesverfassungsgericht heute entschieden

In einem heutigen Urteil (Az. 1 BvR 2835/17) hat das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Regelungen zur Abhörpraxis des Bundesnachrichtendiensts (BND) gekippt. Indem sie angaben, die bisherige Abhörpraxis verstoße gegen Grundrechte, gaben die Karlsruher Richter einer Verfassungsbeschwerde der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen und mehreren ausländischen Journalisten statt. Sie setzten die Maßgabe, das Gesetz müsse bis spätestens Ende 2021 überarbeitet werden, wie das Bundesverfassungsgericht in einer Pressemitteilung informiert.

Bundesverfassungsgericht urteilt: BND-Gesetz nicht grundrechtskonform

Vorrangig mit der bisher noch ungeklärten Frage, ob der Bundesnachrichtendienst (BND) Journalisten im Ausland überwachen darf, setzte sich der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts, in einem wegweisenden verfassungsrechtlichen Grundsatzurteil auseinander. Die Karlsruher Richter gelangten zu dem Ergebnis, die Überwachung der Telekommunikation von Ausländern im Ausland verstoße gegen das Telekommunikationsgeheimnis und die Pressefreiheit.

„Dies betrifft sowohl die Erhebung und Verarbeitung der Daten als auch die Übermittlung der hierdurch gewonnenen Daten an andere Stellen wie ebenfalls die Kooperation mit anderen ausländischen Nachrichtendiensten. Eine verfassungsmäßige Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung (auch: „Ausland-Ausland-Telekommunikationsüberwachung“) ist jedoch möglich.“ Damit können sich künftig ausländische Staatsbürger, die im Ausland leben, gegenüber deutschen Behörden, wie den BND, auf deutsche Grundrechte berufen. So das Bundesverfassungsgericht.

Kläger sahen durch BND-Abhörpraxis ihre Arbeit gefährdet

Mit dem Ende 2016 reformiertem Gesetz war dem deutschen Auslandsgeheimdienst in bestimmten Fällen eine Telekommunikations-Überwachung, nicht nur im Inland oder zwischen Inland und Ausland gestattet, sondern auch von Ausländern im Ausland. Gegen dieses Gesetz haben ein Rechtsanwalt, die Organisation Reporter ohne Grenzen und mehrere ausländische Investigativ-Journalisten geklagt. Die Journalisten hatten Grund zu der Annahme, dass auch sie von einer BND-Überwachung betroffen seien. Infolgedessen könnte der BND ihre Telekommunikations- oder Internetdaten einsehen und sie und ihre Informanten in Schwierigkeiten bringen. Befürchtungen werden laut, Missstände könnten so weltweit unerkannt bleiben. Jurist Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte verdeutlicht.

„Ohne das Vertrauen von Menschen, wenn sie mit der Presse sprechen, gibt es keine Nachrichten. Ohne das Vertrauen in den Geheimnisschutz der Presse werden sich Menschen nicht an die Presse wenden. Gerade in der Demokratie ist das sehr gefährlich. Denn ohne Recherchemöglichkeiten kann die Presse nicht über Missstände berichten.“

Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, bestätigt die reale Bedrohung, die von der Abhörpraxis für ausländische Journalisten ausgeht.

„Das heißt, sie wurden gefoltert, weil sie vorher durch Überwachung aufgespürt wurden. Sie wurden verhaftet, weil sie vorher überwacht wurden. Im schlimmsten Fall mussten sie das Land verlassen.“

Bundesverfassungsgericht: Anlasslose Überwachung stößt auf grundsätzliche Billigung

Mit der Begründung, Deutschland müsse außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähig bleiben, billigen die Verfassungsrichter vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich eine vom BND vorgenommene Telefonate- und E-Mail-Kommunikations-Überwachung ohne konkreten Anlass im Ausland. Allerdings müsse das Vorgehen in Einklang mit den Grundrechten der Betroffenen stehen und in verhältnismäßiger Weise geschehen. Die derzeitigen Vorschriften allerdings hat man zur Schaffung dieser Vorraussetzungen für ungenügend erklärt. Kontrolle des BND durch ein eigenständiges, unabhängiges Organ halten die Karsruher Richter hier für angemessen. Bis spätestens 2021 ist der Gesetzgeber in der Pflicht, die Vorschriften entsprechend anzupassen.

Tarnkappe.info

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Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.