Ist die Auswertung von Handydaten bei Flüchtlingen rechtmäßig? Die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Hannover könnte wegweisend sein.
Vor dem Verwaltungsgericht Hannover steht heute die Klage eines syrischen Flüchtlings gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Mittelpunkt. Gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) wehrt sich der Kläger gegen die Auswertung seiner Handydaten. Im Februar 2023 erklärte das Bundesverwaltungsgericht diese Praxis auf Klage der GFF für rechtswidrig.
Auswertung von Handydaten: Wenn ein ganzes Leben auf dem Tisch liegt
Das Bundesverwaltungsgericht hatte festgestellt, dass das Auslesen und Auswerten von Handydaten rechtswidrig ist. Trotz dieses klaren Urteils plant die Bundesregierung laut einem Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums, die umstrittene Praxis sogar noch auszuweiten. Die GFF sieht darin einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen. Denn auf Smartphones sind oft sehr persönliche Daten gespeichert.
Der Kläger Mohammed A., der bereits 2015 als Flüchtling anerkannt wurde, macht geltend, dass das Auslesen seines Handys im Jahr 2019 keine neuen Erkenntnisse gebracht habe und sein Asylstatus unverändert geblieben sei. Die geplante Ausweitung sieht vor, dass die Handydaten von Geflüchteten künftig routinemäßig ausgelesen werden. Zudem sollen die Behörden die Wohnungen von Asylsuchenden durchsuchen dürfen, um die Handys zu beschlagnahmen.
Reine Schikane und rechtspopulistischer Aktionismus
Sarah Lincoln, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF, kritisiert den Vorschlag als „reine Schikane und rechtspopulistischen Aktionismus“. Laut einer GFF-Studie aus dem Jahr 2019 liefert die Auswertung von Handydaten kaum verwertbare Ergebnisse. Dies berichtet die Gesellschaft für Freiheitsrechte in einem aktuellen Blogbeitrag.
Die heutige Verhandlung könnte wegweisend sein. Denn es wird nicht nur über den Fall des Klägers, sondern auch über die grundsätzliche Ausrichtung staatlichen Handelns in der Flüchtlingspolitik entschieden. Der Anwalt des Beschwerdeführers, Mathias Lehnert, betont die Notwendigkeit, alternative Wege zur Identitätsfeststellung zu prüfen, bevor das BAMF auf die Auswertung von Handydaten zurückgreift.
Die Kontroverse um die Auswertung von Handydaten steht im Zusammenhang mit anderen umstrittenen Vorschlägen der Bundesregierung, die möglicherweise gegen Grundrechte verstoßen. Die GFF sieht in solchen Verfahren eine Nagelprobe dafür, wie ernst staatliche Stellen ihre verfassungs- und grundrechtlichen Verpflichtungen nehmen.