Neben dem Verfassungsschutz soll auch dem BND und MAD ein Staatstrojaner-Einsatz gestattet sein zum Hacken von Smartphones und Computern.
Wie Netzpolitik.org gestern berichtete, gestattet der neue Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium für ein Gesetz „zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts“ künfig nicht nur, wie bisher publiziert, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) einen Staatstrojaner-Einsatz. Zudem soll sich der Weg zum Abhören von Telefongesprächen, dem SMS-Zugriff sowie dem Mitlesen verschlüsselter Chats mittels Staatstrojaner auch für die deutschen Geheimdienste öffnen. Kritik kommt aus den Reihen der Internetwirtschaft, Zivilgesellschaft und Opposition. Diese drohen mit Verfassungsbeschwerden.
Nach langwierigen Debatten einigte sich die große Koalition Anfang Juni darauf, dem Verfassungsschutz in Zukunft zu erlauben, auch verschlüsselte Kommunikation per Messenger, wie WhatsApp oder Telegram, einsehen zu können. Das schloss Befugnisse zur Onlinedurchsuchung jedoch aus. Der aktuelle Regierungsentwurf reformiert neben dem Gesetz für den Bundesverfassungsschutz noch weitere sechs Gesetze und eine Verordnung, weist Netzpolitik.org hin. Der Staatstrojaner-Einsatz ist im Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses verankert und gilt somit auch für alle Geheimdienste.
Staatstrojaner-Einsatz auch für BND und MAD angedacht
Demgemäß ist es nun dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) gleichfalls gestattet, wie auch den 16 Landesämtern für Verfassungsschutz, die Geräte der Zielpersonen mit Schadsoftware in Form sogenannter Staatstrojaner zu infizieren. Der Trojaner macht es als Mittel der als Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) möglich, laufende Kommunikationen bereits vor der Verschlüsselung, an deren Quelle, abzugreifen.
Mit dem Staatstrojaner-Einsatz wird jedoch die IT-Sicherheit laut Experten allgemein untergraben. Diese Möglichkeiten nutzen bisher nur der Zoll und die Polizei zur Aufklärung von Straftaten. Beim Verfassungsschutz sollen bereits „Gefahren“ ausreichen. Von einer Online-Geräte-Durchsuchung, die Ermittlungsbehörden erlaubt ist, will man den Verfassungsschutz aber vorerst noch ausschließen aufgrund des Vetos der SPD.
Regelungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes, des MAD-Gesetzes und des BND-Gesetzes, für die eine Befristung galt, sollen nun dauerhaft in Kraft treten. Im Gesetzentwurf heißt es dazu.
„Dabei handelt es sich insbesondere um Auskunftspflichten von Unternehmen der Branchen Luftverkehr, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Telemedien zur Netzwerkaufklärung sowie Regelungen zum IMSI-Catcher-Einsatz zur Feststellung genutzter Mobiltelefonnummern und zur Ausschreibung im Schengener Informationssystem zur Nachverfolgung internationaler Bezüge.“
Die Stimmen der Kritik
Linus Neumann, Sprecher des Chaos Computer Clubs, konsterniert zum Staatstrojaner-Einsatz.
„Die Quellen-TKÜ sollte ursprünglich nur bei schweren Straftaten durch das BKA eingesetzt werden. Dann wurden die Hürden immer niedriger gesetzt. In diesen ohnehin schon kritischen Fällen gibt es aber immerhin noch eine richterliche und öffentliche Kontrolle bei der Verhandlung. Auch das fällt nun weg: Der deutsche Inlandsgeheimdienst soll hacken dürfen, wen er will.“ […] „Gerade erst wurde das BND-Gesetz in Karlsruhe kassiert, schon versucht die Regierung mit einen Hütchenspielertrick, die BND-Befugnisse weiter auszubauen.“
Bijan Moini, Jurist bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, führt aus.
„Dem Verfassungsschutz das Hacken technischer Geräte zu gestatten, hat eine neue Dimension. Tritt die Regelung so in Kraft, werden wir wahrscheinlich dagegen klagen“
Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen kommentierte das Ganze ebenfalls.
„Gerade erst hat das Bundesverfassungsgericht eine Stärkung journalistischer Schutzrechte und mehr Kontrolle der geheimdienstlichen Arbeit in seiner Entscheidung zum BND-Gesetz eingefordert. Doch anstatt entsprechende Lehren daraus zu ziehen, setzt die Bundesregierung mit dem Entwurf ihren Kurs blind fort. Die Bundesregierung liefert keine Begründung dafür, warum sie mit der Einführung des Staatstrojaners die vertrauliche Kommunikation von Journalistinnen und Journalisten weiter aushöhlen will. Der Verzicht auf die Online-Durchsuchung ist in diesem Licht kein Trost. Reporter ohne Grenzen fordert die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf zu überarbeiten und journalistischen Quellenschutz im digitalen Raum zu gewährleisten.“
Elke Steven, Geschäftsführerin bei Digitale Gesellschaft e.v., kritisiert den Staatstrojaner-Einsatz.
„Ein Staat, der Trojaner nutzen will, schützt Sicherheitslücken statt Bürger und Bürgerinnen. Erkannte Sicherheitslücken müssen jedoch sofort geschlossen werden. In den Händen der quasi unkontrollierbaren Geheimdienste haben solche Instrumente nichts zu suchen. Dort, wo der Staat diese nach innen gegen die eigene Bevölkerung richtet, erst recht nicht.“
Tarnkappe.info