Aufgetaucht: Peter Baustaedter, Quelle privat, thx!
Aufgetaucht: Peter Baustaedter, Quelle privat, thx!

Peter Baustaedter: vom Amiga-Grafiker zum Big Player in Hollywood (2)

Peter Baustaedter erzählt im zweiten Teil, warum es sinnvoll war, den eigenen Charakter zu überdenken, bevor die Karriere so richtig losging.

Den Anfang verpasst? Den ersten Teil des Interviews mit Peter Baustaedter findest Du hier. Erklärung: Was sind Demos überhaupt, bzw. was ist die Demoszene???

Seine anfängliche Überheblichkeit war wenig hilfreich

Tarnkappe.info: Haben Dir die Erfahrungen, die Du als Künstler in der Demoszene gesammelt hast, bei Deiner beruflichen Laufbahn geholfen?

Peter Baustaedter: Meine Zeit in der Szene, insbesondere auf dem Amiga, hat mich direkt zu meiner Karriere geführt. Ohne mein kleines Pixel-Portfolio hätte ich meinen ersten Job nicht bekommen.

Allerdings war ich etwas unfertig, als es darum ging, Profi zu werden. Dadurch, dass ich mit 16 Jahren so früh in der Szene aufgefallen bin, war ich sehr arrogant und dachte, ich sei der Größte. Das hat meiner Karriere definitiv geschadet und es hat Jahre gedauert, das wieder gutzumachen. Manche Leute würden sagen, dass ich immer noch eine Menge auszubügeln habe. HA HA! Wahrscheinlich haben sie Recht.

Peter Baustaedter verdiente sein erstes Geld mit Grafiken für die Amiga Games „Der Clou!“ und „Whale’s Voyage“

Tarnkappe.info: Warum arbeitest Du an Filmen und TV-Serien? Hast Du Dich beruflich nie für Computerspiele interessiert? Wäre das als Grafiker nicht der logische nächste Schritt gewesen?

neo software

Peter Baustaedter: Ich habe tatsächlich mit Computerspielen angefangen. Ich habe an einer ganzen Reihe von Spielen gearbeitet. An einigen, die nie veröffentlicht wurden, und an einigen, die tatsächlich veröffentlicht wurden. Ich war auch ein kleiner Mitbegründer von NEO Software – das Studio, das unter anderem „Whale’s Voyage I & II“ und „Der Clou!“ produziert hat.

Aber zur gleichen Zeit arbeitete ich schon an der Paintbox und ich mochte diese Arbeit. Vielleicht wäre ich jetzt viel reicher, wenn ich bei NEO Software geblieben wäre – aber um ehrlich zu sein, war ich damals 22 Jahre alt, und die oben erwähnten Persönlichkeitsmerkmale, gemischt mit einer gehörigen Portion Unreife, hätten mich wahrscheinlich sowieso vom Erfolg abgehalten.

Seitdem habe ich hier und da in der Spieleindustrie gearbeitet, aber das hat mich nur darin bestärkt, dass Film und Fernsehen das Richtige für mich sind.

Peter Baustaedter
Fish von Peter Baustaedter – eine seiner Arbeiten für die Amiga-Demoszene.

Worin bestehen seine visuellen Prinzipien?

Tarnkappe.info: John Walters hat auf LinkedIn Deine ästhetischen Prinzipien bei der gemeinsamen Gestaltung der Fernsehserie „Spartacus: War of the Damned„* hervorgehoben. Was ist Dir besonders wichtig? Worin bestehen denn Deine visuellen Prinzipien?

Peter Baustaedter: „Spartacus“ war meine erste Arbeit als VFX Art Director. Diese Rolle ist vor allem eine Kommunikationsrolle, die eine Brücke zwischen dem Art Department und dem VFX Department (VFX = Visual Effects) schlägt.

(Erklärung: Das Art Department ist die Abteilung, die die Planung, Konstruktion, Ausstattung und Abstimmung der Bauten, Kulissen, Dekorationen, Requisiten und Kostüme eines Drehorts übernimmt, damit dieser in die Atmosphäre des Filmes passt.)

Peter Baustaedter
Peter Baustaedter (ganz links) im Jahr 1991 mit zwei Bekannten auf einer Demoparty in Ungarn.

Der VFX Supervisor, der Produktionsdesigner und die Produzenten entscheiden auf hoher Ebene über das visuelle Design und es ist meine Aufgabe, dies mit meinem Team in Bilder umzusetzen.

Peter Baustaedter: Es gibt einige visuelle Grundprinzipien, die immer gültig sind, wie zum Beispiel die Elemente des visuellen Geschichtenerzählens. Diese bilden die Basis. Hinzu kommen der „Stil“ und die Besonderheiten eines bestimmten Projekts – der Look.

Alle Bilder müssen unbedingt zum Film passen, egal wie cool sie aussehen!

Es gibt auch andere Überlegungen. Nun, es ist eine Sache, coole Bilder zu machen. Aber wenn sie die Geschichte nicht unterstützen oder für das Publikum schwer zu lesen sind, erfüllen sie ihren Zweck nicht.

Es gibt eine ganze Reihe von filmischen Konventionen, die man kennen sollte. Man muss auch wissen, wie man mit der Kamera umgeht, wie man Bilder kadriert (= Bildkomposition durch das Teilen eines Bildes in mehrere kleine Elemente). Tja, ein bisschen Schnittkenntnis kann auch nicht schaden.

Peter Baustaedter
Going crazy! Peter freut sich sichtlich, wieder daheim zu sein!

Peter Baustaedter war an der Realisierung des fulminanten Finales von „Die Ringe der Macht“ beteiligt

Tarnkappe.info: Hast Du später auch bei der Erschaffung von Mordor zusammengearbeitet? Sein Profil auf LinkedIn deutet zumindest darauf hin. In meinen Augen waren das zweifellos die spannendsten Szenen der ersten Staffel von „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“. Aber nicht nur der actionreiche Untergang der alten Welt war faszinierend, sondern auch, wie Mordor danach aussah.

Peter Baustaedter: Ich habe über drei Jahre an der Produktion von „Die Ringe der Macht“ mitgearbeitet und war an vielen visuellen Elementen beteiligt. Ich habe hauptsächlich mit dem Production Designer und dem VFX Supervisor zusammengearbeitet.

Peter Baustaedter
Peter & die Asche von Mordor?

Während ich Konzeptillustrationen für einige Sequenzen anfertigte, arbeiteten wir hauptsächlich in der Unreal Engine, um Sets an Drehorten zu erstellen, VFX-Set-Erweiterungen zu erstellen und VFX-Umgebungen zu entwickeln. Ich half auch bei der Referenzfotografie und Photogrammetrie und durfte sogar ein ganzes Set entwerfen.

John war Teil des Matte-Painting-Teams bei Weta FX. Weta bekam unsere Konzepte und machte dann die endgültigen Aufnahmen. Mein Team hat auch die Bilder für die letzten beiden Szenen der Staffel, in denen wir die Enthüllung von Mordor sehen, entworfen und erstellt.

Es war eine tolle Erfahrung, mit so vielen talentierten Leuten zusammenzuarbeiten.

Wie wird man als VFX Art Director erfolgreich?

Tarnkappe.info: Du warst an der Entstehung vieler bekannter Filme beteiligt. Darunter „Avatar„*, „Jumper“, „Fantastic Four: Rise of the Silver Surfer„*, „Eragon“, „X-Men: The Last Stand„*, „King Kong„*, „Sin City“, „The Day After Tomorrow„*, „Der Herr der Ringe: Die zwei Türme“, „Titanic„*, „Das fünfte Element„*, „Strange Days“, „Apollo 13„*, um nicht ansatzweise alle zu nennen. Die Liste ist schier endlos. Von Deiner Ausbildung und Kreativität ganz zu schweigen.

Was macht einen VFX Art Director erfolgreich? Was ist das Wichtigste in der Praxis? Der Teamgeist? Also die Fähigkeit, trotz aller Unterschiede mit anderen zusammenzuarbeiten, um eine Vision auf Film zu bannen? Oder ist es eher die Disziplin und das Durchhaltevermögen, um am Ball zu bleiben, auch wenn mal etwas schiefläuft?

Peter Baustaedter: Das ist eine sehr interessante Frage. Zunächst möchte ich erwähnen, dass ich bei den meisten der oben genannten Filme als „Matte Painter“ tätig war. Also jemand, der Umgebungen erschafft, die in Wirklichkeit unmöglich zu drehen wären.

Bei vielen Produktionen als Matte Painter aktiv

Künstlerisches Talent und technisches Geschick sind die Basis, ebenso wie Disziplin und Durchhaltevermögen.

Teamgeist ist immer gefragt – ein Teamplayer zu sein, was mit der bereits erwähnten Kommunikationsfähigkeit einhergeht. Oft muss ich zwischen zwei Abteilungen „vermitteln“ – niemand darf das Gefühl haben, dass es eine Agenda gibt, die eine andere Abteilung bevorzugt.

Seit 2011 bin ich mit Unterbrechungen VFX Art Director. Mit Unterbrechungen deshalb, weil nicht jede Produktion diese Rolle braucht oder bereit ist, sie zu unterstützen.

Eines von Peters persönlichen Gemälden, inspiriert von seiner Arbeit an Avatar.

Peter Baustaedter ist häufig von den Vorarbeiten der Filme bis zur Postproduktion dabei

Meistens bin ich als VFX-AD auf der Produktionsseite tätig, das heißt, ich beginne mit der Vorproduktion, bin während des Drehs an Bord und komme dann in die Postproduktion.

Ich erwähne das, weil es einen Unterschied zwischen dieser Rolle und einem VFX-AD gibt, der in einem VFX-Studio arbeitet.

Die wichtigste Fähigkeit ist es, ein guter Kommunikator zu sein. Der VFX-AD arbeitet mit verschiedenen Abteilungen zusammen – die wichtigsten sind die Grafikabteilung und die Visual Effects-Abteilung. Er arbeitet auch mit dem Kameramann, der Lichtabteilung, der Produktion, der Modellabteilung, der Bildhauerabteilung, den Drehorten und vielen anderen zusammen.

Vor allem aber muss einem die Arbeit Spaß machen, Du musst es lieben. Es ist ein interessanter Job, aber die Arbeitszeiten können lang sein, es kann stressig sein, wenn man es zulässt, und man arbeitet oft getrennt von seiner Familie. Wenn Du nicht liebst, was Du tust, wirst Du Dich schnell fragen: „Warum tue ich das?“

Tarnkappe.info: Was hast Du in der Szene vorher gelernt? Auch in einer Demogruppe hat man manchmal mit den verrücktesten Typen zu tun. Vor allem die Programmierer sind manchmal echt abgedreht. Das war sicher sehr lehrreich für Deine spätere Karriere, oder?

RAW, J.O.E.

Peter Baustaedter: Meine Arbeit in der Szene hat mich auf den Geschmack gebracht, bildender Künstler zu werden. Sie ermöglichte es mir, zu forschen und zu experimentieren, und brachte mich dazu, einen Job in der Branche zu suchen, in der ich jetzt arbeite.

J.O.E. über Programmierer: „Ich glaube, ich war eher der verrückte Typ“

Die meisten Programmierer, mit denen ich gearbeitet habe, waren sehr nett und geduldig – ich glaube, ich war eher der verrückte Typ. HA HA !

Aber ich habe mit Hans gearbeitet und er war wirklich außergewöhnlich. Er war superschlau und ein ausgezeichneter Programmierer. Hans hat seinen Code so optimiert, dass er manchmal nur auf seinem eigenen A500 lief.

J.O.E.

Er machte ständig verrückte Sachen und hatte eine ausgeprägte hinterhältige Ader in seinem Charakter. Als ich in die Postproduktion wechselte, verloren wir schnell den Kontakt. Dann hörte ich, dass er psychedelische Drogen entdeckt hatte und in Nepal oder so unterwegs war. Ich frage mich, was er heute macht.

Vielleicht hat mich das auf zukünftige Begegnungen vorbereitet. Aber ich muss sagen, dass die meisten Crewmitglieder absolute Profis sind, mit denen man wunderbar zusammenarbeiten kann und die wirklich gut sind in dem, was sie tun. Wie in jedem Job gibt es manchmal Ausreißer, aber eines meiner Credos ist, dass ich mit (fast) jedem zusammenarbeiten kann.

Er kann nur für die Demoszene aktiv sein, wenn es die Zeit erlaubt

Tarnkappe.info: Ich habe gesehen, dass Du in Deiner Freizeit „zum Spaß“ pixelst (= Bilder digital malst). Brennt es Dir nicht in den Fingern, wieder an der Produktion einer spannenden Demo mitzuwirken? Oder gehört das einfach der Vergangenheit an?

Peter Baustaedter: Ja, das wäre schön, und ich habe auch schon diverse kleine Sachen für Demos geliefert. Aber da ich momentan mit Arbeit und Familie sehr beschäftigt bin, muss ich pixeln, wenn es die Zeit erlaubt – und das ist ziemlich selten. Deshalb mache ich die meisten Sachen aus Spaß und nicht für Demos, da ich normalerweise jeden Termin verpasse, den ich bekomme.

Tarnkappe.info: Noch eine Frage ziemlich kurz vor Schluss: Bist Du verheiratet? Hast Du Kinder? Es ist wahrscheinlich nicht so einfach, mit jemandem zusammen zu sein, der so beschäftigt ist, oder?

Peter Baustaedter: Ja, ich bin mit einer wunderbaren Kiwi-Frau verheiratet und wir haben zwei Kinder, fünf und sieben Jahre alt. Eine Familie zu haben, ist für fast jeden eine Herausforderung, würde ich sagen.

Meine Frau unterstützt mich sehr in meinem anspruchsvollen Job, der nicht nur viel Arbeit mit sich bringt, sondern mich auch manchmal monatelang von zu Hause fernhält. Letztes Jahr habe ich insgesamt 5 Monate in Großbritannien verbracht, das so weit von Neuseeland entfernt ist, wie es nur geht. Das war für uns alle hart.

Aber wie das so ist, wenn man freiberuflich arbeitet, kann es passieren, dass ich eine Weile ohne Auftrag und somit dann die ganze Zeit zu Hause bin und alle nerve. HA HA!

„In einem Job wie diesem muss man auf sich selbst aufpassen“

Tarnkappe.info: Wie gut achten die Unternehmen auf Deine Work-Life-Balance?

Peter Baustaedter: In einem Job wie diesem muss man auf sich selbst aufpassen. Die Hersteller sind in der Regel sehr auf Gesundheit und Sicherheit bedacht und tolerant gegenüber den Lebensumständen der Menschen.

Die allgemeine Lebensbalance und Gesundheit liegt jedoch in meiner eigenen Hand. Ich achte darauf, dass ich mich täglich bewege und dass ich Dinge esse, die einigermaßen gesund sind. Das ist viel einfacher, wenn man von zu Hause aus arbeitet, als wenn man irgendwo in einem anderen Land ist.

Bei meiner letzten Produktion wurde mein Büro direkt neben die Büroküche verlegt, die mit schrecklichen Snacks gefüllt war – mir ging es nicht so gut. Ich arbeite gerade daran, mein Gewicht zu reduzieren.

Wie wirst Du Deinen Ruhestand verbringen?

Tarnkappe.info: Die Verlockung war sicher allgegenwärtig, ich kann es mir gut vorstellen. Und was wirst Du tun, wenn Du das Rentenalter erreichst? Kannst Du Deine Füße stillhalten und einen Drink am Meer genießen? Oder würdest Du lieber mit den Enkelkindern spielen? Alternativ könntest Du auch mit Deinem Rollator oder Deinen Krücken in 15 Jahren zu einer Demo-Party kommen, gell?

Peter in seiner Freizeit. Quelle privat.

Peter Baustaedter: Ich möchte in diesem Beruf arbeiten, bis ich genug davon habe, und wer weiß, wann das sein wird. Ich muss einfach fit und gesund bleiben. Wenn die Zeit gekommen ist, in den Ruhestand zu gehen, freue ich mich darauf, all die oben genannten Dinge zu tun und noch mehr.

Ich habe viele alte Amigas und andere Geräte (natürlich sind zumeist Computer gemeint), die meine Aufmerksamkeit brauchen würden. Und ich kann mir vorstellen, dass ich darauf dann regelmäßig Farbe und Pinsel hervorholen würde.

Tarnkappe.info: Peter, vielen Dank für die tiefen Einblicke und ausführlichen Antworten. Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg und dass das nächste Büro nicht wieder direkt neben der Kantine liegt.

Wer sich noch nicht an seinen Werken von damals sattgesehen hat, findet bei ArtCity einige selbst gepixelte Bilder und Logos, die allesamt Ende der 80er bis maximal Mitte der 90er Jahre auf dem Commodore Amiga entstanden sind. Weitere (allerdings ausnahmslos englischsprachige) Interviews mit Peter Baustaeder sind bei AMP, AmigaLife und auf der Website von Ce-on Software verfügbar.

Vielen Dank an Norbert Konieczny (Norby), der für mich vor Monaten netterweise den Kontakt mit J.O.E. hergestellt hat. Wer den Anfang verpasst hat, der erste Teil des Interviews ist hier bei tarnkappe.info verfügbar.

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Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.