Interview mit Simon Lange aus der Piratenpartei, der für seine kritische Stimme bekannt ist. Wir wagen einen unverfälschten Blick hinter die Kulissen.
Wir haben heute ein Interview mit einem langjährigen Mitglied der Piratenpartei geführt, der vor allem für seine kritische Stimme bekannt ist. Der Wahlberliner Simon Lange hat bereits vor 5 Jahren im Bundespresseteam der Partei mitgewirkt. Lange wurde im Gegensatz zu vielen anderen nicht von Wahlerfolgen angelockt. Er war schon Jahre vor Einzug der Piraten in diversen Landtagen aktiv. Wir wagen einen unverfälschten wie ausführlichen Blick hinter die Kulissen dieser Partei.
Simon Lange über sich: „Ich bin eine gewaltige Erscheinung“
Tarnkappe: Wie würdest Du Dich selbst beschreiben? Was machst Du eigentlich beruflich?
Simon Lange: Ich bin 43 Jahre jung, eine gewaltige Erscheinung, bekennender Sarkast, Vater, Tierfreund, Humanist und ein Hamburger Jung. Uns Hamburger Jungs wird sicher nicht ganz ohne Grund nachgesagt, dass wir unsere Meinung ehrlich auf der Zunge tragen und so halte ich es auch. Ich habe außerdem einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und eine gewisse Prinzipientreue wird mir ebenfalls nachgesagt. Mein bescheinigter altruistischer Charakter hat mir schon diverse Probleme bereitet, aber er passt auch irgendwie zu mir. Da ich bereits in früher Kindheit mit dem Gesetz in Berührung kam als es darum ging einen Kunstfehler juristisch aufzuarbeiten, ist so auch meine Liebe zu Grundrechten und mein Interesse an einer konsequenten Durchsetzung dieser zu erklären.
Beruflich bin ich ein freiberuflicher IT Berater, der aber schon als jugendlicher in diesem Feld gearbeitet hat. In meiner Jugend habe ich auch allerlei „Jobs“ angenommen und bin viel herumgekommen. Von Pizzabäcker bis Leichenwäscher war alles dabei. Ich bin heute noch der Meinung, dass eine derartige grundsätzliche Erdung gerade bei politischen Betätigungen zu Gute kommt. Meine journalistische Erfahrung sammelte ich mit Fachartikeln und Berichterstattungen. Mein Höhepunkt war eine journalistische Reise nach Litauen um über deren Erfolge nach ihrem EU Beitritt zu berichten.
Tarnkappe: Du bist politisch engagiert und betreibst gleichzeitig Kampf- und Schießsport. Vom zeitlichen Aufwand einmal abgesehen, erscheint diese Kombination irgendwie unmöglich, oder?
Simon Lange: Meine aktive Kampf- und Schießsportzeit ist leider (wirklich leider) schon lange vorbei. Meine WBK (Waffenbesitzkarte) habe ich bereits vor vielen Jahren zurückgegeben, auch weil es im Berliner Stadtgebiet praktisch keinen BDMP Stand gibt und die einzigen verfügbaren Stände ein Auto oder stundenlange Anreisen mit ÖPNV erfordern. Kampfsport hab ich in Berlin mal probiert war aber sehr enttäuscht. Semi-Kontakt ist ineffektiv und – zumindest für mich – langweilig und wenig reizvoll. Ich trainiere aber noch immer meine Techniken und meine Kombinationen, damit sie im Notfall ablaufen, aber im Training wie noch vor vielen Jahren bin ich lange nicht mehr.
Dennoch ist Kampfsport oder Schießsport kein Widerspruch zu politischen Betätigungen. Tatsächlich wünschte ich es gäbe diese Kombination häufiger, denn zum Beispiel der Kampfsport lehrt Beherrschung und innere Ruhe, welche gerade in der Politik in einer hitzigen Debatte dieser zu Gute kommt. Gerade bei den Piraten erlebe ich bei anderen oft emotionale Ausbrüche, die mit etwas professionellem Training zu vermeiden wären.
Was den Schießsport angeht. Das ist einfach nur ein Sport, bei dem es um Konzentration, Präzision und Wissen geht. Praktische ist auch dass man bei tagespolitischen Schnittmengen durchaus Aktionismus und Fachwissen in der Politik deutlich besser unterscheiden kann. Zum Beispiel wenn wiedermal ein verwirrter Mensch Massenmorde begeht, die Medien es als Amok „False“ flaggen und meist uninformierte Menschen eine Verschärfung des Waffenrecht fordern.
Er hat die Piraten sabottiert, wo immer es nur ging
Lars Sobiraj: Simon, wir waren 2009 beide ehrenamtlich im Bundespresseteam der Piratenpartei aktiv, bis Christopher Lauer dieses mehr oder weniger aufgelöst hat. Magst Du erläutern, was sich seitdem bei den Piraten getan hat?
Simon Lange: Kleine Korrektur, er hat es nicht direkt aufgelöst. Er hat es nur sabotiert wo er konnte. Ihm war es damals stets ein Dorn im Auge, dass die Berliner (dessen Landesvorstand er angehörte bevor er Bundesvorstandsmitglied wurde) ihre einseitigen Partikularinteressen nicht dem Bund beziehungsweise der Bundespresse aufdrücken konnten. Das mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz hat er schon damals nicht verstehen wollen.
Damals hatten wir ein sehr engagiertes Team, welches sich in verschiedene Sektionen aufteilte. Die bekanntesten waren das Team, welches Pressemitteilungen und Statements für die Webseite schrieb. Und das andere war das Team, welches Kontakt zu Journalisten hielt, Anfragen bearbeitete, den Bundesvorstand regelmäßig informierte und ihn beriet – als auch die Termine koordinierte.
Der Vorteil damals war die von Außen wie auch von innen klare Struktur. Die Verantwortlichen waren allseits bekannt und so gab es keine Chance für Verantwortungs-Diffusion wie wir sie heute leider haben und wie sie seit Ende 2010 bzw. Anfang 2011 Einzug fand.
Aus der einstigen und sehr effektiven Arbeitsliste wurde bis heute eine leider eine ineffektive Streitliste der Befindlichkeiten. Durch die aktuelle Verantwortungsdiffusion im Presseteam das nicht mehr Presse AG sondern nun SG Presse heißt, ist ein sinnvoller Informationsfluss kaum noch gegeben. Die SG Presse verpasst regelmäßig Presse-Termine, Themenbeauftragte klagen ständig über Lektorate welche den Inhalt trotz fehlender Fachkompetenz verändern oder Veröffentlichungen dermaßen verzögern, dass eine Multiplikation von Pressemitteilungen praktisch kaum mehr stattfindet. Eine Überregulierung der Basis hat andererseits dazu geführt, dass man das ehrenamtliche Betätigen durch das piratige Mandat dermaßen eingeschränkt hat, dass mit der mittlerweile sehr dünnen Servicedecke kaum noch das dadurch resultierende Aufgabenfeld abgedeckt werden kann. Ich kenne derzeit keinen professionellen Presse-Menschen oder Journalisten (also solche, die davon ihren Lebensunterhalt bestreiten) der nicht bei der Sichtung der SG Presse facepalmierend weglaufen würde.
Wie dem auch sei. Ich verließ das Bundespresseteam und legte meine Beauftragung als Leiter der Bundespressestelle und als Bundespressesprecher nieder nachdem Lauer einen bekannten – mittlerweile MdL Berlin – Piraten verleumdete und seine Vorstandskollegen sich nicht dagegen verwehrten. Ich sah mich ob der unwürdigen Geschehnisse im Bundesvorstand (BuVo) nicht mehr in der Lage dieses Gremium vertreten zu können. In der Folge gab es bis 2011 keine nennenswerte Pressearbeit mehr und viel blieb liegen. Meine vorgeschlagenen Nachfolger lehnten – wohl wissend ob des damaligen Bundesvorstands – allerdings die Nachfolge dankend ab.
Twitter ist ein „Troll-Medium“
Tarnkappe: Die Streitigkeiten werden bei den Piraten oftmals per Twitter in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Wäre es nicht an der Zeit, diese Form der Auseinandersetzung zu beenden, um alles zu entschleunigen und der Entstehung von Shitstorms entgegen zu wirken? Die Medien haben sich bis vor ein paar Monaten über Auseinandersetzungen führender Köpfe gefreut, über die sie berichten konnten. Mittlerweile sind die Piraten offenbar in der medialen Versenkung verschwunden.
Simon Lange: Nun diese Entwicklung kam ja nicht überraschend. Ich hatte bereits 2009 bzw. Anfang 2010 den Landes- wie auch den Bundesvorstand darauf hingewiesen, dass wenn bestimmte destruktive Methodiken nicht proaktiv bekämpft werden, diese aufgrund ihrer durch ihre unsoziale und menschenverachtende Wirkungsweise und somit effektive Wirkung, schnell an Popularität gewinnen werden; Und dass wenn dies passieren würde man schnell das Problem hätte, dass so ein Effekt nur sehr schwer umzukehren wäre sollten Akteure solcher Methodiken sich erst einmal in die Strukturen eingenistet haben.
Leider ging man den bequemen Weg der Konfliktvermeidung weshalb sich die informellen Strukturen derart festigten, dass diese irgendwann begannen systematisch formelle Strukturen zu besetzen. Über diese Entwicklung habe ich auf meinen Blog immer wieder mal geschrieben. Zwar erreichte ich einige, aber die Entscheider in unserer Partei haben leider all zu oft ihre persönliche politische Karriere über das Wohl der Partei gestellt und somit nichts getan.
Twitter bezeichne ich gerne als „Troll-Medium“. Denn zur inhaltlichen Diskussion taugt es kaum. Außerdem bringt Twitter aufgrund der durch 140 Zeichen gebotenen Beschränkung eine Fraktionierung von Unterhaltungen mit sich, welche es böswilligen Akteuren erlaubt Tweets einfach aus dem Zusammenhang herauszulösen um diese dann – gerne mit entstellender Einleitung – gegen Personen oder Gruppen zu verwenden. Es darf als Fehler der Partei betrachtet werden, dass Repräsentanten noch immer Twitter Accounts für politische Statements verwenden. Eigentlich sollten gerade die Piraten verstanden bzw. unter Schmerzen gelernt haben, dass Twitter als offizielles Medium nicht taugt. Zwar wird genau dieser offizielle Status abgestritten, aber in der Tatsache durchaus offiziellem Charakter bei bemessen.
Shitstop
Ich habe bereits 2012 einen verpflichtenden (insbesondere für Partei-Repräsentanten) Verhaltenskodex aus 10 Punkten erarbeitet. Dieser wurde damals auch unter dem Stichwort Shitstop bekannt. Obwohl der damalige Politische Geschäftsführer Ponader mir versicherte sich für diesen Verhaltenskodex einzusetzen, geschah natürlich nichts. Der 10 Punkte Kodex kann heute noch auf meinem Blog bewundert werden.
Die mediale Versenkung ist ein Resultat dieser geduldeten Angriffe gegen Personen aber auch gegen Personengruppen. Gerade der Kampf gegen Personengruppen wurde oft und wird noch immer aktiv als Sippenhaftung veranstaltet. Eine Bürgerrechtspartei welche Sippenhaft nicht nur duldet sondern sogar aktiv betreibt (zuletzt auf der Landesmitgliederversammlung in Berlin), verliert im Kampf um Grundrechte bzw. Bürgerrechte jegliche Glaubwürdigkeit. Unsere Kernwählerschaft hat das auch immer schon an allen möglichen Stellen deutlich herausgestellt. Dennoch fürchtet man im Bundesvorstand bzw. auch in den vielen Landesvorständen mehr das mediale Echo wenn man sich klar gegen solche Missstände öffentlich verhält, als das Echo an der Wahlurne welches bereits jetzt uns für die Tolerierung solcher Vorgänge abstraft.
Unsere politischen Gegner wie auch die Medienlandschaft macht sich allerdings bei einer mittlerweile 1% Partei nicht mal mehr die Mühe und holt diese Fails der Piraten hervor. Diese warten, bis wir wieder 2stellig in den Umfragen sind. Eine mediale Schlacht auf die wir Piraten besser vorbereitet sein sollten und die Zeit bis dahin nutzen sollten unsere Glaubwürdigkeits-Defizite aufzuarbeiten und zu korrigieren.
Simon Lange: „Politik ist halt keine Spaßveranstaltung“
Tarnkappe: Mit den früheren Idealen haben die Piraten nichts mehr gemeinsam. Wieso bist Du noch immer Teil dieser Partei, brauchst Du den Schmerz?
Simon Lange: Nun ich habe die Partei aktiv mit aufgebaut. Ich habe Unterstützungsunterschriften gesammelt, Infotische organisiert, Strassenwahlkampf geplant und durchgeführt und habe stets versucht in den Bereichen in welchen ich beteiligt war Teamwork und professionelles Arbeiten zu ermöglichen. Gerade mit meiner Konrad Zuse Crew wurden wir wegen der vielen menschenverachtenden Aktionen gegen Mitglieder in der Partei schnell zu einem Schutzraum im Landesverband Berlin. Ich habe sehr oft Menschen Mut zugesprochen, sie ermutigt zu kandidieren oder sich für Beauftragungen zu bewerben, habe mich vor Menschen gestellt und auch für Menschen gesprochen wenn diese Repressalien fürchteten.
Ich habe solchen Menschen eine Verantwortung gegenüber. Man kann Menschen nicht ermutigen durchzuhalten und dann selber das Feld räumen. Ich habe diversen Menschen versprochen zu bleiben und ich gedenke als Hanseat mein Versprechen zu halten.
Politik ist halt keine Spaßveranstaltung. Politik ist dicke Bretter bohren. Es braucht Durchhaltevermögen, ein dickes Fell und einen starken Charakter. Das kann man zwar kritisieren, aber es ändert leider nichts an dem IST-Zustand. Ich versuche daher das Beste aus jeder Situation zu machen und helfe wie schon immer seit Jahren wo ich kann. In den letzten 2 Jahren zum Beispiel stelle ich eine Menge IT Infrastruktur den wenigen verbleibenden Piraten zur Verfügung, welche noch die alten und erfolgreichen Werte hochhalten.
Tarnkappe: Du hast klare Vorstellungen, überschneiden sich diese nicht mit einer anderen Partei wie den Grünen oder beispielsweise den Linken?
Simon Lange: Ja, tun sie bisweilen. Gerade beim Thema Netzpolitik gibt es tolle Köpfe bei den Grünen wie auch bei der Linken. Allerdings schrecken mich diese Parteien mit ihren Altlasten ab. Dinge wie gegenderte Sprache, Frauenquote oder bei der Linken gar die fehlende Aufarbeitung ihrer SED Vergangenheit verhindern eine politische Heimat für Bürgerrechtler wie mich. Allerdings kann man mit diesen Parteien wunderbar projektbezogen auf gemeinsame Ziele zusammen hinarbeiten. Dies geschieht bisweilen auch schon beispielsweise beim Thema TTIP Datenschutz oder der Aufarbeitung des NSA Skandals. Allerdings müssen wir Piraten aufpassen, dass wir uns nicht unsere Kern-Butter vom Brot nehmen lassen.
Der Umgang mit Tauss war eine „Schande“.
Tarnkappe: Wie beurteilst Du den Umgang der Piraten mit dem ehemaligen MdB Jörg Tauss? War beispielsweise das Hausverbot in den Berliner Räumlichkeiten gerechtfertigt?
Simon Lange: Die Art und Weise wie die Piratenpartei mit der Person Jörg Tauss umgeht ist eine Schande. Tauss hat sich immer loyal zur Partei und ihren Werten verhalten. Er hat proaktiv klargestellt, dass er Schaden von der Partei abhalten wird und hat damals auf eine Berufung verzichtet. Tauss hat seinen Hut genommen, um Schaden zu vermeiden. Er hat die gesamte Bewährungszeit abgewartet und keinen neuen Mitgliedsantrag gestellt und genau damit sein Versprechen gehalten. Jörg hat dennoch, als Nicht-Mitglied, all die Jahre noch immer der Partei geholfen wo er konnte. Er lieferte Sachspenden, war extrem aktiv beim Plakatieren mit Wahlwerbung und viele Piratenrepräsentanten suchten stets einen Rat bei dem sehr erfahrenen und sehr gut vernetzten ehemaligen MdB Tauss.
Gerade seine Kontakte machten ihn so wertvoll und es war oft beschämend zu beobachten, dass sein Rat und seine Tat gerne in Anspruch genommen wurde, man aber dies alles nicht offen zugab. Ich würde mich freuen wenn der Bundesvorstand Jörg Tauss eine Mitgliedschaft ermöglichen würde und so ein wenig Anstand und Respekt vor der Person und den Leistungen des Herrn Tauss zeigen würde. Wertschätzung ist ohnehin etwas das viel zu selten gezeigt wird. Der Bundesvorstand kann hier mit einem deutlichen Signal gegebenenfalls ein Umdenken nach unten in niedere Gliederungen bewirken. Wenn er denn will.
Was das Hausverbot angeht, war es eine Farce. Das Hausverbot war damals natürlich nicht gerechtfertigt und darf als Beleg dafür herhalten was passiert wenn man charakterlich schwachen und ungeeigneten Menschen Macht verleiht. Der Machtmissbrauch folgte auf dem Fuße.
Sascha Lobo als Steigbügelhalter
Tarnkappe: Lauer und Lobo analysieren in der FAZ, was in dieser Partei falsch gelaufen ist. Was empfindest Du dabei?
Simon Lange: Bedauern für Lobo, der sich als Steigbügelhalter für Lauer hergibt und damit seine Reputation nachhaltig beschädigt. Belustigung wenn ich sehe wie abweichend von den wirklichen Begebenheiten dieses „Buch“ Vorfälle beschreibt. Lauer, der durchaus als markanter Wegbereiter des Niedergangs der Piratenpartei bezeichnet werden muss, beschwert sich in diesem „Werk“ genau über die Probleme welche er selbst maßgeblich mit herbeigeführt hat.
Mich hat besonders die Behauptung erheitert ich wäre im Oktober 2010 der Assistent von Jens Seipenbusch geworden und ich wäre 2010 bei den „progressiven“ Piraten umstritten gewesen. Nachdem ich das auf Spiegel Online las, rief ich direkt Jens (Seipenbusch) an, der noch nicht wußte, dass „wir beide“ mal wieder auf Spiegel Online stehen. Wir lachten herzlich, auch darüber dass es 2010 bereits „progressive“ Piraten gegeben haben soll (die sich bekanntlich erst Ende Juni 2014 in Halle formierten). Aber Herr Lauer hat es mit der Wahrheit noch nie so genau genommen. Für ihn war und ist stets von primären Interesse wie er am Ende des Tages dasteht. Da wird schon mal eine Urheberrechtskampagne der Piratenpartei sabotiert und die Partei bundesweit zur Witznummer gestempelt damit er ein Urheberrechts-Reförmchen veröffentlichen kann, von dem ihm vorher bekannt war dass es handwerklich ungenügend war.
Sascha Lobo hat sich mit dem „Lauer-Buch“ keinen Gefallen getan.
Erfolg ist so manchen zu Kopf gestiegen
Tarnkappe: Werden die Piraten jemals wieder auf Landesebene die 5%-Hürde überschreiten? Wäre das zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt wünschenswert?
Simon Lange: Ich stecke da in einem Dilemma. Einerseits will ich natürlich, dass Piraten wirken und in den Parlamenten mit Sachverstand, Schnauze und kreativen Ideen zum Nutzen der Bürger sich einbringen. Andererseits weiß ich, dass dies bis aus sehr wenige Ausnahmen eine Illusion ist. Viele Kandidaten wie auch viele MdL der Piraten haben weder die charakterliche noch die politische Reife um derartige Aufgaben bewältigen zu können. Es hat sich leider insbesondere in Berlin aber auch in NRW immer wieder gezeigt, dass der Erfolg bei vielen schnell zu Kopf stieg, man die Piraten Werte vergaß und auch jegliche Erdung verlor.
Dabei wurden diese MdL genau die Art von Politikern und übten eine Politik aus, welche wir Piraten eigentlich zu Besseren revolutionieren wollten. Der Wähler bekam das mit und wir alle zahlen nun die Zeche dafür. Unvergessen der Filz in Berlin, geplatzte Kondome und antisemitische und Gewalt verherrlichende Statements von Piratenparlamentariern in Berlin und NRW. Landesvorstände die so ein Verhalten dann mit Schweigen quittieren dürfen sich nicht wundern, wenn der Wähler dies dann ebenfalls mit fehlenden Kreuz quittiert.
Also kurz: Ja, ich wünsche mir 5%+ aber bitte erst nachdem die Piratenpartei ihre Authentizität wiedererlangt hat.
Bundesvorstand: Zweifel an Korrekturwillen des LV Berlin
Tarnkappe: Glaubst Du, der jetzige Bundesvorsitzende Stefan Körner kann die Verhältnisse korrigieren? Zumindest scheint er in Richtung Berlin weniger hörig als sein Vorgänger zu sein.
Simon Lange: Kann er sie korrigieren? Auf jeden Fall. Wird er sie korrigieren? Eine gute Frage, die ich noch vor ein paar Monaten mit einem klaren Ja beantwortet hätte. Mittlerweile allerdings habe ich da meine Zweifel. Zwar hat er gezeigt, dass er wenn ein Landesvorsitzender aus Berlin ihn maximal öffentlich beleidigt, er diesen sogar mit der Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens bedenken möchte, aber wenn ganze Personengruppen als Faschisten, Nazis, Sexisten und Antisemiten verleumdet werden und ein ganzer Landesverband Anträge durchwinkt, die man qualitativ eher einer radikalen Splittergruppe der NPD zutrauen würde; Dann passiert genau nichts. Zumindest nicht ansatzweise bemerkbar wie es passierte, als ein Lauer den Vorsitzenden Körner persönlich medial angriff.
Ich würde mir da eine deutlichere Positionierung zu unseren Grundwerten wünschen und auch ein deutlich pro-aktiveres Durchsetzen der Satzung mittels politischer wie auch ggf. juristischer Möglichkeiten durch den Bundesvorstand bzw. unter der Leitung von Stefan Körner.
Noch habe ich da Hoffnung aber sie schwindet und leider bin ich da bei weitem nicht der Einzige. Wohl aber einer der Wenigen die das auch so deutlich zum Ausdruck bringen.
Keine Macht den Dummköpfen
Tarnkappe: Auf deinem Twitter-Profil steht: Keine Macht den Dummköpfen. Was ist damit konkret gemeint?
Simon Lange: Genau das. :) Im Ernst: Oft wurde mir gesagt ich solle bei Konflikten, bei denen es wirklich um etwas ging, zurückstecken um den Konflikt zu vermeiden. Gerne wurde derartiges „garniert“ mit dem dämlichsten Spruch aller Zeiten welcher lautet: „Der Klügere gibt nach.“ Das ein derartiges Ansinnen dazu in letzter Konsequenz führen würde, dass nur die „Dummen“ regieren und das genau das wiederum unsere politische bzw. netzpolitische Realität ist – geschenkt. Daher appelliere ich dafür, dass man „Dummen“ eben nicht das Feld überlässt. Man tritt ihnen entgegen und enttarnt ihre „Dummheit“ mittels guter Argumentation.
Dabei ist es völlig egal ob diese „Dummen“ nun Altparteien angehören oder dogmatische Haßprediger aus den Reihen religiös verwirrter Menschen sind oder diverser rechter Gruppierungen oder irgendwelchen faschistischen Burschenschaften angehören. Man überlässt solchen Menschen nicht die Bühne, sondern man nutzt die Gelegenheit idealerweise vor Publikum deren Halbwahrheiten und billige Propaganda mit Eloquenz und Argumenten zu entzaubern und ihnen ihre Maske herunterzureißen. Das ist zwar anstrengender und unbequemer als plattes distanziertes „dagegen“ demonstrieren aber dafür deutlich nachhaltiger und effektiver.
Die Causa Konrad Zuse Crew
Tarnkappe: Du bist Mitglied oder sogar Gründer der Konrad Zuse Crew. Was hat es damit auf sich? Wofür eine Crew, wo es die Piraten doch schon gibt?
Simon Lange: Ja ich bin „Mitglied“ der Konrad Zuse Crew und das ist gut so. Crews wurden eigentlich definiert als Anlaufpunkt für Bürger bei denen sie die Piraten kennen lernen können, ihre Ideen diskutieren können und sich in der Partei auch ohne Mitgliedschaft einbringen können. Es sind extrem niedrig schwellige Partizipationsmöglichkeiten. Crews haben keinerlei machtpolitische Befugnisse, sind kein Teil der Parteistruktur und das Bindemittel in den Crews ist der gemeinsame Wunsch politisch etwas zu bewirken und mit Menschen Ideen und Visionen aber auch konkrete Aktionen zu diskutieren und umzusetzen.
So wundert es nicht das Crews in Berlin stets sehr kreativen Wahlkampf geführt haben und am besten dann waren wenn das piratige Mandat uneingeschränkt galt. Die Konrad Zuse Crew war die erste Piraten Crew überhaupt und wir haben in den Sternstunden im Jahre 2009 dermaßen viel Zulauf gehabt, dass wir uns recht schnell in diverse Crews aufteilen mussten.
Leider ist das Crewkonzept von diversen Landesvorständen nachhaltig ausgehöhlt worden. So wurde das piratige Mandat mit Regularien weites gehend in Berlin eingeschränkt sodass im Wahlkampf Infotische zB neuerlich genehmigt werden mussten. Jeglicher spontane kreative Funken wurde auf diese Weise im Keim erstickt. Das ganze wurde dann auch mit einem unfassbaren Dogmatismus um Personal-Fragen erweitert. So wurden Crews und Personen die nicht stromlinienförmig Entscheidungen des Landesvorstand mittrugen oder es gar wagten diese zu kritisieren, von Aktionen der Partei exkludiert. So konnten Crews irgendwann sogar nicht mal mehr Wahlkampf machen oder gar Plakate hängen. Vermengt mit der Regulierungswut brachte das teils bizarre Resultate. So sollten komplett politisch unerfahrene Menschen langjährige erfahrene Wahlkämpfer „schulen“ bevor es ihnen erlaubt würde Plakate zu hängen.
Auseinandersetzungen mit dem Berliner Landesverband
Die Konrad Zuse Crew hat sich hingegen stets zu den Piratenwerten erklärt und das Crewkonzept hochgehalten. Die Verfremdungen durch den LaVo Berlin wurden konsequent ignoriert. Die Konrad Zuse Crew agiert heute noch (bis auf eine kleine Ausnahme) genau so wie 2009. Bei uns ist jeder Mensch willkommen. Wir reden mit jedem Menschen und sind stets an dem interessiert, was Menschen bewegt und verstehen uns auch nach wie vor als Lotsen für Interessierte und leiten diese an die entsprechenden Stellen in der Partei weiter.
Die benannte Ausnahme ist, dass wir mittlerweile ein Schutzraum sind. Wir bieten innerparteilich verfolgten Personen Schutz und ein Forum in welchen sie wieder reden können ohne Repressalien fürchten zu müssen. In Berlin ist es leider noch immer so, dass Piraten oder auch sozial-liberale Menschen öffentlich stigmatisiert und verfolgt werden. Als Crew leisten wir daher einen wertvollen Beitrag diese Personen zu schützen und auch oft für sie zu sprechen. Uns erreichen viele Zuschriften, in welchen sich Piraten und Piraten-Fans bedanken dass wir durchhalten.
Crews sind nützlich und sinnvoll. Partizipation ist ein wichtiger Teil der Piraten.
Tarnkappe: Wieso ist die Zuse Crew bei den Berliner Piraten so verhasst?
Simon Lange: Weil wir wie gesagt die Piraten Werte leben und Beschlüsse die offensichtlich rechtswidrig sind oder gegen die Grundsätze der Piratenpartei verstoßen ignorieren und wir uns als Bürgerrechtler begreifen. Da wir nicht korrumpierbar sind, werden wir halt mit allen Mitteln bekämpft. Der Bundesvorstand der diese einmaligen und eigentlich untragbaren Zustände durchaus kennt, relativiert diese öffentlich als „Streit“ und irrt im Angesicht der Sachlage wiederholt indem er dies als autonomes Problem der „Berliner“ bezeichnet. Ein politisches Handeln und wenn auch nur um als Korrektiv zu handeln, findet nicht statt. Wir machen als Konrad Zuse Crew aber weiter. Wir sind Piraten und bleiben Piraten – allen Bemühungen des Landesvorstand Berlin zum Trotz.
Kein neutrales Verhalten von digitalcourage
Tarnkappe: Wie kam es im Vorjahr zum Ausschluss der Demonstration Freiheit statt Angst? Wieso hat sich der Organisator, der Verein digitalcourage, nicht auf eure Seite geschlagen? Das müsste man gerade bei diesem Namen doch eigentlich für selbstverständlich halten, oder?
Simon Lange: Warum der Organisator der FsA 2013 sich dermaßen daneben benommen hat ist mir noch immer ein Rätsel. Ich für mich kann es nur mit einer deutlichen Dissonanz zwischen behaupteten Werten und deren Handeln erklären. Ganz offenkundig ist Datenschutz, Unschuldsvermutung, Bündnistreue und Nachhaltigkeit dem Veranstalter doch nicht so wichtig wie er es der Öffentlichkeit gerne glauben machen möchte.
Wie es dazu kam? Nun, es gab mit klarer Ansage durch Repräsentanten der Berliner Piraten eine Lügenkampagne gegen einen Kulturverein an dem unter anderem ich beteiligt bin. In diesem Zuge haben selbst MdL der Piratenfraktion uns als Faschisten dargestellt und sogar behauptet der Verein wäre eine „Strohpuppe“ der Konrad Zuse Crew und der teilnehmende Truck des Kulturvereins wäre in Wirklichkeit ein Piratentruck.
Leider hat dann das Bündnis, ohne jegliche Kontaktaufnahme, uns keine 24 Stunden vor der FsA 2013 aus dem Bündnis geworfen. Als wir versuchten die Sache trotzdem noch zu klären, weigerte sich Padeluun den Rauswurf zurück zu nehmen. Im Zuge der Diskussion verlangten dann einzelne Protagonisten des Bündnisses eine Offenlegung unserer Vereins-Mitgliederlisten. Ein sehr befremdliches Ansinnen wenn man doch eigentlich für Datenschutz eintreten möchte.
Die ganze Geschichte ist eine einzige Farce und die Details kann man bei mir im Blog nachlesen. Ich habe damals schon gesagt, dass dies eine Bankrotterklärung der FsA bzw. des Bündnis war. Ich sollte Recht behalten. Die FsA 2014 war wohl die letzte Veranstaltung unter diesem Namen, denn offenbar habe nicht nur ich unüberbrückbare Differenzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der FsA festgestellt.
Ich glaube zwar, dass Vereine wie Digital Courage wichtig sind, aber sofern sie sich nicht unglaubwürdig machen wollen, sollten sie peinlich genau darauf achten, dass ihr Wirken auch dem entspricht was sie von der Politik fordern.
Alle netzpolitischen Vereine sind „Alibi Veranstaltungen“
Tarnkappe: Was hälst Du von den netzpolitischen Vereinen, wie D64, LOAD oder dem cnetz, die mehr oder weniger an eine politische Partei angeschlossen sind?
Simon Lange: Das sind leider Alibi Veranstaltungen, welche als Reaktion auf das Erstarken der Piratenpartei entstanden. So sehr ich solche Vereine wichtig finde und ihre Existenz auch begrüße so sehr muss ich mich aber fragen in wie fern diese Vereine tatsächlich auch nachhaltig Rückhalt haben und Bestand wenn die Piratenpartei mal entschwindet. Schon jetzt nach den letzten Wahlen, bei denen die Piratenpartei von der Kernwählerschaft abgewatscht wurde, haben die Altparteien ihre Netzpolitiker durchaus wieder an die kurze Leine genommen.
Tarnkappe: Du schreibst, Du fühlst Dich in Berlin netzpolitisch verloren. Dort präsentieren sich die Politiker nur von ihrer Schokoladenseite. Andererseits finden gefühlte 99% aller Kongresse in der Bundeshauptstadt statt. Wie sollen wir uns im Rest der Republik fühlen?
Simon Lange: Ein Großteil aller Interessenverbände ist in Berlin, der Hauptstadt, zu Hause. und so ist es natürlich keine Überraschung, dass gerade in Berlin die meisten Veranstaltungen politischer Art stattfinden. Ich denke Bloggern und anderen Journalisten kommt eine besondere Verantwortung zu, die Schnittstelle zu bilden, dass Menschen außerhalb Berlins informiert werden aber auch ggf. ihre Ideen und Meinungen dort mittelbar einbringen können. Gerade Blogger, welche oft deutlich unabhängiger sind und auch meist besser geerdet sind, können hier viel besser agieren. Ich selbst nehme oft Fragen von Kommentaren mit und versuche diese anzubringen. Auch versuche ich stets bei Vernetzungstreffen Möglichkeiten z.B. für die Piratenpartei auszuloten. Ich denke eine bessere Vernetzung mit NGOs ist für die Piratenpartei notwendig. Leider treffe ich Pressevertreter der Piratenpartei Deutschland meist gar nicht an.
Schwarze Schafe im Umgang mit CC-lizenzierten Werken
Tarnkappe: Mit Abmahnern von CC-lizenzierten Werken und DDoS-Angriffen hast auch Du schon deine Erfahrungen gemacht. Was ist da im Detail passiert?
Simon Lange: Vorweg, ich bin ein Freund von Creative Commons. Ich habe insbesondere bei meiner Tätigkeit als Stellvertreter von Bruno Kramm bei diversen Urheberrechtsveranstaltungen immer diese Lizenz angepriesen und auch c3s beworben wo ich konnte. Ich denke, dass Menschen welche Werke schöpfen diese auch schützen dürfen und auch ggf. Geld für die Verwendung verlangen sollen. Dass der Gemeinsinn dabei nicht auf der Strecke bleiben darf ist klar und ist auch normalerweise Konsens in der Creative Commons Gemeinde.
Leider gibt es aber auch schwarze Schafe, welche die Unwissenheit mit dieser Lizenz oder den deutlich entspannteren Umgang mit dieser Lizenz ausnutzen um Geld zu verdienen. Konkret gibt es hier eine Personalie Namens Dirk Vorderstraße. Dieser meiner Meinung nach äußerst mittelmäßige Hobbyfotograf verdient offenbar sein Geld nicht primär mit legitimen Lizenzierungen seiner Fotos, sondern mit Abmahnungen.
Der Trick ist einfach wie perfide. Er bewirbt seine Fotos als Creative Commons Werke und mahnt dann Nutzer ab wenn diese minimalste Fehler bei der Angabe der Lizenz machen. So wurden auch schon Abmahnungen verschickt, bei denen die Lizenz selbst nicht verlinkt war, wenngleich die Lizenz selber korrekt angegeben war. Immer fordert er dann massiv überteuerte Lizenzgebühren ein. Dieses Gebaren war mir als Pirat – insbesondere als Urheberrechtspirat ein Dorn im Auge und so schuf ich die Webseite foto-abzocker-dirk-vorderstrasse.de auf welcher ich die Machenschaften plakativ darstellte.
Abmahnungen als Erlösmodell
Herr Vorderstraße versuchte mich wegen der Webseite abzumahnen bzw. einen einstweiligen Beschluss beim Landgericht Berlin zu bekommen. Doch er scheiterte epochal. Just nachdem ihm der Beschluss des Landgerichts Berlin zugestellt wurde, begannen „Unbekannte“ eine DDoS (Distributed Denial of Service) Attacke auf einen konkreten Artikel auf besagter Webseite von mir als auch auf einen konkreten Artikel bei meinem Anwalt Markus Kompa. Beide Artikel hatten dediziert die Person Dirk Vorderstraße und den verlorenen Prozess in Berlin als Thema. Die Angriffe zogen sich über mehrere Wochen hin und variierten auch in den technischen Details. Was sie aber immer gemein hatten war, dass sie ausschließlich Dirk Vorderstraße kritische Seiten angriffen. Offenbar wurde ein Bot Netz gemietet, denn die Angriffe begannen oft synchron und auf bestimmte Uhrzeiten genau. Und waren oft synchron genau so schnell wieder weg wie sie gekommen waren.
Meine IT Infrastruktur hielt recht gut, bis auf kleine Ausfälle die aber die normale Verfügbarkeit nicht gefährdete. Unnötig zu erwähnen, dass die Ermittlungsbehörden bereits fleißig ermitteln. Der Anwalt von Herrn Vorderstraße ließ mitteilen, dass sein Mandant mit dem DDoS nichts zu tun habe. Persönlich kann ich diese Einschätzung nicht teilen. Aufgrund des Abmahn-Verhalten des Herrn Vorderstraße kann ich eigentlich nur alle Menschen warnen, Fotos von Dirk Vorderstraße unter Creative Commons zu verwenden. Ich werde daher auch meine Informationsseite bezüglich Herrn Vorderstraße weiter betreiben.
DDoS-Angriffe und andere Nettigkeiten
Tarnkappe: Laufen die Ermittlungen noch gegen den mutmaßlichen Verantwortlichen von 1 Miliarde Seitenzugriffen, die auf deinen Server eingeprasselt sind?
Simon Lange: Tatsächlich waren es keine 1 Milliarde Seitenzugriffe (Page Impressions) sondern tatsächlich 2.5 Milliarden „Besucher“ (Visits) und zwar allein in den ersten 3 Tagen des Angriffs. Der Angriff lief beinahe drei Wochen. Die Ermittlungen laufen noch.
Tarnkappe: Unser Artikel mit den Postpiraten war natürlich nur ein Gag. Allerdings kam von einigen Ehemaligen tatsächlich die Idee auf, einen derartigen Verein aufzumachen. Jörg Tauss hat mir davon erzählt. Was ist daraus geworden?
Simon Lange: Keine Ahnung. Die Idee wäre zumindest mal frech, kreativ und irgendwie ein schöner System-Hack. Also recht piratig. Haltet mich auf dem Laufenden!
Ehemalige Piraten sind quasi überall vertreten
Tarnkappe: Machen wir! Wo stehst Du in 10 Jahren? Um den Bogen zum Anfang des Interviews zu spannen: Wo befinden sich dann die anderen ehemaligen Mitglieder des Bundespresseteams?
Simon Lange: Ich werde in 10 Jahren sicherlich noch immer Jedem der möchte mit Rat und Tat zur Seite stehen; Völlig unabhängig davon ob nun in der IT oder der Politik. Ich werde aber sicherlich weiter Bürgerrechtler sein und werde weiterhin meinen Mund aufmachen wenn ich Missstände sehe. Ich werde meine dann volljährigen Töchter bestaunen und hoffentlich noch gesund sein, denn Politik ist ungesund.
Was die ehemaligen Bundespresseteam-Mitglieder angeht… Nun die werden ihre Karriere und ihren Weg weitergehen. Einige haben sehr erfolgreich Crowdfunding Plattformen gegründet. Andere arbeiten mittlerweile für Cisco und wieder andere arbeiten bei einer der erfolgreichsten Werbeagentur Europas. Ich stehe noch immer in Kontakt mit diesen tollen Menschen und bedaure noch heute, dass die Piraten diese tollen Menschen „vertrieben“ haben bzw. die Partei dies zuließ, aber freue mich dass eben diese tollen Menschen ihren Weg nicht aus den Augen verloren haben und im Herzen alle noch Piraten sind. Denn vergessen wir doch bitte eins nicht: Piraten waren und sind noch immer eine Bewegung. Die Partei ist nur das machtpolitische Instrument. Eine Piratenpartei ohne Piraten kann nicht existieren, aber Piraten können problemlos ohne Partei existieren.
„Wenn die Piraten so weitermachen wie bislang, gibt es in 10 Jahren keine Piratenpartei mehr.“
Tarnkappe: Hat Herr Lauer bis dahin sein eigenes Unternehmen gegründet oder leitet er eine Zeitung? Wo stehen die Piraten in 10 oder 15 Jahren, wenn sie so weitermachen?
Simon Lange: Ich wüsste nicht, was Herr Lauer für ein Unternehmen gründen könnte. Eloquent ist er nicht, seine Reden waren meist Fremdprodukte. Von IT hat er keine Ahnung. Von Politik auch nicht und Teamwork ist auch nicht unbedingt seine Kernkompetenz. Lauer als Herausgeber einer Zeitung? Vielleicht, aber brauchen wir wirklich noch ein weiteres Blatt für den einfachen Geist? Nein, bitte nicht.
Wenn die Piraten so weitermachen wie bislang, gibt es in 10 Jahren keine Piratenpartei mehr. Die Bewegung wird dann weiter gezogen sein, sich auf die NGOs verteilt haben und dort endlich mal mit „Profis“ erfolgreich Inhalte in die Politik einbringen. In 15 Jahren wird man die Piratenpartei als einen politischen Fehlstart in der Geschichte verorten. Die Partei ist dann schon lange weg und abgewickelt von einem Hausmeister in Bochum wahrscheinlich. Aber ich kann mich auch irren.
Aber vielleicht kommt auch alles ganz anders und wir finden uns alle wieder bei dieser neuen Partei „Neue Liberale“. Ich finde den Namen zwar maximal unglücklich gewählt, denn das letzte mit dem man als Liberaler assoziiert werden möchte sind Neoliberale, aber derzeit ist schon beeindruckend wie viele gute Piraten dort mittlerweile mitmachen. Sagte ich bereits, dass sogar deren Pressesprecher Aleks Lessmann bei mir im Bundespresseteam recht engagiert dabei war? Aber vielleicht schaffen es die Piraten in der Piratenpartei doch noch wieder sich wie Piraten zu verhalten. Wünschenswert wäre es.
Wink
Simon
Fotos privat, thx!
Tarnkappe.info