Das FBI hat YouTube angewiesen, ihnen wegen Geldwäsche die Daten von YouTube-Nutzern zu übergeben. Das Video wurde über 30.000 Mal angesehen.
In zwei Gerichtsbeschlüssen hat die US-Bundesregierung Google angewiesen, Informationen über alle Personen herauszugeben, die sich mehrere YouTube-Videos und Livestreams angesehen haben. Datenschutzexperten halten die Anordnungen für verfassungswidrig, zumal Google zu Ermittlungszwecken zum absoluten Stillschweigen gezwungen wurde. In Deutschland sieht die Rechtslage glücklicherweise bislang deutlich entspannter aus.
Anfragen bei Youtube verwandeln Zuschauer in Tatverdächtige
Bundesermittler haben Google aufgefordert, ihnen Informationen über alle Betrachter ausgewählter YouTube-Videos bereitzustellen, wie aus mehreren Gerichtsbeschlüssen hervorgeht. Darüber berichtete das Newsportal Forbes exklusiv. Datenschutzexperten mehrerer Bürgerrechtsgruppen erklärten gegenüber der Presse, dass sie die Anordnungen für verfassungswidrig halten, da sie unschuldige YouTube-Zuschauer in kriminelle Verdächtige zu verwandeln drohen.
In einem gerade veröffentlichten Fall aus Kentucky versuchten verdeckte Ermittler, die Person hinter dem Online-Namen „elonmuskwhm“ zu identifizieren. Sie verdächtigen den Unbekannten Bitcoin gegen Bargeld zu tauschen und damit möglicherweise gegen das Geldwäschegesetze und Vorschriften für nicht lizenzierte Geldüberweisungen zu verstoßen.
Verdeckte Ermittler versuchten Täter in die Falle zu locken
In Gesprächen mit dem Nutzer Anfang Januar schickten verdeckte Ermittler Links zu YouTube-Tutorials für die Kartierung mit Drohnen und Augmented-Reality-Software. Sie baten Google dann um Informationen darüber, wer die Videos konsumiert hat. Es geht um die Zuschauer von insgesamt über 30.000 Video-Views.
Die Gerichtsbeschlüsse zeigen, wie die Regierung Google auffordert, die Namen, Adressen, Telefonnummern und Nutzeraktivitäten aller Google-Kontonutzer, die zwischen dem 1. und 8. Januar 2023 auf die YouTube-Videos zugegriffen haben, bereitzustellen. Die Regierung verlangte auch die IP-Adressen von Nicht-Google-Kontoinhabern, die sich die Videos angesehen haben. Die Polizisten argumentierten: „Es besteht Grund zu der Annahme, dass diese Aufzeichnungen für eine laufende strafrechtliche Untersuchung relevant und wesentlich sind, auch weil sie Informationen zur Identifizierung der Täter liefern.„
Google zur Geheimhaltung verpflichtet
Das Gericht bewilligte die Anordnung. Man wies Google an, den Antrag geheim zu halten, bis der Fall Anfang der Woche Forbes bekannt gemacht hat. Aus den Gerichtsakten geht nicht hervor, ob Google in diesem Fall der Verfügung nachgekommen ist.
In einem anderen Fall, bei dem es um Ermittlungen in New Hampshire ging, erhielt die Polizei von Portsmouth eine Drohung von einer unbekannten männlichen Person, dass ein Sprengstoff in einem Mülleimer an einem öffentlichen Ort deponiert worden sei. Nachdem die Polizei das Gebiet durchsucht hatte, erfuhr sie, dass sie über eine YouTube-Livestream-Kamera, die zu einem örtlichen Unternehmen gehörte, beobachtet wurde, heißt es in der Verfügung. Bundesermittler glauben, dass sich ähnliche Vorfälle in den gesamten USA ereignet haben, bei denen Bombendrohungen ausgesprochen wurden und die Polizei mithilfe von YouTube beobachtet wurde.
Nutzer von YouTube-Kanälen mit 130.000 Abonnenten ebenfalls betroffen
Sie baten Google um eine Liste der Konten, die acht YouTube-Livestreams und die zugehörigen Identifizierungsinformationen in bestimmten Zeiträumen „angesehen und/oder mit ihnen interagiert“ haben. Darunter befand sich auch ein Video, das von Boston and Maine Live gepostet wurde, das 130.000 Abonnenten hat. Mike McCormack, der das Unternehmen hinter dem Konto, IP Time Lapse, gegründet hat, sagte, er habe von der Anordnung gewusst. McCormack fügte hinzu, dass sie sich auf „Schlägereivorfälle bezog, die zu dieser Zeit auf die Kamerabilder gerichtet waren„. Auch hier ist es unklar, ob Google die Daten zur Verfügung gestellt hat.
„Bei allen Forderungen der Strafverfolgungsbehörden haben wir einen strengen Prozess, der die Privatsphäre und die verfassungsmäßigen Rechte unserer Nutzer schützen und gleichzeitig die wichtige Arbeit der Strafverfolgungsbehörden unterstützen soll„, gab Google-Sprecher Matt Bryant bekannt. „Wir prüfen jede Forderung auf ihre rechtliche Zulässigkeit, in Übereinstimmung mit der sich entwickelnden Rechtsprechung, und wir wehren uns routinemäßig gegen zu weit gehende oder anderweitig unangemessene Forderungen nach Nutzerdaten, einschließlich der vollständigen Ablehnung einiger Forderungen.“ Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hatte das Justizministerium der USA noch nicht auf Anfragen der Kollegen zu einer Stellungnahme reagiert.
Digitale Rasterfahndung war nicht zulässig
Datenschutzexperten bezeichneten die Anordnungen als verfassungswidrig. Sie droht den Schutz des 1. und 4. Verfassungszusatzes, der die Redefreiheit und die Freiheit von unangemessenen Durchsuchungen schützt, auszuhebeln.
„Dies ist das jüngste Kapitel in einem beunruhigenden Trend, bei dem die Behörden Durchsuchungsbefehle zunehmend in digitale Rasterfahndungen umwandeln. Das ist verfassungswidrig, es ist erschreckend und es passiert jeden Tag„, sagte Albert Fox-Cahn, Geschäftsführer vom Surveillance Technology Oversight Project. Niemand sollte befürchten müssen, Besuch von der Polizei zu erhalten, nur weil der YouTube-Algorithmus zugeschlagen hat. Er sei „entsetzt„, dass die Gerichte dies überhaupt zulassen.
Fox-Cahn sagte weiter, die Anordnungen seien „genauso abschreckend“ wie Geofence Warrants, bei denen Google angewiesen wurde, Daten über alle Nutzer in der Nähe eines Verbrechens zu liefern. Für die Genauigkeit von Geofencing wird häufig eine Kombination aus GPS-, Mobilfunk- und WLAN-Daten verwendet. In Stadtgebieten, in denen die Netze der Funkmasten und WLAN-Router dichter sind, liegt die erzielbare Genauigkeit des Geofencing bei nur 100 bis 200 Metern.
Google kündigte im Dezember ein Update an. Dieses soll es dem Tech-Giganten technisch unmöglich machen, Informationen als Reaktion auf Geofence-Anordnungen zu liefern. Zuvor hatte ein kalifornisches Gericht entschieden, dass eine Geofence-Anordnung, die mehrere dicht besiedelte Gebiete in Los Angeles abdeckte, verfassungswidrig war. Dies führte zu der Hoffnung, dass die Gerichte die Polizei davon abhalten würden, die Daten zu verlangen.
Surfer geben online sehr viel von sich preis
„Was wir online sehen, kann sehr sensible Informationen über uns preisgeben. Unsere Politik, unsere Leidenschaften, unsere religiösen Überzeugungen und vieles mehr„, sagte John Davisson, leitender Jurist beim Electronic Privacy Information Center. „Man kann davon ausgehen, dass die Strafverfolgungsbehörden ohne hinreichenden Grund keinen Zugang zu diesen Informationen haben. Diese Anordnung stellt diese Annahme auf den Kopf.„