Falldatei Rauschgift, Tarnkappe.info Lars Sobiraj
Falldatei Rauschgift, Tarnkappe.info Lars Sobiraj

Lars Sobiraj kein Drogenbaron! Ermittlungsverfahren eingestellt

Das Ermittlungsverfahren gegen Lars Sobiraj wegen des Verdachts auf Verstoß von Artikel 29 BtMG hat die Staatsanwaltschaft Köln eingestellt.

Mit Datum vom 26.02.2020 teilte die Staatsanwaltschaft Köln mit, dass sie das Ermittlungsverfahren gegen Lars Sobiraj wegen des Verdachts auf Anbau bzw. Handel mit Betäubungsmitteln eingestellt hat. Die Hausdurchsuchung fand am 17.09. des Vorjahres statt. Dabei hat man Hardware im Neuwert von mindestens 5.000 EUR beschlagnahmt.

Am 22.6.2019 reichte jemand beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg online eine anonyme Strafanzeige mit der Begrüßung „Grüß Gottle“ ein. Die Person wollte ihre Anonymität wahren, weil sie angeblich „eine Vielzahl der Straftaten (beim News-Blog bzw. Forum von Tarnkappe.info) nicht zuordnen“ könne. Außerdem würden die Polizeibeamten aufgrund der Ausführungen „sehr bald verstehen“, warum die Person „nichts mit diesem Blog zu tun haben möchte“.

Polizei BW LKA Banner

Tarnkappe.info – der Sammelpunkt für Auftragsmörder, Geldeintreiber und Steuerhinterzieher!?

Der Einreicher ohne Namensnennung stellte sich selbst als Pädagoge aus Baden-Württemberg (BW) dar. Er bemängelte gegenüber dem LKA BW, dass es seine Schüler „cool“ finden würden, „wie auf Tarnkappe – unter dem Radar – Straftaten beworben werden können“. Daneben behauptet der angebliche Lehrer, er habe auf Tarnkappe.info Verlinkungen zu illegalen Foren gefunden. Es fehlen aber Beispiele dafür, weil es derartige Links bei uns gar nicht gibt.

Der Polizei schrieb er, bei Crimenetwork.co (CNW) „kauften meine Schüler Drogen. (Hasch)“. Die Interviews mit den Betreibern der offensichtlich rechtswidrigen Foren müssten folglich „unterbunden werden“. Man könne bei uns auf der Webseite sogar „Schläger kaufen“ oder durch den Betreiber „eine öffentliche Hetzjagd“ oder einen „Mord“ bestellen, hieß es in der Online-Anzeige, die uns vorliegt. Die Redaktion von Tarnkappe.info soll angeblich neben dem Verkauf der Drogen und der Vermittlung von Auftragsmördern auch Werbung für „Bitcoin-Geldwäsche“ und viele andere Straftaten machen. Der Unbekannte aus dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, der sich als Lehrer ausgab, schloss seine Ausführungen mit den Worten ab: „Ich bitte Sie inständig darum, die Ermittlungen aufzunehmen. Adele!“.

Zu viele Fehler für einen Pädagogen mit Staatsexamen

Die Redaktion von Tarnkappe.info wird seit jeher vertreten vom Neusser Rechtsanwalt Christian Alberts. Herr Alberts vertritt die Ansicht, dass man den Formulierungen deutlich entnehmen kann, dass es sich bei der Person, die die Strafanzeige eingereicht hat, keinesfalls um einen Pädagogen handeln könne. Gegen diese Aussage würden schon die vielen, im Text eingebauten, Grammatik- und Rechtschreibfehler sprechen. Der ganze „Habitus‘‚, der beim Erstellen der Online-Meldung sichtbar wird, entspreche nicht dem eines studierten Lehrers.

Dem zuständigen Staatsanwalt in Köln sind diese Widersprüche nicht aufgefallen, oder aber er hat sich daran einfach nicht gestört. Vielleicht wollte er nach der ersten ergebnislosen Durchsuchung 2014 und dem ebenfalls eingestellten Strafantrag 2013 nachschauen lassen, ob man beim Sobiraj nicht doch etwas holen kann. Die Staatsanwaltschaft Köln beauftragte die Direktion Kriminalität, Kriminalkommissariat 1 in Bergisch Gladbach, damit, die Ermittlungen gegen Lars Sobiraj aufzunehmen. Zwar gibt es naturgemäß beim CNW kein Impressum, wohl aber im Forum bzw. Blog von Tarnkappe.info.

Das Internet ausgedruckt… ?

Quelle Chaotikum.org, thx! (CC BY 4.0)

Was man der Ermittlungsakte entnehmen darf, schlägt dem Fass den Boden aus. Der zuständige Kriminalhauptkommissar (KHK) druckte zwecks Überprüfung der Vorwürfe die Hauptseite des Dark-Commerce Forums Crimenetwork.co aus. Daneben druckte der KHK die Hauptseite von Tarnkappe.info aus. Also die des Blogs, nicht des Forums. Mehr Recherchetätigkeit hat die Polizei in Bergisch Gladbach entweder nicht durchgeführt, oder aber sie hat sie schlichtweg nicht dokumentiert. Laut der Nummern auf den Seiten der Akte fehlen sechs Blätter. Auf Anfrage gab man bekannt, die Nummerierung sei lediglich fehlerhaft, die Akte habe man vollständig Herrn Alberts übermittelt. Das heißt im Umkehrschluss aber eben auch, dass dort bis auf das ausgedruckte Internet keine Hinweise auf weitere Ermittlungen vorhanden sind.

Lars Sobiraj erneut durchsucht – Zusammenhänge konstruiert?

Anfang Juli 2019 schrieb der zuständige Mitarbeiter der Polizei nach Abschluss der Ermittlungen (welche?) einen Brief an die Kollegen von der Staatsanwalt Köln. Er regte darin die Erwirkung eines Durchsuchungsbeschlusses an. „Ziel soll die Sicherung von Beweismitteln, vor allem elektronischer Art sein“. Es ging dabei weiterhin um den mutmaßlichen Verstoß des Tatverdächtigen Lars Sobiraj gegen Artikel 29 BtMG. Am 25.07. behauptet man ferner in einem weiteren Schreiben, das „Vorhandensein dieses Portals wurde durch entsprechende Screenshots nachgewiesen“.

Nochmals zur Erinnerung: Der Ermittlungsakte hat man lediglich einen ausgedruckten Screenshot der Startseite von Crimenetwork.co nebst der Startseite von Tarnkappe.info beigefügt. Aus den Unterlagen geht keinesfalls hervor, worin der Zusammenhang zwischen den beiden Webseiten bestehen soll. Weder fordern wir unsere Leser zu rechtswidrigen Taten auf, noch wurde Sobirajs ladungsfähige Adresse beim CNW im Impressum hinterlegt. Eigentlich hätte man sich fragen müssen, welche Hinweise es denn für eine Zusammenarbeit geben soll!?

Lieber nochmals schauen, ob man nichts Illegales findet…

Offenbar wollte der Staatsanwalt dennoch unbedingt wissen, was man in den privaten Räumlichkeiten des Blog-Betreibers auffinden kann. Aufgefunden werden sollten laut Durchsuchungsbeschluss „etwaiges Drogengeld, Notizen zum Drogenerwerb- bzw. Drogenhandel“ etc. Der Ermittlungsrichter am AG Köln unterschrieb den Durchsuchungsbeschluss am 26.07.2019. Der Verdacht auf Drogenhandel ergebe sich „aus den bisherigen Ermittlungen“, hieß es dort.

Ja, aber welche Ermittlungen denn bitteschön? Ist es wirklich ausreichend für eine Durchsuchung, wenn man ein Interview mit dem Betreiber einer illegalen Werbseite veröffentlicht? Ist es für eine Beschlagnahmung von Hardware im Neuwert von mehr als 5.000 EUR ausreichend, dass der Journalist/Blogger die Internet-Adresse des illegalen Forums lediglich erwähnt, aber nicht darauf verlinkt? Des Weiteren gab man als Grund an, Herr Sobiraj sei „polizeilich bekannt“. Das stimmt zwar, bezieht sich aber auf zwei weitere eingestellte Verfahren, wo ich als Betreiber von Tarnkappe.info zu Unrecht beschuldigt wurde. Zudem ging es dabei ausschließlich um Vorwürfe im Bereich Urheberrecht, nicht um den Handel mit Drogen.

Beschlagnahmte Hardware nach der Rückgabe
Die Ergebnisse des behördlichen Beutezuges auf einen Blick.

Schülerin durfte bei Razzia von Tarnkappe.info live dabei sein

Am 17. September 2019 erfolgte dann der Zugriff. Anwesend waren am Nachmittag vier Polizeibeamte nebst einer ca. 14-jährigen Schülerin, die man zur Durchsuchung mitgenommen hat (!!!). Datenschutz, was ist das? Ende 2013 waren es noch drei Polizisten. Wer weiß, vielleicht feiern wir beim nächsten Mal eine Party mit sieben Polizisten, wenn das so weitergeht?

Positiv: Im Gegensatz zur Durchsuchung 2014 erfolgte bei Lars Sobiraj keine Suche nach Zufallsfunden. Und man probierte im Gegensatz zu damals auch kein „Guter Bulle, böser Bulle“-Spiel. Dafür wurde bei der Drogen-Razzia so rein gar nichts durchsucht. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass auch nur eine einzige Schublade geöffnet oder ein Fach herausgezogen wurde. Die Beschlagnahmung konzentrierte sich alleine auf meine Hardware. Ich habe die Damen und Herren dann freundlich dazu aufgefordert, bitte endlich einmal nach dem Verbleib des Drogengeldes und den BTM-pflichtigen Stoffen zu fahnden, dessen Handel man mir ja vorwarf. Eine genauere Durchsuchung der Wohnung hat man trotzdem nicht durchgeführt. Die Polizei hatte, was sie haben wollte.

Ein Monitor als Datenträger?

Dafür wollte man erneut meinen Monitor mitnehmen, was ich verneint habe. Entweder es gibt am Gerät außen erkennbare Spuren für das Anbringen von jeglichen Datenträgern – oder aber der Monitor bleibt bitte hier, sagte ich den Polizisten. Dafür nahmen sie mein recht neues iPhone, den Mac mini, das nagelneue iPad und meinen Laptop MacBook Pro mit. Außerdem fertigte man für die Akte Fotos vom Schlafzimmer, meinem Arbeitszimmer und unseres Wohnzimmers an. Von Wohnzimmer wohl, weil dort stets mein Laptop liegt.

Das Abgeben einer Aussage habe ich auf Anraten meines Anwalts verweigert. Ich musste dennoch zum Polizeipräsidium Bergisch Gladbach fahren, weil man dort anschließend meine Fingerabdrücke nebst vier Aufnahmen von meinem Profil gemacht hat. Diese wurden augenblicklich mit dem Datenbestand verschiedener Behörden (EUROPOL etc.) abgeglichen hat. Der Mitarbeiter konnte im Polizeipräsidium GL – wenig überraschend – keine Überschneidungen mit den Fingerabdrücken anderer Tatverdächtiger oder anderer unaufgeklärter Straftaten feststellen. Die blutjunge Praktikantin war bei der Erfassung der biometrischen Daten anwesend. Nicht nur mir, auch ihr war die ganze Situation sichtbar unangenehm.

Passwörter mit mehr als 20 Stellen für die Polizei schwerlich knackbar

Dem Durchsuchungsbericht kann man entnehmen, dass ich vor Ort angegeben habe, dass meine Passwörter nicht „zu knacken“ seien. Im Anbetracht der Tatsache, dass tatsächlich alle Geräte bzw. Partitionen verschlüsselt waren, ordnete man eine Fremdvergabe an eine süddeutsche Forensikfirma an. Diese sollte gegen Bezahlung versuchen, die Passwörter zu knacken. Die STA Köln hatte ihrerseits schon die Kostenübernahme bis zu maximal 5.000 EUR zugesagt. Das Unternehmen aus Unterhaching war dann aber nicht so „fast“, wie ihr Name besagt. Die Brute-Force-Attacke auf die Geräte schlug offensichtlich sogar bei allen Geräten fehl. Die mit FileVault (Teil des Betriebssystems Mac OS X) geschützten Partitionen vom MacBook Pro und Mac mini konnte der IT-Dienstleister nicht entschlüsseln. Auch an die Daten der beiden tragbaren Geräte kam man offenbar nicht heran.

Nach einigen Verzögerungen konnte Rechtsanwalt Christian Alberts endlich Akteneinsicht beantragen. Es war sehr schwierig, den zuständigen KHK ans Telefon zu bekommen. Wenn sich jemand meldete, war diese oder dieser nicht zuständig. Auch der Staatsanwalt in Köln war nur schwer erreichbar.


Video mit Medienanwalt Karsten Gulden aus 2015: Was muss ich bei einer Razzia tun?

„Was darf der KOK nicht wissen?“

Monate später erreichte Herr Alberts nach diversen Versuchen schließlich den zuständigen Staatsanwalt telefonisch. Er konnte ihn davon überzeugen, dass hier ein journalistisch tätiger Mensch zu Unrecht durchsucht bzw. seine Geräte beschlagnahmt wurden. Die süddeutsche Forensikfirma hatte ihr Budget zwischenzeitlich ausgereizt, allerdings ohne Erfolg. Wir konnten somit die Quellen unserer journalistischen Tätigkeit schützen. Der Staatsanwalt war aufgrund meiner eingebauten Passworthilfe wenig begeistert. Als Passworthilfe hatte ich für den Fall, dass man zu viele Passwörter falsch eingibt, die Frage „Was darf der KOK nicht wissen?“ eingetragen. Exakt mit dieser Fragestellung begrüßte dann auch der Staatsanwalt meinen juristischen Vertreter.

Fazit von Lars Sobiraj: Sie kommen ohne Zweifel wieder, es ist nur eine Frage der Zeit!

Für mich steht fest, die Polizei kommt wieder. Das ist nur eine Frage der Zeit. Die schätzungsweise sieben oder mehr Polizisten werden dann erneut komplett verschlüsselte Geräte vorfinden. Man darf gespannt sein, welche anonyme Anzeige bei nächster Gelegenheit für einen „Anfangsverdacht“ herhalten darf. Beim nächsten Mal dann vielleicht Verdacht auf Terrorismus oder KIPOs, wenn einem sonst nichts mehr einfällt? Den Verdacht auf Urheberrechtsverletzungen und Drogenhandel haben wir ja schon durchexerziert.

Ich wurde genauso wie Christian Alberts, in Neuss am Rhein geboren. Ich stamme aus der Mittelschicht, aus gutbürgerlichen Verhältnissen. Bei uns in der Familie galt die Polizei immer als Freund und Helfer. Als Schutz vor allen Menschen, die sich nicht an das Gesetz halten wollen oder können. Diese Ansicht musste ich leider in den letzten Jahren revidieren. Sobald man auch nur Kontakt zur Unterwelt hat. Und sei es auch nur zum Zweck der Recherche, wird man automatisch zur Zielscheibe der Behörden.

Wir geben Tarnkappe.info nicht auf!! Es geht weiter, jetzt erst recht!

tarnkappe.info, logoDass derart haltlose Strafanzeigen immer wieder für tiefe Einbrüche in meine Privatsphäre ausreichend sind, weil die Ermittlungsrichter die Beschlüsse ungeprüft durchwinken, muss ich wohl akzeptieren. Behörden und Polizeien müssen im Gegenzug hinnehmen, dass ich mich dadurch in meiner journalistischen Tätigkeit nicht beeinträchtigen lasse! Wenn man in dieser Weise mit unbequemen Bloggern umgeht, regt das meinen Wunsch nach Widerstand an. Dann handele ich nach dem Motto „Jetzt erst recht!“.

Dazu kommt: Wenn die reine Namensnennung einer URL für ein Strafverfahren ausreichend sein soll, dann müsste man ganz woanders mit den Durchsuchungen anfangen. So schwachsinnig es klingen mag, aber dann müsste man im ersten Schritt die Niederlassung von Google und von allen anderen Suchmaschinen mit Razzien überziehen, weil diese den Surfern den Zugang zu den illegalen Foren oder Darknet-Marktplätzen ermöglichen. Die Suchmaschinen agieren als Torwächter des Webs. Sie entscheiden darüber, was sichtbar und was unsichtbar ist. Warum einem kleinen, selbstständig tätigen Journalisten alles wegnehmen, wenn man das Problem bei der Wurzel packen könnte, wenn man denn wollte ?!??

Lars Sobiraj


P.S.:
Den Aufkleber mit den Hinweisen von Chaotikum.org im Fall einer Durchsuchung kann man zu zivilen Preisen hier im Shop von digital courage erwerben. Der einzigen anwesenden weiblichen Polizistin war der Aufkleber sogar ein Foto mit ihrem privaten Smartphone wert. Sie fand es sehr amüsant, dass es Menschen gibt, die ihre Rechte gut sichtbar an ihrer Bürotür anbringen. Ob sie jetzt immer noch so viel zu Lachen hat?

Polizei Bergisch Gladbach
Eingang der Polizeiwache Bergisch Gladbach – Alle Fotos von Lars Sobiraj.

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.