Piratainment damals und heute – ein Podcast mit tarnkappe.info
Bildquelle: Nordlicht

Piratainment damals und heute – ein Podcast mit tarnkappe.info

Der neue Podcast mit dem Betreiber von tarnkappe.info dreht sich um Piraten damals wie heute. Mit uns sprach Martin Wolf von Golem.de.

Die Webseite tarnkappe.info gibt es jetzt schon über 10 Jahre. Wie ihr schon wisst, feiern wir das ja bald. Doch der Podcastbeauftragte von Golem.de hat mich nicht deswegen um ein Gespräch gebeten. Martin wusste, dass ich seit Anfang der 90er Jahre bis heute Kontakt mit der illegalen Szene habe.

Alles fing mit einem Commodore Heimcomputer an

Alles fing Ende der 80er Jahre während meiner Ausbildung zum Bürokaufmann an. Ich hatte mir einen C128er gekauft und nutzte natürlich nur den C64-Modus. Später zeigte mir ein Bekannter Intros und gecrackte Spiele auf seinem Amiga 500. Er pflegte damals engen Kontakt zu mehreren Release Groups und war sehr gut versorgt, was neue Spiele betraf. Natürlich hat man damals kaum Software gekauft. Ich nannte nur ein weniger gutes Schreibprogramm und Deluxe Paint III, ein einst sehr populäres Malprogramm, mein Eigen.

C64, Commodore 64, Nordlicht
Gif geklaut bei der Demoparty Nordlicht.

Fast nur Schwarzkopien auf den Disketten

Rund 90% der Disketten waren voller Schwarzkopien, doch das war damals keine Ausnahme. Natürlich war ich neugierig, wer, wie und warum man den Kopierschutz von den Spielen entfernt hat. Man kannte als Einsteiger nur die Namen der Gruppen und ihre Crackintros. Manche wie Fairlight, Razor 1911 oder Skid Row sind bis heute aktiv, andere wie TRSI sind komplett zur Demoszene gewechselt. Gruppen, über die wir noch heute häufiger bei tarnkappe.info berichten. Lohnenswert ist zum Beispiel unser Podcast mit Hamster, der von den Ursprüngen der illegalen Szene berichtet.

Manche Gruppen respektierten sich, andere haben sich in den Scrolltexten gegenseitig beschimpft. Viele Crackintros hatten eine bessere Grafik oder Musik als die Spiele selbst. Das faszinierte mich. Wie kam das, woher konnten die das? Ich wollte einfach wissen, was dahinter steckt.

Von Mailswappern und Modemtradern

Homecomputer, Nordlicht, Demoparty

Anfang der 90er Jahre verteilte die Szene ihre Warez über die Telefonleitungen mit einem so genannten Modem, dem Nachfolger des Akustikkopplers. Davor verschickte man die Disketten noch per Post an eine Postlagerkarte (PLK).

Ich besorgte mir mein erstes Modem, ein USRobobics Dual Standard, für die Unsumme von zirka 1.500 DM. Ein höllischer Preis, das vergleichbare Zyxel-Modem kostete einen Bruchteil davon. Das Problem war aber, dass die günstigeren Modems nur die öffentlich zugänglichen Übertragungsprotokolle nutzen konnten. Den proprietären HST-Modus, den US Robotics selbst entwickelt hatte und den die meisten Schwarkopierer für ihre illegalen Mailboxen nutzten, konnte man mit den preiswerten Geräten nicht einsetzen. In der Folge wurde man direkt nach der Begrüßung wieder hinaus geworden, weil die Übertragung ansonsten extrem niedrig gewesen wäre.

Kim Dotcom wollte sich eintragen

tarnkappe.info, Buch
tarnkappe.info

An das Internet oder daran, von einer eigenen Webseite wie tarnkappe.info zu leben, daran war damals noch nicht zu denken. Das kam erst viel später. Ich habe mich über den Public Domain-Verein A.U.G.E. 4000 und mehrere legale Mailboxen dann irgendwie hochgearbeitet und später nach meinem Umzug nach Wuppertal meine erste eigene Mailbox (BBS) und eine eigene Release Group gegründet. Kim Dotcom, der sich damals noch Bitbug (von den Gruppen Loons & Romkids) nannte, kreuzte auch meinen Weg.

Er versuchte sich bei mir in der Los Endos BBS einzutragen, ich habe ihn aber direkt aus der Leitung geworfen. Es gab aus mehreren Richtungen zuverlässige Gerüchte, dass es gefährlich war, ihm Zugriff zu geben. Da habe ich meine eigene Sicherheit ein paar Uploads vorgezogen. Kurze Zeit später hatten alle Boards, in denen er vier Wochen zuvor neu eintragen durfte, Besuch von der Polizei. Zufall? Das wäre theoretisch möglich. Doch eine zufällige zeitliche Abfolge wäre in meinen Augen wirklich sehr unwahrscheinlich.

The Party
Tatort „The Party„. Es geschah im Messecenter in Herning, Dänemark – Mitte der 90er Jahre.

tarnkappe.info über den Unterhaltungswert der Softwarepiraterie – damals wie heute

Im Podcast mit Martin Wolf von Golem geht es aber nicht nur um die Wurzeln der Cracker-Szene. Wir sprechen auch über Kim Schmitz (Dotcom), wie man damals umsonst telefonieren konnte, über Gulli.com, den Abmahnanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth, Streaming-Seiten wie Kino.to, den Bust von Share-Online.biz und vieles andere mehr.

Schon beim Vorgespräch merkten wir, wir hätten eigentlich Material für mindestens drei Stunden und nicht nur für rund 60 Minuten. In der Folge konnten wir in dieser Podcast-Episode manche Themen nur streifen. Vielleicht gibt es in ein paar Jahren nochmals die Gelegenheit, ein paar der verwaisten Themen ausführlicher zu behandeln.

podcast, tarnkappe.info

Piratainment mit tarnkappe.info

Wer sich das Gespräch zwischen Martin Wolf und Lars Sobiraj von tarnkappe.info anhören möchte: Man kann die Podcast-Episode von hier kostenlos herunterladen oder auch online anhören, ganz wie man will. Bei Golem wird die neue Folge erst morgen angekündigt. ;-)

Den Begriff Piratainment hat übrigens damals Randolf Jorberg von gulli.com erstmals öffentlich genutzt. Es ist noch immer sehr schade, dass Jorberg sein populärstes Online-Projekt nie wieder neu gestartet hat. Er kaufte zwar im Jahr 2018 die Rechte an gulli.com zurück, danach ist aber nichts Nennenswertes mehr passiert.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.