Nach mutmaßlichen Whistleblowing-Fällen im Geheimdienst-Umfeld will die Bundesregierung Strafanzeige gegen unbekannt erstatten.
Whistleblowing gegen Strafanzeige? In letzter Zeit gelangten verstärkt Informationen über die Arbeit der deutschen Geheimdienste an die Öffentlichkeit. Insbesondere das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ berichteten über Interna, darunter vertrauliche Geheimdienst-Erkenntnisse zum Absturz der Passagiermaschine MH-17 über Russland, Details über die Arbeitsprozesse des Verfassungsschutzes sowie Informationen über die technische Ausstattung des Auslandsgeheimdienstes BND.
Die Bundesregierung geht nun anscheinend davon aus, dass sogenannte Whistleblower aus internen Geheimdienst-Kreisen die vertraulichen Informationen an die Presse weitergegeben haben. Das könnte die Verantwortlichen für das Whistleblowing nun teuer zu stehen kommen. Einem Bericht des Spiegel zufolge plant die Bundesregierung angesichts der Leaks, Strafanzeige gegen unbekannt zu erstatten. Demnach „soll bei der Staatsanwaltschaft Berlin bereits Anfang Dezember eine entsprechende Anzeige wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen eingehen.“
Strafanzeige wegen Whistleblowing
Die Pläne der Bundesregierung kommen nicht überraschend: nach ähnlichen Leaks im Umfeld des NSA-Untersuchungsausschusses hatte Kanzleramtschef Peter Altmaier bereits im Oktober gewarnt, „im Wiederholungsfall“ wolle die Regierung Strafanzeige erstatten. Und auch von weiteren entsprechenden Aussagen berichtet der „Spiegel“. „Mitte November hat sich auch der Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, im Bundestag beschwert. Es könne nicht angehen, dass immer wieder als geheim eingestufte Informationen aus dem Sicherheitsbereich nach außen gelangten.“
Deutschland steht mit dem harten Vorgehen der Regierung gegen Whistleblower keineswegs allein da. In den USA verfolgte die Obama-Regierung mehr Whistleblower durch eine Anklage unter dem umstrittenen „Espionage Act“. Dieser soll Spionage und staatsfeindliche Aktivitäten sanktionieren. Dies geschah häufiger als von sämtliche vorherigen US-Regierungen zusammen genommen. Eine 35-jährige Haftstrafe gegen die WikiLeaks-Informantin Chelsea Manning sorgte für großes Aufsehen. Und auch für Proteste unter Transparenz-Aktivisten, aber nur für eine schwache mediale Resonanz in den USA selbst.
Deutschland will den USA bei der Rechtsprechung folgen
Es ist aus Sicht der Informationsfreiheit Besorgnis erregend, aber wohl kaum überraschend, dass die Bundesregierung sich diesem globalen Trend nun wohl anschließen wird. Die moderne Medienlandschaft und die Möglichkeiten des Internet – sowie die ausufernde Überwachung und Geheimdienstarbeit der letzten Jahre, die offenbar bei vielen Insidern nicht mehr mit dem Gewissen vereinbar ist – sorgen in den letzten Jahren für eine Häufung von Whistleblowing-Fällen. Die Regierenden wissen sich nun offenbar nicht mehr anders zu helfen als auf strafrechtlichem Wege.
Das ist für die Betroffenen natürlich bedenklich. Für diejenigen, die sich langfristig für mehr Transparenz einsetzen, aber womöglich auch ein Grund zur Hoffnung, zeigt es doch auch die Hilflosigkeit der Mächtigen.