überwachung, geheimdienst, bnd
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Krisentreffen wegen BND-Überwachungsvorwürfen in Österreich

Zwischen 1999 und 2006 soll der BND Einrichtungen in Österreich überwacht haben. Österreichs Bundeskanzler Kurz setzt ein Krisentreffen an.

Laut Informationen vom STANDARD und „Profil„, denen eine Liste an bevorzugten Spionagezielen vorliegt, hat der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) Österreich bereits seit den späten 1990er-Jahren ausgespäht, wobei tausende Ziele, wie Ministerien in Wien, Firmen, internationale Organisationen, islamische Einrichtungen, Terrorverdächtige, Waffenhändler und sogar Professoren von Interesse waren. Ihnen allen wurde eine elektronische Überwachung zuteil.

BND betrieb auch Wirtschaftsspionage?

Auf dieser vorhandenen Liste sind ca. 2.000 österreichische Ziele, deren elektronische Kommunikation der deutsche Bundesnachrichtendienst überwachte. Darauf vermerkt waren Telefonnummern, Faxanschlüsse, E-Mail-Adressen oder Namen. Diese sogenannten Selektoren, also Suchbegriffe, mit denen der BND in durch Internetleitungen abgefangenen Daten nach gewünschten Inhalten sucht, helfen dabei, aus der gewonnenen Informationsflut, nur die gekennzeichneten, relevanten Ziele zu finden. Das System gibt Alarm, sobald beispielsweise die E-Mail-Adresse eines Terrorverdächtigen auftaucht, die vorher als Selektor ausgewählt wurde. Für die Agenden ergeben sich daraus Informationen über die Gesprächsdauer und den Gesprächspartner. Darüber, ob auch der Gesprächsinhalt mit vermerkt wurde, gibt die vorliegende Liste keine Auskunft. Die Vermutung liegt nahe, dass das bei Benutzung von Faxgeräten der Fall sein könnte, allerdings gibt es dafür keinerlei Beweise.

Who is Who der österreichischen Unternehmen betroffen

Konkret kann man auf der Liste die Voest, Fahrzeugbauer Rosenbauer, Drohnenhersteller Schiebel, die Raiffeisen Zentralbank, die Bank Austria, Swarovski, aber auch Waffenhersteller, wie Glock, Steyr Mannlicher und Hirtenberger, finden. Einige Ministerien, wie Anschlüsse im Bundeskanzleramt, im Wirtschafts- und im Innenministerium sowie des Verteidigungs- und Umweltministeriums, ein Faxgerät in der österreichischen Nachrichtenagentur APA sowie ein weiteres Faxgerät eines österreichischen Journalisten, waren ebenso begehrte Ziele.

Bei der Uno überwachte der deutsche Geheimdienst gleich 128 Telekommunikationsanschlüsse, 75 Botschaften wurden ins Visier genommen. Neben den üblichen Verdächtigen wie dem Iran, Russland oder Nordkorea, überwachte man auch jene befreundeten Staaten. So etwa die Niederlassungen Frankreichs, Israels und der USA. Zudem gerieten viele klein- und mittelständische Unternehmen aus anderen Branchen,. Wie Holzhändler, Aluminiumbetriebe oder Wärmepumpenhersteller, aber auch Ericsson oder Bombardier ins Visier des BND. Die Frage wurde bereits laut, ob hier nicht der BND mit Wirtschaftsspionage seine Kompetenzen deutlich überschritten hat. Dies hätte für Deutschland einen Wirtschaftsvorteil zur Folge und wäre nach deutschem Recht unzulässig.

BND sieht sich nicht als rechenschaftspflichtig an

Der BND reagierte auf die Berichterstattung von STANDARD und „Profil“ mit dem Hinweis, nicht rechenschaftspflichtig zu sein. „Zu den operativen Aspekten seiner Arbeit berichtet der Bundesnachrichtendienst grundsätzlich nur der Bundesregierung und den zuständigen, geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestages.“

Österreichs Bundesregierung reagierte auf die Enthüllungen mit einer gestern stattfindenden Krisensitzung. Es nahmen Bundeskanzler Sebastian Kurz, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Vertreter des Innen-, Außen- und Verteidigungsministeriums, sowie Vertreter aller österreichischen Nachrichtendienste daran teil. Erörtert wurden mögliche Reaktionen Österreichs auf die BND-Aktivitäten.

Kritik aus vielen Richtungen

Nationalratsabgeordneter Peter Pilz stellte dazu fest. „Unter den Augen von ÖVP-Innenministern und Verfassungsschützern können BND, NSA und CIA bis heute in Österreich tun und lassen, was sie wollen! Sie hören unsere Handys ab, durchforsten unsere Mails. Das Ganze passiert direkt vor den Augen unseres Verfassungsschutzes und keiner hat reagiert.“ Er fordert: „Das völlige Versagen des Verfassungsschutzes in der Spionageabwehr gehört rasch vor einen parlamentarischen U-Ausschuss.“

Weitere Kritik kam unter anderem auch von Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper. „Diese Art der Massenüberwachung durch ausländische Geheimdienste ist unhaltbar. Zu lange schon war Österreich hier zu lax. Es ist fraglich, ob die österreichischen Behörden in der Lage sind, ihre Bürger und Unternehmen überhaupt effektiv zu schützen.“ Für sie wäre „Klarheit“ zu gewinnen erforderlich, in welchem Ausmaß Österreich betroffen ist und ob es tatsächlich zu Wirtschaftsspionage gekommen sei.

Bildquelle: 2078645, thx! (CC0 Public Domain)

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.