Die populäre US-amerikanische E-Book-Plattform Project Gutenberg sperrt ihr Angebot für deutsche Nutzer. Man verlor eine Klage vor Gericht.
Die Literary Archive Foundation erklärt, dass deutsche (IPv4-)Adressen für das US-Portal ‚Project Gutenberg‘ bis auf weiteres blockiert sind. Diese Maßnahme geht auf einen verlorenen Urheberrechtsstreit vor dem Landgericht Frankfurt am Main zurück. Geklagt hatte der S. Fischer Verlag, der seine Rechte wegen 18 auf der Seite www.gutenberg.org veröffentlichten E-Books deutscher Autoren verletzt sah. Er forderte, die Bereitstellung der Titel online zu unterlassen. So heißt es in einem entsprechenden Gerichtsurteil, das Anfang Februar verkündet wurde.
Netsperren gegen Project Gutenberg aktiviert
Das Project Gutenberg (PG) ist eine 1971 vom US-Amerikaner Michael S. Hart gegründete, über das Internet zugängliche und von Freiwilligen erstellte digitale Bibliothek. Auf der Website des Projekts lassen sich mehr als 56.000 hauptsächlich englischsprachige E-Books (Stand: 2015) kostenlos lesen und frei herunterladen. Eines der Partnerprojekte ist das Projekt Gutenberg-dE, das vorrangig deutschsprachige Literatur anbietet.
Gemäß dem Urteil (AZ: 2-03 O 494/14) hat das Portal die Rechte des S. Fischer Verlags verletzt. Demnach droht der Literary Archive Foundation, die hinter dem Projekt Gutenberg steht, ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro, falls die E-Books weiterhin verfügbar sein sollten. Streitgegenstand sind die digitalisierten Werke von Heinrich Mann, darunter „Der Untertan“, von Thomas Mann, wie „Die Buddenbrooks“ oder „Der Tod in Venedig“, sowie Werke von Alfred Döblin, wie „Wallenstein“.
Werke in den USA gemeinfrei, in Deutschland noch nicht
Streitpunkt war hierbei das unterschiedliche Urheberrecht in den USA und in Deutschland. Nach deutschem Recht gilt das Urheberrecht noch 70 Jahre über den Tod der Autoren hinaus, sodass nur die Rechtenachfolger über eine Nutzung der Werke bestimmen können. Nach US-Recht waren hingegen die Werke bereits gemeinfrei zugänglich. Die Literary Archive Foundation hält das deutsche Gericht überhaupt nicht für zuständig, da ihre Seite in den USA gehostet werde. Vielmehr müsse auch das Gericht gegen diejenigen vorgehen, die Titel rechtswidrig auf das Portal hochgeladen haben. Der klagende Verlag hingegen hatte sich darauf berufen, dass das Project Gutenberg eine deutschsprachige Version seiner Plattform anbietet und sich daher auch direkt an deutsche Nutzer wende würde. Die Foundation will das Urteil nun nach eigenen Angaben anfechten.
DNS-Sperre statt Löschung der fraglichen E-Books
Als Reaktion auf das Urteil hat gutenberg.org nicht die beanstandeten Werke offline genommen, sondern ausnahmslos alle Seiten und Unterseiten für Nutzer mit einer deutschen IP gesperrt. User mit einer IPv6-Adresse scheinen davon jedoch nicht so allumfassend betroffen zu sein. Die Maßnahme bleibt solange bestehen, bis sich an der rechtlichen Situation etwas ändere, informieren die Projektbetreiber. Warum jedoch deutsche Nutzer gleich für das gesamte Angebot und nicht nur für die betroffenen Titel gesperrt werden, ist fraglich. Nicht von der Sperrung betroffen ist das bei Spiegel Online gehostete eigenständige Projekt Gutenberg-de. Es hat nichts zu tun mit dem US-Portal. Mittlerweile ist das Portal auch in Italien nicht mehr zugänglich, Project Gutenberg musste alle italienischen Surfer aussperren.
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