Manche vertreten die Ansicht, Amazon killed sie alle: Buchpiraten wie Verlage. Gibt es schon morgen keine Verlage mehr, weil alles weg ist?
Geschichte wiederholt sich. Erst Musik, dann Filme. Anfangs illegal (Musik-Tauschbörsen wie Napster 1999), dann scheißegal (Musik & Filme via BitTorrent 2001) und jetzt ganz legal (Musik via Spotify 2014). Von den Medienverlagen erst belächelt, dann bekämpft und schlussendlich verloren. Zum endgültig letzten Akt kommt Amazon… […]
Buchbranche in Agonie?
Jetzt das Ganze nochmal – nur diesmal mit Büchern. Dabei trat Google die Lawine schon vor zehn Jahren los: einfach und ungefragt seit 2004 im großen Stil Bücher eingescannt und ins Netz gestellt. Verleger und Autoren regten sich auf: Urheberrecht, geistiges Eigentum – was wurde nicht alles diskutiert. Dann kamen E-Book Piraten und machten einfach mal, ohne zu diskutieren. Dazu kamen veränderte Lesegewohnheiten: Wer kauft heute noch Lexika, Duden, Enzyklopädien, Landkarten oder Fachbücher? Wikipedia & Google Maps lassen grüßen. Autoren und Verlage dachten, noch schlimmer kann es nicht kommen. Irrtum – jetzt kommt Amazon. Und fackelt nicht so lange wie Google und E-Book-Piraten zusammen.
Nicht die E-Book-Piraten, sondern Amazon wird die Verlage beerdigen
Der weltgrößte Online-Shop verkauft seit 1995 erfolgreich Bücher in Papierform – und diktiert den Verlagen die Preise. Dann löste er 2007 die E-Book-Revolution aus – mit dem überzeugenden Reader Kindle. Nun folgt konsequenterweise der letzte Schritt: E-Books im Kindle-Flatrate-Abo. Die Rede im Blätterwald ist von unbeschränktem Zugriff auf 600.000 Titel E- und Audio-Books für 10 Dollar pro Monat in den USA. Aber das ist erst die Version 1.0… und trotzdem das Ende der Verlage.
Video von Amazon: Introducing Kindle Unlimited
Amazons Buch-Flatrate – 3 Prognosen:
1. USA-Angebot bis zum Weihnachtsgeschäft 2014 mit mindestens 1 Mio. Titel.
2. Deutschsprachiges Angebot bis Ende 2015 für max. 10 Euro im Monat.
3. Flatrate-Angebot E- & Audio-Books bis Ende 2016 ergänzt um Musik & Filme.
Massensterben von Verlagen bis 2020
Amazon hat schon Millionen Titel von großen und kleinen Verlagen in vielen Sprachen im eigenen Portfolio. Dazu ein riesen Angebot aus dem Eigenverlags-Bereich. Und eine große Kunden-Community für Kommentare und Bewertungen. Zu Amazon gehen bald alle, die ein Buch veröffentlichen wollen – und sei es nur vom letzten Urlaub… Wer ein Buch in Papierform via Amazon verkaufen will – es wird eine digitale Variante dazu geben. Immer mehr Traffic geht zu Amazon. Der Begriff Datenstaubsauger war mal auf Google gemünzt. Schon bald gibt es einen Buchstaubsauger… Verlage haben die digitale Entwicklung verpennt, sind zu spät aufgewacht und haben dann erstmal lange diskutiert.
Jetzt setzen sie der Marktmacht Amazons nichts mehr entgegen. Angesichts sinkender Verkäufe im Printgeschäft bleibt ihnen nichts anderes übrig, als Amazon zu bitten mitmachen zu dürfen. Dessen schiere Größe diktiert dann die Preise und bringt Verlage letztlich in die Pleite. Aus deren Konkursmasse wird Amazon Buchrechte gleich en gros einkaufen und Starautoren verpflichten: z.B. Harry Potter 8 nicht bei Carlsen sondern exklusiv bei Amazon. Wie viele Verlage werden überleben? Wer zu spät kommt… Aber mal ehrlich: Wer braucht eigentlich noch einen Verlag? Für was sind heute Dinosaurier gut?
Buchpreisbindung ist tot – sie zuckt nur noch
Gesetze und Subventionen verhindern den Umbruch nicht. Beispiel 1: Frankreich suchte eben erst per Gesetz Amazons Gratislieferung von Büchern zu verhindern. Einen Tag später berechnete Amazon als Versandkosten 1 Cent – und zeigt der Politik die lange Nase. Beispiel 2: Deutschland subventioniert seit Jahren mit enormen Steuergeldern Buch-Privilegien (Preisbindung, halbierter Mehrwertsteuersatz, diverse Förderungen). Das Verlags-Sterben wird so nicht verhindert – aber Amazons Gewinn weiter enorm gesteigert. Amazons Aktie kaufen ist sicher ein Tipp, selbst wenn die Buchpreisbindung bald aufgehoben wird. Denn den Politiker möchte ich sehen, der mit deutschen Steuergeldern eines der größten und reichsten ausländischen Unternehmen subventionieren will. Oder die Buchpreisbindung wird verändert, damit der Staat Buchrechte von Verlagen aufkauft und in eine gemeinnützige Kulturstiftung einbringt mit dem Buchpiraten-Ziel: kostenloses Lesen für alle…
Bringt Amazon die E-Book-Piraten zur Aufgabe?
Welche Ironie der Geschichte: die viel geschmähten Piraten sind nicht der Totengräber der Buchbranche – Amazon ist es. Wen wundert das? Piraten taugen als Feindbild, aber haben sie jemals ein komplettes System zum Einsturz gebracht? Daneben wuchs in aller Stille der Bock zum (Groß-)Gärtner heran. Den hat sogar der gemächlich agierende Börsenverein des Deutschen Buchhandels doch noch erkannt: „Amazon als marktbeherrschender Online-Vertriebspartner…“ Was Gesetze, Börsenverein, Richter und Verlage nicht geschafft haben, gelingt Amazon: E-Book-Piraten zur Aufgabe und Umschulung zu bewegen… Wer hätte 2002 gedacht, dass eine Telefon-Flatrate nach gut 10 Jahren selbstverständlich ist? So wurde auch die Kultur-Flatrate – lange diskutiert. Sie kommt doch noch, nur hat sich keiner gedacht das sie in Amazons Taschen fließt.
Aufruf: was meint Ihr Verleger, Autoren, Piraten… ?
Fragen wir mal Scenepirat und Spiegelbest, was sie dazu meinen. Auch andere E-Book-Piraten sowie Autoren, Politiker, Verleger und Interessierte an dem Thema sind mit Ihrer Erwiderung an dieser Stelle willkommen! Eure Artikel bitte hier – Kommentare wie immer gerne unten.
Tarnkappe.info