Internet Archive legt Berufunf im Urheberrechtsverfahren ein
Internet Archive legt Berufunf im Urheberrechtsverfahren ein
Bildquelle: NewAfrica, Lizenz

Internet Archive legt Berufung gegen US-Bundesrichter-Urteil ein

Internet Archive legt beim Second Circuit Court of Appeals Berufung ein. Die digitale Bibliothek hält darin an ihrem Fair-Use-Argument fest.

Am 15. Dezember reichte das Internet Archive (IA) Berufung gegen das Urteil vom März 2023 des New Yorker Bundesrichters John G. Koeltl ein. Dieser entschied damals, dass Internet Archive nicht berechtigt sei, Bücher zu scannen und wie eine Bibliothek zu verleihen. In der Berufung argumentiert Internet Archive nun, dass es „großen Verlagen nicht gestattet werden sollte, die Ausleihe von Bibliotheken zur fairen Nutzung zu kriminalisieren“.

Bereits am 1. Juni 2020 reichte die Association of American Publishers (AAP) im Namen von vier Verlagen (Hachette, HarperCollins, Penguin Random House und Wiley) eine Urheberrechtsklage gegen das Internet Archive (IA) ein. Im Rechtsfall Hachette vs. Internet Archive klagte die Verlagsbranche u.a. wegen des Open Library-Programms von Internet Archive.

Internet Archive, eine in San Francisco ansässige gemeinnützige Organisation, hat in den letzten zehn Jahren Millionen von gedruckten Büchern gescannt. Im Anschluss daran haben sie die digitalen Kopien dann im E-Book-Format kostenlos an Kunden verliehen. Während viele davon gemeinfrei sind, wären 3,6 Millionen davon durch gültiges Copyright geschützt. Darunter sind 33.000 Titel, deren Rechte den vier Verlagen gehören.

Controlled Digital Lending (CDL) weiterhin auf dem Prüfstein

Die Verlage wandten sich mit der Klage gegen das Prinzip des CDL-Verleihs von Internet Archive. Gemäß der Kläger entbehre das Controlled Digital Lending-Konzept von IA jeder rechtlichen Grundlage. Für sie ist das Kopieren ihrer Bücher ohne Erlaubnis illegal. Folglich streben sie die Schließung der Online-Bibliothek des Internetarchivs und eine Schadensersatzzahlung der gemeinnützigen Organisation an.

Wie Internet Archive argumentierte, wären die eigenen Praktiken durch die Fair Use-Doktrine geschützt. Diese würde unter bestimmten Umständen die unlizenzierte Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken anderer erlauben. Zudem stellte IA sicher, dass jeweils nur eine Person auf eine solche digitale Kopie eines physischen Buches zugreifen konnte. Es fand somit keine unkontrollierte Distribution in Massen statt.

Im Urteil vom März 2023 stellte Bundesrichters John G. Koeltl fest, dass das Scannen und Verleihen von Büchern durch das Internet Archive nicht unter den Schutz des Fair-Use-Gesetzes fällt. In einem Vergleich vom August verpflichtete man IA, den öffentlichen Zugang zu im Handel erhältlichen Bänden zu sperren, die weiterhin dem Urheberrecht unterliegen.

Das Urteil wirkt sich allerdings nicht nur auf das IA aus, sondern ließ gleichfalls Zweifel an der Rechtstheorie der kontrollierten digitalen Ausleihe (Controlled Digital Lending) aufkommen. Diese ermöglichte es auch anderen Bibliotheken, Zugang zu digitalisierten Versionen von Büchern anzubieten, die sie physisch besitzen.

Internet Archive setzt wie bisher auf Fair-Use-Regelung

Den Berufungs-Schriftsatz reichte Electronic Frontier Foundation (EFF) und Morrison Foerster im Namen des Archivs beim US-Berufungsgericht für den zweiten Bezirk ein. Darin erklären sie, dass „das Controlled Digital Lending (CDL)-Programm eine rechtmäßige faire Nutzung sei, die die traditionelle Bibliotheksausleihe in der digitalen Welt bewahrt“.

EFF stellt klar:

„Über CDL erstellen und verleihen das Internet Archive und andere Bibliotheken digitale Scans von gedruckten Büchern in ihren Sammlungen, die strengen technischen Kontrollen unterliegen. Jedes über CDL ausgeliehene Buch wurde bereits gekauft und bezahlt, sodass Autoren und Verleger bereits eine vollständige Entschädigung für diese Bücher erhalten haben.“

Führte gerichtliche Fehlinterpretation zu Fehlurteil?

Im Rahmen der Berufung heben zudem die Anwälte des IA hervor, dass Bezirksrichter John G. Koeltl die Fakten fehlinterpretiert hätte. Irrtümlich hätte er die CDL mit der Online-Veröffentlichung eines E-Books, auf das jeder jederzeit zugreifen kann, gleichgesetzt. Darum fordern sie nun vom US-Berufungsgericht für den zweiten Bezirk, dass die Entscheidung aufgehoben werden solle. Wie Electronic Frontier Foundation (EFF) berichtet, heißt es im Schriftsatz:

„Die Ablehnung des Fair-Use-Einwands des IA beruhte fälschlicherweise auf der Annahme, dass kontrollierte digitale Ausleihe gleichbedeutend mit der wahllosen Veröffentlichung gescannter Bücher im Internet sei. […] Dieser Fehler führte dazu, dass das Gericht die Fair-Use-Faktoren falsch auffasste, spekulativen Schadensersatzansprüchen ein unangemessenes Gewicht beimaß und die enormen öffentlichen Vorteile der kontrollierten digitalen Ausleihe außer Acht ließ. Angesichts dieser Vorteile und des fehlenden Schadens für Rechteinhaber würde die Erlaubnis der Nutzung von IA die Schaffung und Weitergabe von Wissen – Kernzwecke des Urheberrechts – weitaus besser fördern, als dies zu verbieten.

Das Bezirksgericht hat nicht bestritten, dass die kontrollierte digitale Kreditvergabe der Öffentlichkeit zugutekommt, kam aber zu dem Schluss, dass diese Vorteile durch die Schäden für die Verleger aufgewogen wurden. Auch das war ein Fehler. Selbst wenn es einige (unbewiesene) Marktschäden gab, sind diese bestenfalls gering, da es keine Beweise für ihre Existenz gibt. Die Vorteile hingegen sind erheblich und werden durch zahlreiche Rekordbeispiele untermauert, bei denen die Bibliothek von IA zur Förderung von Bildung, Forschung und Wissenschaft genutzt wurde.“

Brewster Kahle, Gründer und digitaler Bibliothekar des Internet Archive, hebt hervor:

„Warum sollte sich jeder für diese Klage interessieren? Es geht darum, die Integrität unserer veröffentlichten Aufzeichnungen zu bewahren, wobei die großartigen Bücher unserer Vergangenheit den Anforderungen unserer digitalen Zukunft gerecht werden. Dies ist nicht nur ein individueller Kampf; Es ist ein gemeinsames Unterfangen der Gesellschaft und der Demokratie, die mit unserem digitalen Wandel zu kämpfen haben. Wir brauchen sicheren Zugriff auf die historischen Aufzeichnungen. Wir brauchen jedes Werkzeug, das uns Bibliotheken im Laufe der Jahrhunderte zur Verfügung gestellt haben, um Manipulationen und Fehlinformationen zu bekämpfen, die jetzt noch einfacher geworden sind.

Dieser Appell unterstreicht die Rolle von Bibliotheken bei der Unterstützung des universellen Zugangs zu Informationen – ein Recht, das über den geografischen Standort, den sozioökonomischen Status, eine Behinderung oder andere Hindernisse hinausgeht. Bei unserem digitalen Kreditprogramm geht es nicht nur um eine verantwortungsvolle Kreditvergabe; Es geht darum, die Demokratie durch die Schaffung informierter Weltbürger zu stärken.“

Internet-Archive-Urteil – richtungsweisend für alle Bibliotheken

In einer Erklärung auf einer Online-Pressekonferenz am 15. Dezember führte Brewster Kahle aus, dass bei der Berufung viel auf dem Spiel stehe.

„Bei dieser Klage geht es um mehr als nur das Internetarchiv – es geht um die Rolle aller Bibliotheken in unserem digitalen Zeitalter. Wenn diese Entscheidung bestehen bleibt, wird eine Bibliothek nicht mehr in der Lage sein, Bücher aus ihren ständigen Sammlungen an digitale Lernende auszuleihen.“

Corynne McSherry, Rechtsdirektorin der EFF und Rechtsvertreterin des IA, ergänzt, dass die klagenden Verlage:

„keinen Schutz vor einer Beeinträchtigung ihrer bestehenden Rechte“ anstreben, sondern ein neues Recht: „das Recht, technologische Entwicklungen zu nutzen, um zu kontrollieren, wie Bibliotheken verleihen dürfen.“ die Bücher, die sie besitzen.“

In einer September-Erklärung kündigte Association of American Publishers (AAP)-Rechtsanwalt Terrence Hart an, dass die Verlage gegen die Berufung „energisch vorgehen“ würden:

„Die Verlagskläger und die AAP-Gemeinschaft stehen hinter der klaren Meinung des Bezirksgerichts in diesem Fall und stellen fest, dass die groß angelegten Formatverschiebungsaktivitäten des Internet Archive eine Urheberrechtsverletzung darstellen, was mit zahlreichen anderen Präzedenzfällen übereinstimmt, die die klaren Grenzen der Fair-Use- und Erstverkaufsbestimmungen definieren “, sagte Hart. „Es gibt einfach keine rechtliche Unterstützung für die Vorstellung, dass das Internetarchiv oder eine Bibliothek Millionen von E-Books aus gedruckten Büchern für den öffentlichen Vertrieb ohne Zustimmung oder Entschädigung der Autoren und Verleger umwandeln könnte.“

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.