Internet Archive
Internet Archive
Bildquelle: Milkos

Internet Archive: Anfrage nach Verlagsdaten für Verteidigung abgelehnt

Internet Archive wollte nachweisen, dass sich E-Book-Ausleihe nicht negativ auf Verlags-Verkäufe auswirken. Verlage verwehren Datenherausgabe

Bezüglich einer Urheberrechtsverletzungsklage wegen eines Internet Archive (IA)-Angebots lehnten es die vier klagenden Verlage (Hachette, Penguin Random House, HarperCollins und Wiley) aktuell ab, auf ein Ersuchen vom 9. August von IA einzugehen. IA verlangte für seine Verteidigung von den Verlagen eine Aufschlüsselung ihrer monatlichen Verkaufsdaten seit 2011. Damit wollte IA nachweisen, dass sich der digitale Bibliotheksverleih von Internet Archive keineswegs negativ auf den Verlags-Umsatz auswirken würde, berichtet TorrentFreak.

Während der Corona-Krise richtete Internet Archive ab dem 24. März 2020 eine National Emergency Library ein. Mit der Initiative wollten sie Schüler, Lehrer und Leser bei ihren Fernlernbemühungen unterstützen. Internet Archive gewährleiste damit, dass Menschen, die aufgrund von Quarantänemaßnahmen keinen physischen Zugang zu ihren lokalen Bibliotheken haben, sich in dieser Zeit der Ausgangssperre weiterhin bilden können. User erhielten infolge freien Zugang auf über 1,4 Millionen E-Books.

Jedoch sah sich Internet Archive daraufhin im Juni 2020 mit der Klage einiger Verlage konfrontiert. Diese behaupten, wegen dem kostenlosen Zurverfügungstellen von E-Books, würde IA massiv gegen das Urheberrecht verstoßen. Vor der Corona-Pandemie unterlagen die digitalen Buchkopien beim Internet Archive noch strengen Verleih-Regeln. Eine Ausleihe von E-Books war durch eine Warteliste begrenzt. Genauso, wie die Anzahl der verfügbaren gedruckten Bücher in einer Bibliothek begrenzt ist.

Die Verlags-Klage bezieht sich dabei auf eine direkte Verletzung von 127 E-Books. Für diese verlangen sie von Internet Archive 150.000 Dollar gesetzlichen Schadensersatz pro Verstoß. Sie behaupteten auch, dass IA für die von den Bibliotheksbenutzern begangenen Verstöße subsidiär haftbar gemacht werden könnte. Nachdem Versuche einer gütlichen Einigung von Seiten des IA-Gründers, Brewster Kahle, fehlschlugen, reagiert nun IA auf die Klage.

Internet Archive: Anfrage-Begründung

„Die Kläger machen geltend, dass sich der digitale Bibliotheksverleih des Internetarchivs negativ auf den Markt oder den Wert der Werke auswirkt. Internet Archive ist anderer Meinung und möchte Beweise vorlegen, die zeigen, dass die Ausleihe im Vergleich zu nicht ausgeliehenen Büchern nur geringe oder keine Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistung der ausgeliehenen Bücher hatte. Um zu zeigen, dass die Ausleihe nur geringe oder keine Auswirkungen auf die kommerzielle Leistung hatte, möchte Internet Archive die kommerzielle Leistung von Büchern, die für die digitale Ausleihe verfügbar waren, mit Büchern vergleichen, die nicht für die digitale Ausleihe verfügbar waren.“

IA-Anwälte erklären infolge den massiven und weitreichenden Umfang ihres Antrags. Zunächst räumten sie ein, dass sie nicht die monatlichen Verkaufsdaten eines Jahrzehnts für „jedes einzelne Buch“ benötigen, sondern nur für die 127 Werke, die in der Klage enthalten sind. Zudem benötigten sie „eins oder mehr“ Bücher, die für jeden der 127 betroffenen Titel als „vergleichbar“ angesehen werden könnten. Da die Kläger es jedoch „abgelehnt haben, Bücher zu identifizieren, die sie als vergleichbar ansehen“, sahen sich die IA-Anwälte dazu genötigt, Verlags-Daten zu allen Büchern zu verlangen. Damit wolle dann Internet-Archiv selbst die Bücher identifizieren, die es als vergleichbar erachtet.

Internet Archive argumentiert, dass monatliche Verkaufsdaten (anstelle von jährlichen Verkaufsdaten) erforderlich sind. Schon deshalb, weil sich „die Verkäufe eines bestimmten Buches innerhalb eines Jahres so drastisch ändern“. Darüber hinaus gibt es ohne monatliche Daten keine Möglichkeit, die wahren Auswirkungen der kurzlebigen Initiative National Emergency Library auf den Verkauf zu bestimmen. In der Einreichung weisen die IA-Anwälte zudem darauf hin, dass eine Antrags-Erfüllung keine übermäßige Belastung für die Verlage darstellt. „Dies sind kommerzielle Daten, die in Datenbanken gespeichert und nach Büchern indiziert sind.“

Verlags-Anwälte lehnen IA-Ersuchen ab

Die Anwälte der vier klagenden Verlagen haben in der vergangenen Woche die Forderung des Internetarchivs nach Vorlage monatlicher Verkaufsdaten abgelehnt. Demgemäß beruhe die „massive“ Forderung der IA „auf keiner kohärenten Grundlage“ und solle deshalb abgelehnt werden. „Kurz gesagt, es ist unmöglich, den Marktschaden der IA-Verletzung auf der Grundlage des groben Vergleichs zu berechnen, den IA vorschlägt.“ Die verlangten Daten zeigten nicht an, ob die Ausleihe der digitalen Bibliothek des Internet Archive die kommerzielle Leistung beeinflusst hat, weil es zu viele andere Faktoren gibt, die ihre kommerzielle Leistung beeinflussen könnten. Die Verlage vertreten auch den Standpunkt, dass kein Buch mit einem anderen Buch vergleichbar sei.

Forderung auf Datenherausgabe sprenge Grenzen

Die Verlage geben zudem an, dass die Bereitstellung solcher Daten, die „mehr als 500.000 Titel“ und ein „enormes Reservoir hochgradig proprietärer Daten“ umfassen würden, kostspielig, zeitaufwändig, „extrem belastend“ und rechtlich „irrelevant“ sei. Darüber hinaus gaben die Anwälte an, die Behauptung der IA, dass die Bereitstellung der Daten nicht mühsam sei, sei „absurd“. IA biete auch keinen Präzedenzfall, wo eine ähnliche, umfassende Forderung zugelassen wurde. Außerdem wären Bücher keine fungiblen Widgets. Damit beruhe die gesamte Anfrage „auf einer falschen Prämisse“, argumentieren die Verlage. In der Klageschrift heißt es:

„Die Forderung strebt den Zugriff auf Daten in einer Weise an, die weit außerhalb der Grenzen liegt, wie Daten von den Herausgebern der Kläger im normalen Geschäftsgang abgerufen, angehäuft oder referenziert werden. Es würde einen unkalkulierbaren Zeitaufwand der Mitarbeiter und erhebliche Ressourcen erfordern.“

Die Kläger behaupten indessen, dass das Programm von Internet Archive einer massiven „industriellen“ Piraterieoperation gleicht.

„IA betreibt einen illegalen E-Book-Vertriebsdienst. Dieser droht, den legalen E-Book-Markt für Bibliotheken zu zerstören. Zudem schädigt er den Buchverkauf der Verbraucher auf andere Weise, wenn er nicht kontrolliert wird. IA sammelt so billig wie möglich Millionen von gedruckten Kopien urheberrechtlich geschützter Bücher. Sie scannen sie und verteilen digitale Scans des gesamten Buches ohne Lizenz an jeden auf der Welt, der sich auf der IA-Website anmeldet.“

Fair-Use-Regelung sei keine Piraterie

Anwälte des Internetarchivs kontern, dass ihr jahrzehntealtes Programm „durch die Fair-Use-Doktrin geschützt“ sei und wie eine traditionelle Bibliothek funktionieren soll. Hinsichtlich des „Controlled Digital Lending“-Verfahren (CDL) hebt IA hervor, dass die gescannten Bücher bereits von den Bibliotheken, die sie besitzen, bezahlt wären. Die kontrollierte Art der Ausleihe bedeutete, dass klassische „Fair-Use“-Zwecke wie Bewahrung, Zugang und Forschung erfüllt seien.

Tarnkappe.info

(*) Alle mit einem Stern gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Wenn Du über diese Links Produkte oder Abonnements kaufst, erhält Tarnkappe.info eine kleine Provision. Dir entstehen keine zusätzlichen Kosten. Wenn Du die Redaktion anderweitig finanziell unterstützen möchtest, schau doch mal auf unserer Spendenseite oder in unserem Online-Shop vorbei.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.