Ein Entwurf des „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes“, kurz BayPsychKHG, das vom Kabinett Söder verabschiedet wurde, sieht vor, die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Krisen auszubauen. Ziel sei „Hilfebedürftige frühzeitig aufzufangen und sie – soweit erforderlich – freiwillig in weitere Versorgungsangebote zu vermitteln“, so Gesundheitsministerin Melanie Huml. Der Gesetzesentwurf besagt aber auch, dass künftig depressive Menschen registriert werden sollen und so behandelt, als wären sie Straftäter.
Bayern brachte neues Gesetz für psychisch Kranke auf den Weg
Bayern hat ein neues Gesetz zur Unterbringung psychisch kranker Menschen auf den Weg gebracht. Einerseits soll landesweit ein Krisendienst aufgebaut werden für psychisch Kranke, die zu Gewalt neigten, dazu gehört auch der Aufbau eines Netzwerkes zur schnelleren Hilfe. Andererseits sollen demnach aber auch Menschen künftig nach Regeln, die bisher nur für Straftäter galten. Man darf psychisch Kranke in Krankenhäusern festsetzen, auch ohne dass eine Straftat vorliegt. In der Folge will die Polizei von Bayern psychisch Kranke künftig mit Straftätern und Gefährdern gleichsetzen und sie genauso behandeln. Somit plant Bayern nicht nur das umstrittene, superscharfe neue Polizeigesetz, um massiv gegen echte und angebliche Gefährder vorzugehen,. Geplant ist zudem auch eine Art Polizeirecht gegen psychisch kranke Menschen.
Gesetz soll Rechte der Betroffenen stark einschränken
Das ruft natürlich Empörung hervor. Die Kritik darauf ließ nicht lange auf sich warten, wurde doch ein Großteil des Gestzestextes einfach aus dem Strafrecht übernommen. Konkret würde das heißen, Besuche von Patienten können stark eingeschränkt und kontrolliert, Telefonate überwacht, die Wohnung durchsucht und Handys oder Laptops einkassiert werden, falls die kranke Person ihr Einverständnis nicht gibt, sowie, dass die Patienten selbst durchsucht werden können, einschließlich einer Kontrolle der intimen Körperöffnungen. Der Gesetzentwurf definiert gleich mehrere Gründe, weshalb man einen psychisch Kranken auch gegen seinen Willen in einer psychiatrischen Einrichtung festgehalten kann.
Krankenhäuser müssen Depressive melden
Für die „Süddeutsche Zeitung“ ist das gleichzusetzen mit einem „Polizeirecht gegen psychisch kranke Menschen“. Das Psychisch-Kranken-Gesetz in Bayern sieht eine Registrierung von depressiven Menschen vor. Nach sich würde eine Anwendung des Gesetzentwurfs für Krankenhäuser gleichfalls die Verpflichtung ziehen, sensible Daten über den Patienten in einer sogenannten Unterbringungsdatei festzuhalten. Die Datei muss zur Verhinderung und Verfolgung von Straftaten auch an die Polizei weitergegeben werden. Die Speicherpflicht der Datei bestünde für fünf Jahre. Eine Entlassung der Patienten müssten Kliniken der Polizei gleichfalls mitteilen.
Psychiater sehen darin eine erhebliche Stigmatisierung von psychisch Kranken
Besonders Mediziner und Psychiater lehnen sich gegen das geplante Gesetz auf. Für sie kommt es einer Stigmatisierung gleich. Karl Heinz Möhrmann, Vorsitzender des Landesverbandes Bayern der Angehörigen Psychisch Kranker, rügt. „Der Gesetzentwurf vermischt die Behandlung von in einer Krise befindlichen psychisch erkrankten Menschen in einer allgemeinpsychiatrischen Klinik mit der längerfristigen Unterbringung psychisch kranker Straftäter im Maßregelvollzug.“
Aber auch die Opposition hat sich gegen das geplante Gesetz ausgesprochen. Die Grünen forderten, man dürfe psychisch Kranke nicht in die Nähe von Straftätern rücken. Kathrin Sonnenholzner (SPD), Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, gab bekannt, sie werde „alles tun, um dieses Gesetz in seiner jetzigen Form zu verhindern“. Es sei „eine Katastrophe für die psychisch Kranken“, laufe es doch auf deren Stigmatisierung hinaus. Martin Hagen, Spitzenkandidat der FDP für die Landtagswahl, kritisiert. „Die Staatsregierung stellt die Grundrechte psychisch Kranker zur Disposition“.
Hilfe für die Betroffenen steht erst am Ende
Kerstin Celina, Sozialexpertin der Landtagsgrünen, meint. „Das Gesetz wirft uns um Jahrzehnte zurück – in vielen Punkten und der Hauptpunkt ist die Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Menschen mit Schwangerschafts-Depressionen, mit Alzheimer, die aufgrund ihrer Erkrankung vielleicht mal aggressiv werden, eingeliefert werden und danach stigmatisiert werden für viele, viele Jahre hinweg. Man sortiert sie in eine Unterbringungskartei ein, die Hilfe für die Menschen schreibt man dabei ganz klein.“
Margit Brendl, Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Bayern, äußert. „Anstatt die Hilfe und die Heilung in den Vordergrund zu stellen, geht es in dem Gesetz primär um Gefahrenabwehr. Psychisch kranke Menschen werden wie Straftäter behandelt“. Für psychisch kranke Straftäter gebe es aber den Maßregelvollzug.
Söder will nur noch Details verändern
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verteidigt die Novelle des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes gegen die Kritik von Opposition und Verbänden. „Wir wollen niemanden stigmatisieren und nehmen die Bedenken ernst“, so Söder am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München. Er kündigte an, dass die Regierung bei der anstehenden Beratung des Gesetzentwurfs im Landtag „offen für Veränderungen“ sei. Dies gelte für Detailfragen. „Aber die Grundrichtung wollen wir erhalten“, so Söder.
Immerhin soll nun die umstrittene Unterbringungsdatei, die gleich mehreren Behörden zugänglich wäre, keinen Untersuchungsbefund der Ärzte mehr enthalten. Zudem würde man auf die geplante Institution von Unterbringungsbeiräten verzichten, hieß es. Auch Patientendaten will man nur noch wenige Monate anonymisiert aufbewahren. Am 24. April soll eine Expertenanhörung stattfinden.
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