Andrej Hunko
Andrej Hunko
Bildquelle: Darius Dunker

Andrej Hunko: „Netzpolitik ist ein Querschnittsthema“

Andrej Hunko (MdB) im Gespräch mit Tarnkappe.info. Unseren Fragen folgend, streifen wir viele unterschiedliche Themenbereiche der Politik.

Andrej Hunko hat sich schon häufiger mit seinem Kampf gegen anlasslose staatliche Überwachung und Datensammelleidenschaft profiliert. Neben netzpolitischen Themen interessiert er sich auch für das Schicksal der Flüchtlinge und die sozialen Belange der Bevölkerung. Hunko hat sich früher zwischenzeitlich selbst mit diversen Jobs durchgeschlagen.

Mittlerweile gehört er zum Parteivorstand und ist seit 2020 stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Unseren Fragen folgend, streifen wir in unserem Interview sehr viele politische Themenbereiche.

Hartz IV-Reformen kosteten den späteren Berufspolitiker seinen Job

Tarnkappe.info: Hallo Andrej, zunächst vielen Dank für die Bereitschaft, Dich unseren Fragen zu stellen. Vielleicht magst Du Dich zu Anfang des Gesprächs einfach mal kurz vorstellen?

Andrej Hunko: Ich lebe in Aachen, wo ich auch aufgewachsen bin, und habe zwischendurch in Freiburg und Berlin gelebt. In dieser Zeit habe ich studiert und gearbeitet, etwa als Drucker, Publizist und LKW-Fahrer, für einige Zeit auch in der Krankenpflege. Zur Zeit der unsozialen Hartz-Reformen war ich arbeitslos und dadurch aktiv an den bundesweiten Protesten gegen Hartz IV beteiligt.

Als sich 2005 die Perspektive einer neuen linken Partei abzeichnete, schloss ich mich dieser an. 2007 fusionierten die WASG und die PDS zur heutigen Partei DIE LINKE, in der ich seitdem Mitglied bin. Zunächst arbeitete ich im EU-Parlament für Tobias Pflüger, 2009 wurde ich selbst in den Bundestag gewählt. Außerdem bin ich Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.

Andrej Hunko: „Netzpolitik ist ein Querschnittsthema“

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Tarnkappe.info: Bei sozialen Themen ist die Linke sehr aktiv. Bei der Netzpolitik halten sich die meisten Abgeordneten sehr zurück. Woher kommt das? Haben andere Parteien das Thema schon erfolgreich besetzt? Oder besteht in der Bevölkerung grundsätzlich kein so großes Interesse daran? Oder ist das von vielen Abgeordneten einfach kein Thema, bei dem sie sich gut auskennen?

Andrej Hunko: Ich denke das stimmt nur teilweise. Ich sehe soziale Themen gar nicht als Gegensatz zur Netzpolitik. Diese hat ja auch viele soziale Aspekte. Beispielsweise die Frage, wer mit welchem Recht über unsere Daten verfügt und damit Profit macht oder wie die soziale Position den Zugang zu digitaler Infrastruktur beeinflusst. Netzpolitik ist ein Querschnittsthema.

Im Bundestag betrifft es verschiedene Ausschüsse. Ich zum Beispiel bin im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union und wir widmen uns vor allem der zunehmenden Überwachung. Dies betrifft etwa Datenbanken auf EU-Ebene, aber auch Richtlinien und Verordnungen wie TERREG oder e-Evidence, mit denen das Internet stärker reglementiert wird. Andere netzpolitische Themen werden eher im Innenausschuss oder im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur bearbeitet, dort sind die Kolleginnen und Kollegen recht aktiv. Zusammen sind wir aus meiner Sicht ganz gut aufgestellt zu Netzpolitik, aber zweifellos gibt es hier Luft nach oben.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist kein geeignetes Mittel

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Tarnkappe.info: Um vorübergehend bei sozialen Themen zu bleiben. Wie stehst Du zum bedingungslosen Grundeinkommen? Ist das überhaupt umsetzbar? Macht das denn Sinn? Welche Auswirkungen hätte eine Einführung auf die Bevölkerung?

Andrej Hunko: Diese Frage wird in der LINKEN seit Langem kontrovers diskutiert und bislang gilt: we agree to disagree. Das heißt, dass die Partei als Ganze sich weder für noch gegen das BGE ausspricht, die Mitglieder es aber tun können. Ich bin ich uneingeschränkt dafür, dass es eine unbürokratische, bedarfsorientierte und repressionsfreie Mindestsicherung für alle Menschen gibt. Jedem Menschen muss man ein Einkommen garantieren, das eine würdige, kulturelle und soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht.

Ich halte das BGE allerdings nicht für das geeignete Mittel, um dies zu erreichen und ich teile nicht die Grundannahme der meisten BGE-Befürworter:innen, dass die Arbeit ausginge und es deshalb ein bedarfsunabhängiges Grundeinkommen geben müsse.

Vor allem sehe ich die Gefahr, dass der Sozialstaat dadurch geschleift werden könnte und wir am Ende schlechter dastehen als jetzt. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge hat dazu fundierte Kritiken formuliert. Auch volkswirtschaftliche Effekte werden von den Befürworter:innen meines Erachtens zu wenig beachtet. Es würde jetzt aber zu weit führen, das hier auszubreiten.

Filesharing: Abmahnungen senken die Akzeptanz für das Urheberrecht

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Tarnkappe.info: Noch immer verschicken Rechtsanwaltskanzleien jeden Monat unzählige P2P-Abmahnungen an DSL-Kunden. Wie steht Die Linke zum Thema Urheberrecht? Was würde sie auf Bundes- bzw. EU-Ebene daran ändern, wenn sie es könnte?

Andrej Hunko: Wir sind der Ansicht, dass Urheberinnen und Urheber für ihre Arbeit angemessen bezahlt werden müssen. Deshalb treten wir für die Entwicklung und Erprobung neuer Vergütungsmodelle für Kreativschaffende ein. Massenabmahnungen, an denen hauptsächlich Anwälte verdienen, halte ich hingegen für fatal – sie werden die Akzeptanz des Urheberrechts nicht verbessern, sondern schwächen. Gewerbliche Piraterie muss natürlich juristisch verfolgt werden. Die private, nicht-kommerzielle Nutzung von Musik oder Filmen sollte aber aus meiner Sicht vom Urheberrecht möglichst nicht berührt sein. Für Bagatellverstöße im Laienbereich fordert DIE LINKE deshalb eine Abmahnbremse.

Andrej Hunko zum geplanten Krypto-Krieg der EU

Tarnkappe.info: Wie stehst Du zur geplanten unfreiwilligen Aufweichung der Verschlüsselung für Messenger? Ist unter den Voraussetzungen überhaupt noch eine sichere Kommunikation möglich, wenn die Behörden bzw. Geheimdienste Hintertüren besitzen, um das eigene Volk zu belauschen?

Andrej Hunko: Natürlich kritisieren wir diesen abermaligen Kryptokrieg, der auch auf EU-Ebene ausgetragen wird. Das ist ein Frontalangriff auf die Freiheit der Telekommunikation – auch wenn der jetzige Vorstoß zunächst nur auf Messengerdienste und dort auch nur auf inkriminierte Dateianhänge fokussiert. Wir haben viele Anfragen zum Thema gestellt, mit denen wir die Rolle des Bundeskriminalamtes herausarbeiten konnten. Die Behörde ist auch bei der Entschlüsselung ein wichtiger Akteur, der etwa Europol bei der „Entschlüsselungsplattform“ und der Einführung von EU-Trojanern behilflich ist.

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Kein lokales Problem: Verschlüsselung will man länderübergreifend beseitigen

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Tarnkappe.info: Wie beurteilst Du die jetzige Entwicklung? Werden viele Firmen aus der EU abwandern, weil sie das nicht wollen? Wie wird sich das Szenario möglicherweise in einem, fünf oder zehn Jahren darstellen? Gibt es dann noch mehr Überwachung und noch weniger Möglichkeiten, privat zu kommunizieren?

Andrej Hunko: Dass Firmen deshalb abwandern, halte ich eher für unwahrscheinlich. Die jetzige Entschlüsselungsinitiative ist weltweit abgestimmt und geht unter anderem auf die „Five Eyes“ zurück, einen Verbund, in dem sich die Geheimdienste aus den USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada zusammenschließen. Britische Geheimdienstler spielen dabei eine zentrale Rolle und haben auch bei Europol für einen Umbau der Sicherheitsarchitektur gesorgt. Nach dem Brexit erwarte ich aus dieser Richtung übrigens noch mehr Druck auf die Möglichkeiten, privat zu kommunizieren.

Beim elektronischen Anwaltspostfach hat man „am Ziel vorbei galoppiert“

Tarnkappe.info: Wie bewertest Du das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), gerade in Hinblick auf das Thema Verschlüsselung?

Andrej Hunko: Grundsätzlich befürworte ich die Digitalisierung von Behörden, dass es also möglich ist auch auf digitalem Wege verifizierte Schriftstücke auszutauschen. Das „besondere elektronische Anwaltspostfach“ scheint mir aber am Ziel vorbei galoppiert zu sein. Soweit ich beurteilen kann ist es viel zu teuer und hatte zumindest am Anfang Sicherheitslücken. Viel gravierender ist aber die Tatsache, dass keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eingebaut ist – bei juristischem Austausch nicht nur von Personendaten, sondern äußerst heiklen persönlichen Informationen ist das nicht hinnehmbar. Ich halte deshalb auch nichts davon, diese Systeme für den Verkehr vorzuschreiben.

Familien müssen bei der Digitalisierung des Schulunterrichts finanziell unterstützt werden

Digitalpakt Schule

Schülerseminar: sicheres surfenTarnkappe.info: Setzt Du bei der Digitalisierung der Schulen auf schuleigene Ausrüstung oder sollen Schüler und Lehrer ihre privaten Geräte in Schulnetzen verwenden können? Fefe vom CCC schrieb dazu, dass die Schüler und Lehrer einer Schule wohl keinen Internetzugang mehr haben, da für den neu gelegten Glasfaseranschluss wohl nur schuleigene Geräte und Schuldienste zulässig sein sollen.

Andrej Hunko: Auch hier bin ich dafür, den Betroffenen keine Vorschriften zu machen. Unbedingt müssen natürlich Familien mit geringem Einkommen in der Anschaffung unterstützt werden, sonst ist „Bring Your Own Device“ sozial äußerst ungerecht. Manche Menschen trennen IT-Geräte für den Gebrauch zu Hause und auf der Arbeit, auch Kinder und Jugendliche sollten dies in der Schule so handhaben dürfen. Dafür müssen in den Schulen ausreichend Laptops oder Tablets vorrätig sein. Das wird aber nicht funktionieren, wenn Schulen in vielen Bundesländern weiterhin auf die Bewilligung von Mitteln aus dem Digitalpakt warten müssen.

Elektronische Patientenakte mit großem Verbesserungsbedarf

Tarnkappe.info: Am 01.01.2021 startete in Deutschland verpflichtend für alle Krankenkassen (GKV & PKV) die elektronische Patientenakte (ePA). Grundlage hierfür ist das neue Patientendatenschutzgesetz. Hat der Gesetzgeber alles getan, um die Patientendaten effektiv abzusichern? Was würdest Du bzw. Die Linke dabei anders machen?

Andrej Hunko: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist ein Thema, das uns schon länger beschäftigt. Sie birgt große Chancen und Risiken. Denn natürlich können viele Prozesse deutlich optimiert werden, wenn beispielsweise alle behandelnden Ärztinnen und Ärzte schnell Zugriff auf die entscheidenden Befunde und andere Daten haben. Aber Gesundheitsdaten gehören vermutlich zu den sensibelsten Daten, die extrem gut vor Missbrauch geschützt werden müssen. Und dies ist bei zentraler Speicherung im digitalen Format natürlich nicht so einfach.

Andrej Hunko: eHealth-Industrie hätte gerne Zugriff auf alle Patientendaten!

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Die Begehrlichkeiten der eHealth-Industrie für den Zugriff auf diese Daten und deren Verwertung sind enorm. Wir haben deshalb von Beginn an die Einführung der elektronischen Patientenakte kritisch begleitet, vor allem in Bezug auf den Datenschutz.

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat sich äußerst kritisch geäußert. Er hat festgestellt, dass das Patienten-Datenschutz-Gesetz gegen die europäische Datenschutz-Grundverordnung verstößt. Es wird wohl nachgebessert, aber ich bleibe insgesamt skeptisch. Das hat sicher auch damit zu tun, dass meiner Meinung nach privatwirtschaftliche Logik und Profitinteressen viel zu präsent in unserem Gesundheitssystem sind.

In einem bedarfsorientierten und gut finanzierten öffentlichen Gesundheitssystem hätte ich vermutlich auch weniger Bedenken, was die Digitalisierung anbelangt.

Sensible Daten wecken vielerorts Begehrlichkeiten

Tarnkappe.info: Was sagst Du in dem Zusammenhang zu den kürzlich aufgetauchten Sicherheitslücken des Systems, im Hinblick auf die Hardware- Konnektoren in den vielen Arzt-Praxen deutschlandweit?

Andrej Hunko: Immer wenn neue technische Verfahren eingesetzt werden, können natürlich Sicherheitslücken auftreten. Entscheidend ist, dass mit ausreichend Zeit und Mitteln alles getan wird, ein Maximum an Sicherheit zu gewährleisten. Dass das immer wieder schiefgeht, ist beschämend. Die Lücken zeigen auf, was beim Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten falsch laufen kann.

Tarnkappe.info: Wie bewertest Du die vielen Gegenargumente der deutschen Ärzteschaft, die mit dem neuen System nicht einverstanden sind? Viele Ärzte vermuten, dass ihre Arbeit zukünftig dadurch eher erschwert wird.

Andrej Hunko: Ich denke, man muss die Argumente sehr ernst nehmen. Manche Ärzte sind sogar bereit, empfindliche Strafen in Kauf zu nehmen, um nicht an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen zu werden. Das zeigt, dass es ihnen wirklich ernst ist. Die Gründe sind vielfältig. Neben den bekannten Sorgen um die Sicherheit der Gesundheitsdaten führen manche Ärzte auch an, dass ihnen die ePA bei ihrer Arbeit gar nichts bringt oder sogar Mehrarbeit verursacht. Das gibt schon zu bedenken.

Ist das Infektionsschutzgesetz gesetzwidrig?

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Tarnkappe.info: Themenwechsel: Hat ein Viertel der Mitglieder des Bundestages beim Bundesverfassungsgericht schon einen Antrag gestellt auf eine abstrakte Normenkontrolle der Vereinbarkeit des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) mit dem Grundgesetz?

Andrej Hunko: Im Zuge der Corona-Pandemie gab es 2020 drei Novellen des Infektionsschutzgesetzes. DIE LINKE hat als einzige Fraktion keiner von ihnen zugestimmt. Bei der ersten Novelle im März haben wir uns enthalten, im Mai und November haben wir dagegen gestimmt.

Ob das Infektionsschutzgesetz wirklich grundgesetzwidrig ist, vermag ich nicht zu beurteilen.

Um eine Normenkontrollklage gegen die letzte Novelle einzureichen, müssten drei der vier Oppositionsparteien auf einen Nenner kommen. Das ist in der aktuellen Konstellation schwer vorstellbar. Aus meiner Sicht wäre ein solcher Schritt nur mit den Grünen und der FDP vertretbar, mit der AfD machen wir aus allgemeinpolitischen Erwägungen keine gemeinsame Sache. Die Grünen haben der dritten Novelle allerdings zugestimmt.

Solange die Ursachen der Flucht bestehen, werden die Menschen weiterhin fliehen.

Tarnkappe.info: In den Nachrichten tauchen immer wieder erschreckende Bilder von abgebrannten Flüchtlingscamps in Griechenland und anderswo auf. Der immer härtere Einsatz von Frontex & Co. stellt offenkundig keine Lösung der Flüchtlings-Problematik dar. Wie aber löst man dieses Problem?

Andrej Hunko: Wir schließen uns der Forderung vieler Menschenrechtsorganisationen an, legale Möglichkeiten zur Einreise zu schaffen um in Europa Asyl zu beantragen. Dadurch würde das Ertrinken im Mittelmeer über Nacht der Vergangenheit angehören, niemand müsste mehr horrende Summen an sogenannte Schleuser bezahlen. Natürlich ist das keine wirkliche Lösung, aber ein humanistisches Gebot. Eine solche Politik muss aber einhergehen mit der konsequenten Bekämpfung von Fluchtursachen. Dazu gehört zu allererst die Beendigung der Kriegspolitik und der Waffenlieferungen und die Konzentration auf Diplomatie und zivile Konfliktlösung und -prävention. Aber auch die ungerechte Handelspolitik, wie sie beispielsweise durch Freihandelsabkommen der EU durchgesetzt wird, ist Teil des Problems. Solange die Ursachen der Flucht nicht beseitigt werden, fliehen Menschen.

Drohende Verurteilung von Julian Assange gefährdet die Pressefreiheit

wikileaks

Tarnkappe.info: In erster Instanz hat Großbritannien den Wikileaks-Mitgründer Julian Assange nicht an die USA ausgeliefert. Welche Erwartungen hast Du an die Berufung? Ist es wirklich so viel gefährlicher geworden, brisante Dokumente der US-Behörden öffentlich zu beleuchten? Der langjährige Journalist John Pilger glaubt, man solle sich aus Sicherheitsgründen lieber nicht mit den USA anlegen. Niemand in den Redaktionen wäre noch sicher, sollte man Assange ausliefern. Siehst Du das ähnlich? Welche Auswirkungen wird dies kurz- bzw. mittelfristig auf den Journalismus haben?

Andrej Hunko: Ja, ich denke es handelt sich wirklich um einen historischen Prozess mit enormer Tragweite, auch für den internationalen Journalismus. Es ist weiterhin möglich, dass Assange ausgeliefert wird. Auch wenn am Ende wohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über den Fall entscheiden wird. Dieser gehört ja zum Europarat, nicht zur EU und Großbritannien ist dort auch nach dem Brexit Mitglied und an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden.

Sollte Assange ausgeliefert werden, wäre das ein gravierender Präzendenzfall und eine enorme Gefahr für die Pressefreiheit weltweit. Man muss sich nur ansehen, warum er verfolgt wird. Er hat Kriegsverbrechen des US-Militärs unter anderem im Irak-Krieg aufgedeckt. Darum geht es.

Wenn ein Staat wie Großbritannien einen Journalisten wegen solcher Enthüllungen an die USA ausliefert, dann setzt das ein besorgniserregendes Exempel für alle Journalistinnen und Journalisten, die sich kritisch mit der US-Außenpolitik befassen.

Andrej Hunko: Die Politiker in Berlin und Brüssel schauen einfach weg!

die linke

Andrej Hunko: Besonders skandalös finde ich in diesem Zusammenhang übrigens das aktive Wegschauen der Bundesregierung und auch der EU. Der Europarat hat es durch seine Parlamentarische Versammlung und die Menschenrechtskommissarin geschafft, klare und kritische Worte an die britische Regierung zu richten und die Freilassung von Assange zu fordern. Aber bei der EU-Kommission, dem Europäischen Parlament und der Bundesregierung wird aktiv geschwiegen. Das ist Komplizenschaft, die ich verurteile.

Tarnkappe.info: Andrej, vielen Dank für das ausführliche Gespräch!

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.