Martin Frost "The One" warnt eindringlich davor, sein Leben zu kopieren. Er erzählt, warum es so schwer ist, aus der Fraud-Szene auszusteigen.
Am Telefon wirkt Martin Frost, besser bekannt als „The One“, unglaublich sympathisch. Er hört zu und reagiert sehr feinfühlig auf die Art, wie man Fragen stellt. Ich muss zugeben, dass es mir bei ihm unglaublich schwer fällt, die kritische Distanz eines Journalisten zu wahren.
Dabei hat „The One“ 2016 mit zwei weiteren Personen den Dark-Commerce-Handelsplatz „Wall Street Market“ gegründet, der es damals fast an die Spitze der illegalen Onlineshops geschafft hat. Seine Plattform lag seinerzeit auf Platz zwei.
Hier anhören: Martin Frost erzählt von seinem Einstieg in die Szene
Ausgerechnet bei meinem ehemaligen Arbeitgeber, im Forum von gulli.com, entdeckte Martin das Programmieren für sich. Im gulli:board besorgte er sich die ersten Skripte und tauschte sich mit anderen Usern aus, um sie zu verstehen und später zu optimieren. Irgendwann war das g:b nicht mehr der richtige Ort für ihn. Als ich 2008 Chefredakteur wurde, war er schon weg.
Später veröffentlichte er eigene Quellcodes in Untergrundforen wie dem Crime Network 1.0, um seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Frost sah das Ganze als Herausforderung. Er wollte etwas Besseres schaffen und in Umlauf bringen, anstatt die Programme wie andere nur blind zu verwenden.
Der weitere Weg dürfte dem vieler Neulinge in der Betrugsszene ähneln. Ein Account in mehreren Fraud-Foren, private Chats über Jabber, die ersten Straftaten begangen, ohne erwischt zu werden. Tja, schon ist man mittendrin in der Szene.
Plötzlicher Einsatz der Einsatzkräfte der GSG 9
Doch bei ihm kam es anders als bei vielen anderen Aktiven. Der „Wall Street Market“ war derart erfolgreich, dass er natürlich auch die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zog. Kurz vor dem geplanten Ausstieg hat man ihn und die zwei anderen Hintermänner 2019 überraschend verhaftet. Auch direkt vor dem Exit Scam wähnte sich Frost in Sicherheit. Der ehemalige Admin dachte, ihm könne nichts passieren.
Seine Lebensgefährtin, seine Freunde und seine Familie – er stammt aus gutbürgerlichen Verhältnissen aus dem Raum Stuttgart – ahnten nichts, denn „The One“ führte ansonsten ein perfektes Doppelleben. Tagsüber arbeitete er. In seiner Freizeit nahm die Arbeit am eigenen Dark Commerce Onlineshop seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Da gab es immer etwas zu tun. Und sei es, die immer wieder auftauchenden DDoS-Angriffe der Konkurrenten abzuwehren.
Das Landgericht Frankfurt verurteilte die drei Angeklagten schließlich wegen bandenmäßigen Drogenhandels und Untreue. Für Martin bedeutet dies eine Haftstrafe von mehr als sieben Jahren. Die Revision soll das Strafmaß reduzieren. Ob das gelingen wird, ist freilich noch offen. Frost hat keine Angst vor der Strafe, er hält sie für angemessen. Er möchte aber sein Kind aufwachsen sehen. Der junge Mann will verhindern, dass sein Kleinkind für so lange auf seinen Vater verzichten muss.
Martin Frost warnt vor seinesgleichen an Schulen
Martin Frost ist übrigens bekennender Fan des österreichischen Sängers Falco. Das erklärt natürlich den Titel seiner Biografie „Out of the Dark„*. Die Zeit hinter Gittern will er nutzen, um zu studieren, sich weiterzubilden. Außerdem gibt er schon jetzt Datenschutzunterricht an Schulen und versucht, in den Medien vor der Suchtgefahr zu warnen, die ständig von der Betrügerszene ausgeht.
Ausstieg aus der Szene schwierig
Klar ist auch eines. Denn wer einmal dabei ist, dem fällt es sehr schwer, ohne Bust (= Überführung der Polizei) wieder auszusteigen. Es geht nicht nur um das viele Geld, was man dabei verdienen kann. Nein, man würde auch viele Kontakte aus dem Untergrund verlieren. Wer aufhört, würde mit einem Schlag die Brücke zu zahlreichen Menschen abbrechen, mit denen man sich über Monate hinweg ausgetauscht hat. Und genau das sind die wenigen Personen, die das eigene Vokabular verstehen. Die also wissen, von was man spricht. Das erschwert den Ausstieg zusätzlich.
Darüber und über vieles weitere habe ich mit Martin Frost fast eine Stunde lang „unter dem Radar“ gesprochen. Können wir euer Interesse wecken? Prima!
Hier ist der Link zur neuen Episode unseres Podcasts.
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