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Bildquelle: piqsels

Unter dem Radar – der satirische Monatsrückblick (Juni/2015)

Unter dem Radar. Annika Kremers satirischer Monatsrückblick des Monats Juni 2015. Mit ein wenig Verspätung zwar, aber weiterhin exklusiv.

Der Juni – Monat der Sommersonnwende und somit der längsten Tage des Jahres. Leider bedeutet das für viele Menschen in Politik, Wirtschaft und Showbusiness vor allem eines: mehr Gelegenheit, Blödsinn zu machen, sich zu blamieren und ihre Mitmenschen zum Kopfschütteln anzuregen. Aber lest selbst: unser Monatsrückblick von Juni 2015. Den von Mai gibt es hier auf die Augen.

Monatsrückblick: Es war einmal – das Internet

Wenn Deutsche das Wort „Schweiz“ hören, denken sie dabei oft vor allem an Berge (einschließlich derer in Schokoladenform mit und ohne weißen Gipfeln), Schokolade und Käse und alpine Gemütlichkeit, womöglich auch an Heidi und ihren verhaltenskreativen Onkel oder was dergleichen Klischees mehr sind. Aber auch die fast schon sprichwörtliche Neutralität des Landes kommt womöglich in den Sinn. Darauf besann man sich nun auch beim Thema NSA-Affäre wieder. Ganz Europa wird von der letzten verbliebenen Weltmacht (mit tätiger Unterstützung der Engländer und Deutschen) überwacht. Ganz Europa? Nein. Ein kleines Ländchen in den Alpen ist dagegen nach eigener Aussage immun und sieht die Exzesse der USA daher mit Gelassenheit.

Die Glosse für Juni 2015

Als echtes Neunziger-Kind erkläre ich das jetzt mal so, dass das auch nicht-technikaffine Menschen verstehen. Willkommen zu „Es war einmal: das Internet“. Stellt euch das Internet als eine Ansammlung großer Verkehrswege vor. Darin laufen dann Datenpakete in Form kleiner Nullen und Einsen mit Füßen und niedlichen Kulleraugen in Manga-Optik. Zwischendurch fliegen kleine Spionage-Roboter der NSA herum und traktieren die Datenpakete mit Mikrofonen und Kameras. Jetzt aber kommt ein Schweizer Datenpaket (erkennbar daran, dass es in einer Hand eine Schweizer Flagge und in der anderen eine Schokoladentafel, von der es zwischendurch futtert, hält und ein Swisscom-Shirt trägt) daher. Der NSA-Roboter zögert einen Moment und sucht dann das Weite.

So oder so ähnlich stellt sich der Schweizer Geheimdienst NDB das zumindest vor. Es sei keine Schweizer Kommunikation vom BND überwacht worden, auch wenn Swisscom teilweise durchaus angezapft wurde, so die Aussage. Na dann. Weitergehen liebe Leser vom Monatsrückblick, es gibt hier nichts zu sehen…

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Monatsrückblick: Erschießt den Boten, die Sau!

Gar nicht so immun gegen die Willkür diverser Behörden ist dagegen offenbar Tarnkappe selbst. Angeblich sollen nicht weniger als drei Ermittlungsverfahren gegen unser Blog laufen (ob es da heißen darf „aller guten Dinge sind drei“ darf bezweifelt werden). Auch hier verwechselt man anscheinend mal wieder die Ebenen und erschießt den Boten, weil einem die Nachricht nicht passt. Wer über Raubkopien berichtet, muss schließlich auch selbst welche herstellen. Immerhin ist auch jeder Krimiautor ein Massenmörder, Tom Clancy war ein russischer Spion und Whistleblower, die staatliche Verbrechen aufdecken, sitzen als Kriminelle im Knast. Moment. Streicht den letzten Vergleich. Wir halten fest: Am besten berichtet man heutzutage nur noch über Themen und Ereignisse, die ebenso erfreulich wie unkontrovers wie legal sind. Das erscheint dem Abstraktionsvermögen der Zielgruppe eher angemessen – oder, um es weniger gewählt auszudrücken, für alles andere scheint unsere Gesellschaft einschließlich einiger Behördenvertreter mittlerweile zu doof zu sein.

Mitbestimmung Made in Germany

Angesichts diverser offensichtlicher Probleme der Exekutive können wir froh sein, dass immerhin die Legislative hierzulande so tadellos funktioniert. Immerhin leben wir in einem vorbildlichen demokratischen Staat, in dem wir die Politik aktiv mitgestalten dürfen. Glauben wir zumindest – bis diese Meinung mit harten Zahlen konfrontiert wird. Beispielsweise mit folgender Statistik: Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat 99,82% der an ihn gerichteten Petitionen verworfen.

Natürlich werden unter den eingereichten Petitionen im Internet-Zeitalter auch Perlen wie „Gebt die UFO-Akten frei“, „Stoppt die Bilderberger-Weltregierung“ und „Die Bundesregierung soll das Chemtrail-Programm einstellen“ gewesen sein. Aber wenn man nicht wirklich von einer Troll- und Aluhutquote von annähernd 100 Prozent ausgehen will (und diese wird noch nicht einmal im heise-Forum erreicht, was es so gut wie ausschließt, dass sie irgendwo sonst in der Gesellschaft mit Ausnahme der einschlägigen Konspirationstheoretiker-Websites und -Demos anzutreffen ist) muss man sich schon fragen, ob es sich hier die Politik womöglich nicht einfach leicht macht und unbequeme Petitionen irgendwo zwischen UFOs und Echsenmenschen auf dem Abfallhaufen verschwinden lässt. Schon Bertold Brecht merkte an, dass Wahlen verboten wären, wenn sie tatsächlich etwas ändern würden. Für Petitionen gilt anscheinend, über ein halbes Jahrhundert später, das gleiche. Das hätte man auch ohne Monatsrückblick wissen können…

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All your baguettes are belong to us

Wo wir schon bei nationalen Klischees waren: auch über Frankreich fiele einem diesbezüglich ja das eine oder andere ein. Wir halten aber an uns, denn was im Monat Juni über unsere Nachbarn herauskam, ist gar nicht so lustig. Über Jahre hinweg spionierte die NSA offenbar auch die gesamte französische Regierung aus. Auch bei Frankreich handelt es sich ja, wie bei Deutschland, angeblich um einen Verbündeten der USA, der aber anscheinend ein bisschen zu oft einen eigenen Kopf hat. Entsprechend empört war man in Paris. Ob das allerdings die US-Regierung nachhaltig beeindruckt? Deren Allmachtsfantasien werden bekanntlich von Kleinigkeiten wie diplomatischen Zwischenfällen, schlechter Presse oder Menschenrechten nie übermäßig gedämpft.

See you on the other side

In diesem Sinne verabschiede ich mich von euch. Bis zum nächsten Monatsrückblick! Genießt trotz dieser irrwitzigen Umtriebe den Sommer, lasst euch nicht von den Bilderbergern entführen und bleibt uns treu. Wir lesen uns in Kürze an dieser Stelle wieder.

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