Der Monat ist vorüber, der Sommer wohl auch. Zeit für einen satrischen Monatsrückblick. Die Glosse für August, erneut von Annika Kremer.
Der August ist vorüber und so langsam wird es herbstlich in Deutschland. Zeit für Nachdenklichkeit und Reflektion – oder auch, um zurück zu blicken auf die Absurditäten des letzten Monats. Davon nämlich gab es wieder einmal mehr als genug. Es war, als hätten sich die Mächtigen in den Kopf gesetzt, Langeweile an Pool, Strand und Biergarten-Tisch mit ihren Eskapaden effektiv zu verhindern. Das zumindest ist ihnen auch gelungen. Sonst aber nicht viel – lest selbst. Die Glosse, unser höchst kritischer Monatsrückblick.
Der Monatsrückblick für August
Japan sucht den Super-Pädagogen
Nicht mit Ruhm bekleckert hat sich beispielsweise die japanische Regierung. Diese nämlich plante nach eigener Aussage einen Protest gegen US-amerikanische Geheimdienst-Überwachung in Japan – aber nur, wenn tatsächlich japanische Regierungsmitglieder und Beamte von US-Geheimdiensten abgehört wurden. Wieder einmal bestätigt sich, dass unsere Regierungen die größten Weicheier unter der Sonne sind – nur zu gerne bereit, aus Feigheit und Opportunismus unsere Rechte zu verraten, aber ebenso bereit, lautstark herum zu heulen, wenn sie selbst auf einmal Unannehmlichkeiten von den angeblichen Verbündeten erleiden.
Alternative Interpretation: Die Regierung hält sich selbst für so wichtig (und im Gegenzug alle anderen Bewohner des Landes für so unwichtig), dass sie glaubt, allein die Überwachung ihrer Aktivitäten sei ein ernsthaftes Problem für das Allgemeinwohl. Was euch sympathischer ist, die egozentrischen Crybabies oder die größenwahnsinnigen Autokraten, dürft ihr euch selbst aussuchen. In einem Fall wäre das geistige Alter der Herrschenden im Kleinkind- oder Kindergartenalter anzusiedeln, im anderen in dem von Allmacht träumender Teenager. Beste Voraussetzungen für die verantwortungsbewusste Nutzung der ihnen anvertrauten Macht. Ich fordere die Super-Nanny und ein paar Wochen stille Treppe, nicht nur für die japanische Regierung sondern auch für die in der Vergangenheit ganz ähnlich handelnde deutsche.
Die Glosse: Ein Weltreich, zu Fall gebracht von Zahnpasta
Aber vergessen wir Kleinigkeiten wie die anlasslose Überwachung von Millionen Menschen durch die USA. Kommen wir in diesem Monatsrückblick zu ernsteren Problemen. Beispielsweise abgelaufener Zahnpasta. Mit dem Zeug kann man Weltreiche errichten – es sind schon Kriege wegen weniger angefangen worden. Das musste kürzlich auch die inhaftierte amerikanische Whistleblowerin Chelsea Manning erfahren.
Unter anderem der Besitz derartiger Killerzahnpasta – sowie einiger mehr oder weniger subversiver Bücher; die US-Armee ist da ja bekanntermaßen etwa so tolerant wie die Dowager Countess in Downton Abbey (bloß lange nicht so sarkastisch und clever) – wurde Manning nämlich kürzlich als ernst zu nehmender Verstoß gegen die Gefängnisvorschriften zur Last gelegt.
Zeitweise drohte Manning aufgrund von Toothpastegate sogar Einzelhaft (leider nicht zum ersten Mal in ihrer Leidensgeschichte). Dazu kam es zum Glück nicht. Aber Manning darf jetzt zur Strafe die Freizeiteinrichtungen des Gefängnisses auf längere Sicht nicht nutzen. Was zur Hölle sie nun im Knast den ganzen Tag tut, interessiert die US-Armee vermutlich weniger. Für die sinnvolle Gestaltung des eigenen Lebens sind die ja traditionell eh nicht unbedingt zuständig.
Wie so oft bei großen, die Welt erschütternden Affären bleiben auch hier einige Fragen offen. Beispielsweise: Hat Zahnpasta in den USA tatsächlich ein Haltbarkeitsdatum, und hat das irgendwer in Deutschland schon einmal gesehen? War es Kräuter oder Spearmint? Und: Wie tief können die US-Autoritäten eigentlich noch sinken? Sachdienliche Hinweise nimmt jede Zahnarztpraxis entgegen.
Der Whistleblower, der nicht in die Kälte kam
Wo wir gerade beim Thema: „Wovor die USA Angst haben“ sind. Auf diese Liste gehört ganz offensichtlich auch NSA-Whistleblower Edward Snowden. Das ist jetzt zwar keine allzu überraschende Erkenntnis. Das wird aber durch jüngst geleakte Dokumente noch einmal in drastischer Weise bestätigt. Diesen Dokumenten zufolge forderten die USA Norwegen nämlich 2013 auf, den am russischen Flughafen festsitzenden Snowden festzunehmen und abzuschieben, sobald er norwegischen Boden betritt. Das ist zwar völkerrechtlich nicht so ganz okay, aber für eine Weltmacht reicht „der hat uns blamiert“ wahrscheinlich als Begründung aus, um sich über solche Kleinigkeiten hinweg zu setzen. Aber das wüsstet ihr auch ohne unseren Monatsrückblick.
Snowden wäre womöglich ganz gerne nach Norwegen geflüchtet (auch, wenn er sich aufgrund der dortigen Alkoholpreise noch nicht einmal gepflegt hätte betrinken können, ein echtes Minus in seiner Situation), gilt das skandinavische Land doch als fortschrittlich, rechtsstaatlich und als Vorbild in Sachen Pressefreiheit. So, wie die Dinge lagen, blieb er aber dann lieber bis heute in Russland. Da gibt es zwar weitaus weniger Freiheiten, dafür aber wenigstens billigen Wodka.
Und die USA? Liegen wahrscheinlich nachts zitternd wach, weil sie Angst haben vor dem Monster unter ihrem Bett in trügerischer Gestalt eines blassen jungen Nerds mit Streberbrille. So kann’s gehen. Ich muss zugeben, dass mir die Vorstellung gefällt.
Genießt den Herbst
Nach all diesen Irrungen und Wirrungen kann ein bisschen Abkühlung nur gut tun – die wird es jetzt im Herbst wohl reichlich geben. Ich befürchte allerdings, dass die Hirne unserer Mächtigen auch frisch gekühlt reichlich Blödsinn produzieren werden – dafür sorgt schon das Ende der parlamentarischen Sommerpause. Ihr dürft also auch nächsten Monat auf absurdes, krankes und abgefahrenes hoffen. Sowie auf meinen Rückblick auf all das an gleicher Stelle. Bis dahin macht es gut, passt gut auf eure Zahnpasta auf und betrinkt euch nicht zu oft. Bis zum nächsten Monatsrückblick.
Eure Annika Kremer!
Tarnkappe.info