Kritiker glauben, die Online-Kampagnenseiten hätten ihre besten Jahre hinter sich. Wir haben dazu einen Mitarbeiter von openPetition befragt.
openPetition & Co.: Nach Ansicht des CCC-Sprechers Frank Rieger haben die Petitionsplattformen ihre besten Jahre längst hinter sich. Diese bombardieren die Nutzer mit E-Mails regelrecht. Darin fordert man sie erneut zur Unterzeichnung einer Petition auf. Auch bei den sozialen Netzwerken sind die Petitions-Plattformen allgegenwärtig. Haben es die Leute schon satt? Wir haben mal nachgehakt.
Gespräch mit dem Sprecher von OpenPetition
Hat der One-Klick-Aktivismus in den letzten Jahren tatsächlich an Schlagkraft verloren? Wir hakten beim Anbieter openPetition nach. Das Interview erschien ursprünglich beim IT-Newsportal gulli.com im April 2013. Da Forum und Portal trotz der Übernahme des früheren Betreibers vor einigen Monaten nicht mehr zugänglich sind, haben wir uns für eine Zweitveröffentlichung entschieden.
„In einer modernen Demokratie sind Transparenz und Zugang zu Informationen notwendige Voraussetzungen für Teilhabe und Mitbestimmung. Wir wollen, dass die Menschen gut informiert sind und die Möglichkeit haben, sich aktiv an politischen Prozessen zu beteiligen.“ Das ist kein Hochglanzpapier zu Werbezwecken, dies ist ein Ausschnitt aus dem Koalitionsvertrag 2012 bis 2017 des Landes Schleswig-Holstein. Leider bleibt die Realität oftmals weit hinter solchen Floskeln zurück. Eine direkte Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger ist nicht per Gesetz vorgesehen. Zudem hapert es oft an behördlicher Transparenz, obwohl viele Stellen aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes dazu verpflichtet wären.
Portale wie die von Campact, openPetition, Change.org, Avaaz und der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages versuchen uns wieder stärker einzubinden, uns zu aktivieren. Doch kann dies gelingen? Zumindest die bei openPetition behandelten Themen dürften nicht für alle Besucher gleich relevant sein. So forderte beispielsweise eine Petition die Aufhebung des Nachtangelverbots in Baden-Württemberg. Die Rettung eines Freibads in Brake und anderer Sportstätten möchte man erwirken. Und ebenso, dass das Land NRW nicht seine Zuschüsse für Archäologie und Denkmalpflege streicht. Kann man so die Massen in Aktion versetzen? Wir erkundigten uns bei Fritz Schadow, der bis 2016 für die Berliner openPetition gGmbH tätig war.
openPetition bringt Menschen zusammen
Lars Sobiraj: Hallo Herr Schadow. Wie definieren Sie openPetition?
Fritz Schadow: openPetition ist eine offene, partizipative Petitionsplattform. Die Bürger/innen erstellen und vertreten die Petitionen. openPetition bringt Menschen mit gemeinsamem Anliegen zusammen.Wir fördern den Austausch, Vernetzung und gemeinsames aktiv werden. Mehr als 6,56 Millionen Menschen (Stand 2019) nutzen openPetition, um Politik und Gesellschaft mitzugestalten – lokal, regional, bundesweit. openPetition verfolgt keine inhaltlichen Ziele, sondern setzt sich für die Vereinfachung und Weiterentwicklung der Instrumente der partizipativen Demokratie ein. openPetition ist gemeinnützig und finanziert sich über Spenden.
Lars Sobiraj: Zum Zeitpunkt des Interviews waren es nur 1,5 Millionen. Wann eröffneten Sie Ihre Website?
Fritz Schadow: openPetition ist im April 2010 online gegangen.
Lars Sobiraj: Wer sind die Verantwortlichen? Was ist die Rechtsform?
Fritz Schadow: Gegründet wurde openPetition von Jörg Mitzlaff, der sich zuvor im Verein Mehr Demokratie e.V. engagierte. openPetition ist von Mehr Demokratie unabhängig. Bis Mitte 2012 war die Petitionsplattform ein ehrenamtliches Projekt, das Jörg Mitzlaff und weitere Freiwilligen betreut haben. Seit Juni 2012 ist openPetition eine gemeinnützige GmbH mit Sitz in Berlin. Geschäftsführer ist Jörg Mitzlaff.
Lars Sobiraj: Wie viele Personen arbeiten im Team?
Fritz Schadow: Das Kernteam sind zwei Hauptamtliche. Dazu kommen einige Ehrenamtliche, die uns zum Beispiel bei der Software-Entwicklung unterstützen (Stand 2013).
Von einem ehrenamtlichen Projekt zu einer gGmbH
Lars Sobiraj: Wer gab der gGmbH das Gründungskapital? Wie stellen Sie heutzutage die Einnahmen sicher?
Fritz Schadow: Bis Mitte 2012 war openPetition ein ehrenamtliches Projekt, das mit den privaten Mitteln der Engagierten, v.a. von Jörg Mitzlaff finanziert wurde. 2012 wurde für openPetition eine gemeinnützige GmbH (gGmbH) gegründet, um eine angemessene Betreuung und Weiterentwicklung der inzwischen sehr stark frequentierten Petitionsplattform zu gewährleisten. Die Gründung wurde anteilig von Jörg Mitzlaff und dem Kampagnennetzwerk Campact e.V. finanziert. openPetition finanziert sich über private Spenden und mit Unterstützung von Campact e.V.
Lars Sobiraj: Auf welche politischen Räume beziehen sie sich, zum Beispiel Bund, Länder, Unternehmen?
Fritz Schadow: Alle politischen Ebenen: Gemeinde/Stadt, Kreis, Bundesland, bundesweit (die meisten Petitionen haben einen lokalen oder regionalen Bezug) Dies betrifft auch Akteure aus Wirtschaft und Gesellschaft. Die Plattform ist deutschsprachig, und offen für alle Regionen, in denen Deutsch offizielle Sprache ist: Deutschland, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, Schweiz, Regionen in Italien und Belgien.
Lars Sobiraj: Wie kann man als Bürger mitmachen, welche Daten von sich muss man eintragen?
Fritz Schadow:
– Petition starten: voller Name, volle Anschrift, E-Mail-Adresse
– Petition unterzeichnen: voller Name, volle Anschrift, E-Mail-Adresse
– Petitionen unterstützen: Vorschläge, Anregungen an Petenten, Petition verbreiten, organisieren von Veranstaltungen und Aktionen zur Unterstützung des Anliegens
– openPetition unterstützen: Anregungen, Rückmeldungen, Vorschläge zur Weiterentwicklung, die openPetition-Idee bekannter machen, Förderer werden.
Thema Datenschutz
Lars Sobiraj: Was unternimmt openPetition für den Datenschutz?
Fritz Schadow: Anonymität: Petitionen können für andere Besucher/innen unserer Plattform anonym unterschrieben werden. Name und Adresse sind somit nur für den Adressaten der Petition und den Initiator, der sie übergibt, sichtbar. Unsere Server stehen in Deutschland und wir erfüllen die deutschen Datenschutzbestimmungen.
Datensparsamkeit: Wir fragen nur nach solchen Daten, die wir ganz konkret an der jeweiligen Stelle zum Beispiel für das Unterzeichnen oder das Erstellen einer Petition benötigen. Wenn Daten nicht mehr benötigt werden, werden sie automatisch gelöscht.
Kein Spam: openPetition versendet Newsletter und andere E-Mails nur an Personen, die diese selbst auf den openPetition.de-Seiten bestellt, und die E-mail-Adresse bestätigt haben (Double-Opt-In-Verfahren).
Keine Weitergabe: Personenbezogene Daten werden ausdrücklich nicht für Zwecke der Werbung/Marktforschung genutzt. Eine Weitergabe der Daten an Dritte erfolgt ohne Einwilligung nur dann, wenn wir dazu gesetzlich verpflichtet sind. Unsere Datenschutz-Richtlinien im Detail.
Beliebte Petitionen zeigt man prominent auf der Hauptseite an
Lars Sobiraj: Wie kommt das Feld „Unterstützer“ bei Ihnen an der rechten Seite neben der Petition zustande?
Fritz Schadow: Dort wird angezeigt, über welche Webseiten besonders viele Unterzeichner/innen einer Petition auf die jeweilige Petitionsseite gelangt sind. Das ist interessant für den Initiator der Petition und auch für die Unterstützer/innen, da dort meist weitere Informationen zur Petition oder dem Thema zu finden sind. Das Feld wurde inzwischen umbenannt in: „Woher kommen Unterstützer“.
Lars Sobiraj: Gibt es eine Diskussionsmöglichkeit für die Leser beziehungsweise Teilnehmer?
Fritz Schadow: Diskussion und Vernetzung sind zentrale Bestandteile von openPetition. openPetition wurde entwickelt, um die herkömmlichen „Einbahnstraßen-Petitionen“ weiter zu entwickeln und partizipativer zu machen. openPetition bringt Menschen mit einem gemeinsamen Anliegen zusammen, ermöglicht Austausch und gemeinsames aktiv werden.
Viele Möglichkeiten für Diskussionen
Diskussionsseite: Zu jeder Petition gibt es eine eigene Diskussions-Seite, auf der Pro- und Contra-Argumente ausgetauscht werden. Petenten schätzen diese Diskussionsseite, weil sie zusätzliche Argumente für ihr Anliegen finden und mit Hilfe von Kritik ihr Anliegen besser formulieren und sich besser dafür einsetzen können.
Fragen an Petenten: Interessierte können den Petenten per E-Mail kontaktieren (die E-Mail-Adressen von Sender und Empfänger sind dabei für beide Seiten unsichtbar). Diese Funktion wird gern genutzt für inhaltliche Nachfragen und für Anregungen, um die Petition zu verbessern. Unterstützer/innen der Petition können so weit mehr tun, als einfach nur unterschreiben: sie können die Petition weiter entwickeln, ihr Wissen einbringen und sich mit dem Petenten vernetzen um z.B. weitere gemeinsame Aktivitäten zu planen.
Mail an Unterstützer/innen: Der Petent kann an die Unterstützer/innen der Petition per E-Mail kontaktieren (wenn sie sich damit einverstanden erklärt haben) und über den Stand der Dinge zur Petition informieren. Diese Funktion wird gern genutzt, um auf weitere Veranstaltungen oder Protestaktionen für die Ziele der Petition hinzuweisen. So können sich Menschen mit dem gleichen Anliegen noch stärker gemeinsam engagieren, als nur über das Sammeln von Unterschriften (die E-Mail-Adressen von Sender und Empfänger sind dabei für beide Seiten unsichtbar).
Stellungnahme des Adressaten: die Adressaten der Petition (Entscheidungsträger/innen), können eine offizielle Stellungnahme zum Anliegen auf openPetition veröffentlichen. So wird schon vor der Übergabe der Unterschriften ein Dialog eingeleitet.
„openPetition verfolgt kein inhaltliches Interesse.“
Lars Sobiraj: Prüfen Sie die Inhalte einer Petition, zum Beispiel deren Argumente? Wenn ja, wie geschieht dies im Detail?
Fritz Schadow: openPetition verfolgt kein inhaltliches Interesse. openPetition ist eine offene Plattform – offen für alle Themen und Anliegen.
Wir geben Tipps für gutes Argumentieren und eine gute Präsentation des Anliegens, werten jedoch nicht. Eine inhaltliche Prüfung erfolgt nur hinsichtlich verfassungsfeindlicher, diskriminierender, beleidigender Inhalte und solcher, die strafrechtlich relevant sind. Solche Petitionen beenden wir, gemäß unseren Nutzungsbedingungen: offensichtlich unsinnige Petitionen und Spaßpetitionen werden in den „Trollturm“ verschoben. Solche Petitionen nicht zu löschen schafft Transparenz.
Lars Sobiraj: Der Trollturm ist durchaus lesenswert. Dort finden sich Forderungen, den Montag abzuschaffen, gegen den Aufstieg vom HSV und viele andere Späße. Haben Sie eine Petition auch schon einmal abgelehnt?
Fritz Schadow: Das passiert sehr selten. Ein Beispiel aus der letzten Zeit ist eine Petition, die diskriminierend und verunglimpfend gegen eine Glaubensgemeinschaft war. Das geht natürlich nicht.
Lars Sobiraj: Wie viele Petitionen hatten Sie bisher?
Fritz Schadow: Täglich starten die Nutzer 10 neue Petition. Im Jahr 2012 waren es rund 800 Petitionen. Insgesamt waren es 2013 bereits mehr als 1.500 Petitionen.
Petition gegen GEMA-Tarifreform mit den meisten Unterschriften
Lars Sobiraj: Welche Petition hatte die meisten Unterschriften?
Fritz Schadow: Die Petition gegen die GEMA-Tarifreform hatte mit über 300.000 Unterschriften bisher die meisten Unterstützer/innen. Man hat sie im Dezember der Bundesjustizministerin übergeben.
Lars Sobiraj: Wie gut ist die Resonanz in der Politik?
Fritz Schadow: Auf der lokalen und regionalen Ebene sind unsere Petitionen am erfolgreichsten. Wenn es um die Grundschule, das öffentliche Schwimmbad oder den Sportplatz vor Ort geht, reagieren Bürgermeister/innen meist sehr schnell und haben ein offenes Ohr für das Anliegen. Initiator/innen von Petitionen schreiben uns immer wieder, dass die gesammelten Unterschriften in der Stadtverordnetenversammlung oder im Gemeinderat ein gewichtiges Argument waren. Das gilt besonders, wenn viele der Unterschriften aus den Wahlkreisen der Entscheidungsträger/innen kommen. Da auf openPetition die Postleitzahlen und Adressen beim Unterschreiben angegeben werden, lässt sich genau sagen, wie viele Menschen von vor Ort unterschrieben haben.
Auch auf der Bundesebene kann eine Petition, die an die richtige Adressatin gerichtet ist, viel bewirken: Die Petition gegen die GEMA-Tarifreform 2013 von Matthias Rauh erreichte mehr als 300.000 Unterschriften. Diese hat man im Dezember an die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger übergeben. Nur zwei Wochen später verkündet die GEMA den Stopp der neuen Tarife und die Justizministerkonferenz wird sich im Sommer mit dem Thema beschäftigen.
Wenig Petitionen auf Bundesebene
Lars Sobiraj: Welche Petitionen von Ihnen hat man bisher im Bundestag behandelt?
Fritz Schadow: Die meisten Petitionen auf openPetition richten sich nicht an den Bundestag, sondern haben regionale/lokale Anliegen und Adressaten. Die beste Wirkung haben Petitionen erfahrungsgemäß nicht, wenn sie im Petitionsausschuss des Bundestags behandelt werden, sondern wenn sie die zuständigen Personen direkt adressieren. So ist eine Petition für Verbraucherschutz, die man an Frau Aigner selbst richtet, sofort an der richtigen Adresse und damit wirkungsvoller. Denn leider zeigt es sich, dass gute Anliegen im Petitionsausschuss des Bundestags verpuffen. Selbst wenn eine persönliche Anhörung des Petenten erreicht wird (dazu sind auf dem Petitionsserver des Bundestags 50.000 Unterschriften innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums nötig), passiert in der Regel nichts. Nach ein oder zwei Jahren schickt man dem Petenten eine Stellungnahme des Ausschusses zu. Meistens besagen diese, dass in der Sache nichts unternommen werden müsse.
Mit den Petitionen auf openPetition kann deutlich mehr Öffentlichkeit erzeugt werden und Entscheidungsträger/innen werden direkt mit den Forderungen der Bürger/innen konfrontiert. Nicht zuletzt durch die bei uns vorhandenen Vernetzungsmöglichkeiten der engagierten Menschen.
Die größten Erfolge von openPetition
Lars Sobiraj: Was war bisher der größte Erfolg einer Petition bei Ihnen?
Fritz Schadow: GEMA-Petition: Dass die GEMA Ende 2012 ihre für 2013 angekündigte Tarifreform gestoppt hat, ist einer der Höhepunkte. Dazu beigetragen haben nicht nur die mehr als 300.000 Unterschriften, sondern auch, dass die Initiatoren der Petition sich über openPetition mit den Unterstützer/innen vernetzt haben und so starke gemeinsame Protestveranstaltungen auf die Beine stellen konnten.
Genauso wichtig sind aber die vielen „kleinen“ Erfolge: Die drohende Abschiebung von Fabiola Cruz und ihren beiden kleinen Schwestern konnte verhindert werden: Die drei Mädchen gingen seit sechs Jahren in Hamburg zur Schule und Fabiola bereitete sich gerade mit glänzenden Noten auf ihr Abitur vor, als die Ausländerbehörde den Beschluss schickte. Ihr Geburtsland Honduras kennen die drei kaum. Fabiolas Klasse wollte sich das nicht bieten lassen: Die Schüler/innen haben eine Petition gestartet und Demonstrationen organisiert. Die Härtefallkommission lenkte schließlich ein.
Umweltschule genehmigt: Trotz erfolgreichem ersten Schuljahr sollte die Natur- und Umweltschule Dresden geschlossen werden – obwohl es in der Neustadt nicht genügend Plätze für alle Grundschul-Kinder gab. Engagierte Eltern und Lehrer/innen starteten die Petition an den Sächsischen Landtag und stellten die Verantwortlichen öffentlich zur Rede. Mit Erfolg: Die Schule ist jetzt eine anerkannte Ersatzschule.
Lars Sobiraj: Was war bislang die originellste Petition, die Sie hatten?
Fritz Schadow: Immer mal wieder probieren Leute aus, wie openPetition eigentlich funktioniert und legen dafür Spaßpetitionen an. Einmal hat man Papiertaschentücher aufgefordert, die sich in der Waschmaschine nicht immer in Fusseln aufzulösen. (Mehr davon findet man im Trollturm)
„Online-Petitionen und andere Formen politischer Mitwirkung (…) ergänzen sich.“
Lars Sobiraj: Glauben Sie, dass E-Petitionen eines Tages wichtiger sein werden als zum Beispiel politische Initiativen?
Fritz Schadow: Online-Petitionen und andere Formen politischer Mitwirkung schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. Die erste zentrale Bedeutung von Online-Petitionen besteht darin, dass durch sie Menschen schnell erkennen können, dass sie mit Ihrem Anliegen nicht allein da stehen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um den entscheidenden Schritt vom Wollen zum Handeln zu gehen. Denn das Wissen um eine große Menge Gleichgesinnter stärkt die Zuversicht, das Ziel erreichen zu können. Online-Petitonen legen die Initiative in die Hände von Bürger/innen und überlassen Politik nicht den Berufspolitiker/innen.
Die zweite Bedeutung besteht darin, dass Online-Petitionen Menschen mit dem gleichen Anliegen vernetzen können, so dass sie gemeinsam auch über die Petition hinaus aktiv werden können. Denn Online-Petitionen sind dann besonders erfolgreich, wenn sie durch Aktivitäten außerhalb des Internets ergänzt werden, z.B. dem direkten Dialog mit Entscheidungsträger/innen, Demonstrationen oder Protestveranstaltungen. Damit sich Menschen für solche Aktivitäten zusammenfinden und sie planen können, ermöglicht openPetition die Kommunikation zwischen den Initiatoren und den Unterstützen einer Petition. Online-Petitionen können somit der Kristallisationspunkt für wirkungsvolles gemeinsames Handeln sein. Aber nur, wenn sie Austausch und die Vernetzung unterstützen – so wie openPetition.
Der Petitionsausschuss des Bundestages ist zu indirekt
Lars Sobiraj: Welchen Zweck erfüllen private Plattformen, wenn es auch epetitionen.bundestag.de gibt?
Fritz Schadow: Die ePetitionen des Petitionsausschusses des Bundestags können ausschließlich an den Bundestag gerichtet werden. Das ist in vielen Fällen die falsche Adresse, zum Beispiel weil die Anliegen einen starken, regionalen/lokalen Bezug haben oder sich nicht an die Politik, sondern die Privatwirtschaft wenden.
Es ist wirkungsvoller, die zuständigen Politiker/innen direkt zu adressieren, als den umständlichen und langwierigen Weg über den Petitionsausschuss zu wählen. Unterschriftensammlungen auf dem ePetitions-Server des Bundestags haben ebenso wenig rechtliche Verbindlichkeit wie Petitionen auf privaten Plattformen. Selbst wir eine öffentliche Anhörung einer ePetition erwirken, entstehen daraus keine rechtlich verbindlichen Konsequenzen. Die Bundestags-Petition gegen die enorm steigenden Haftpflichtprämien für freiberufliche Hebammen zeigt dies deutlich: nach zweieinhalb Jahren wurden kosmetische Änderungen versprochen, die am eigentlichen Anliegen der Petition vorbei gehen. Der Druck auf und Zugang zu den Verantwortlichen ist mit privaten Petitionsplattformen wirkungsvoller.
Petitionen auf offenen Plattformen führen zu einer breiteren gesellschaftlichen Debatte, als die auf den Seiten von epetitionen.bundestag.de. Sie stellen mehr Öffentlichkeit her und erreichen zunehmend mehr Menschen.
Weiterführende Literatur
Lars Sobiraj: Herr Schadow, vielen Dank für das Gespräch.
Das war ein weiterer Teil unserer Interview-Serie mit den Machern von Online-Petitions-Plattformen. Wir sprachen mit Avaaz, Change.org, Campact, openPetition und dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Unseren einführenden Leitartikel zum Thema Clicktivsm aka Slacktivism kann man bei Interesse hier nachlesen.
Mein Dank gilt insbesondere Bernd Rohlfs, einem langjährigen Mitstreiter aus meiner Heimatstadt Neuss. Von ihm kam die Idee und viel Unterstützung bei der Realisierung dieser Interview-Serie. Ein Ausschnitt aus diesem Interview gelangte sogar in ein Schulbuch, um die Heranwachsenden über die Möglichkeiten und Grenzen von Online-Petitionen aufzuklären.
Tarnkappe.info