Clicktivism & Protest - Gespräch mit dem Vorstandsmitglied von Campact, Dr. Felix Kolb. Leider sind auch hier nicht alle Angaben transparent.
Dies ist ein weiteres Interview zum Thema E-Partizipation und Clicktivism. Wir sprechen mit Dr. Felix Kolb, einem der Geschäftsführer von Campact. Campact ist eine Organisation, die gemeinsam mit den über zwei Millionen Newsletter-Abonnenten (Stand 2019!) eigene Protestaktionen durchführt. Doch obwohl Campact Transparenz von Dritten verlangt, ist es beim Thema Finanzen selbst nicht dazu bereit. Wir haken mehrfach nach.
Campact: Protestaktionen inklusive
Campact ist im Vergleich zu Avaaz, Change.org (beide 2007) und openPetition (2010) deutlich älter. Die Organisation wurde bereits im Jahr 2004 nach dem Vorbild der US-amerikanischen Online-Plattform MoveOn gegründet. Geboten wird auch hier eine Web-basierte Bürgerbeteiligung, bei der Protest-E-Mails oder -Anrufe gebündelt an politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger gerichtet werden. Im Gegensatz zu den anderen Kampagnen-Netzwerken werden von Campact aber auch konkrete Protestaktionen geplant und durchgeführt. Es bleibt also nicht beim einfachen Mausklick vor dem heimischen Rechner.
Forderungen an Dritte sind andere als an sich selbst
Zwar setzt sich auch diese Nichtregierungsorganisation (NGO) für die Transparenz anderer Organisationen vehement ein, doch die eigene Finanzierung bleibt stellenweise im Dunklen. Wir erfahren auf Nachfrage, eine Bekanntgabe der Personen, die Campact die Anschubfinanzierung gegeben haben, ist nicht vorgesehen. Und das obwohl sich die Organisation vor mehreren Jahren dazu verpflichtet hat, Informationen zu den Zielen, der Mittelherkunft und ihren Entscheidungswegen laut den Richtlinien der Initiative Transparente Zivilgesellschaft zu veröffentlichen.
Die Frage ist allerdings, war Campact zum Zeitpunkt der Anschubfinanzierung bereits Mitglied der Initiative Transparente Zivilgesellschaft? Laut der eigenen Richtlinen von Transparency International Deutschland e.V. müssen Namen von juristischen Personen, deren jährliche Zahlungen mehr als 10 % des Gesamtjahresbudgets ausmachen, angegeben werden. Namen von natürlichen Personen hingegen nicht. Campact lehnt die Angabe der natürlichen Personen mit der Begründung ab, man würde die Großspender möglicherweise gefährden. Transparenz sieht unserer Meinung nach anders aus. Hier also unser Interview aus dem Jahr 2013:
Lars Sobiraj: Was ist Campact?
Dr. Felix Kolb: Bei Campact sind mehr als zwei Millionen Menschen aktiv (zum Zeitpunkt des Interviews im Jahr 2013 waren es noch 800.000). Sie beteiligen sich an gesellschaftlichen Debatten und nehmen Möglichkeiten wahr, die ihnen Campact im Internet vorstellt. Die Campact-Aktiven bringen sich auf vielfältige Weise ein: Sie unterzeichnen Appelle, informieren Freundinnen und Freunde, unterstützen Kampagnen durch Spenden oder Förderbeiträge und gehen bei Aktionen vor Ort, Aktionstagen oder bundesweiten Demonstrationen auf die Straße.
Vernetzt werden sie über den Campact-Newsletter, unsere Webseite www.campact.de und die sozialen Medien (ehemals, G+, bei Facebook, Instagram und Twitter) . Campact verbindet schnelles Handeln mit fantasievollen Aktionen, die Öffentlichkeit für eine sozial gerechte, ökologisch nachhaltige und friedliche Gesellschaft herstellen. Wir ermutigen Menschen, Politik auch jenseits von Wahlen mitzudenken und mitzugestalten. Unsere Aktivitäten ermuntern Politikerinnen und Politiker auf Bürgeranliegen zu reagieren. Dies stärkt unsere Demokratie als Ganzes.
Lars Sobiraj: Wann wurde die Organisation gegründet?
Dr. Felix Kolb: Campact startete Ende 2004.
Lars Sobiraj: Was bedeutet der Name?
Dr. Felix Kolb: Campact steht für die Verbindung von „Campaign“ und „Action“. Wir beschränken uns nicht auf Online-Appelle, sondern tragen gemeinsam die Anliegen der Campact-Aktiven direkt an die politischen Entscheiderinnen und Entscheider heran.
Lars Sobiraj: Welche Rechtsform hat Campact?
Dr. Felix Kolb: Campact ist ein anerkannt gemeinnütziger eingetragener Verein. Zudem haben wir uns der „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“ angeschlossen und informieren über unsere Arbeit nach deren Richtlinien.
Lars Sobiraj: Wer gab Campact das Gründungskapital?
Dr. Felix Kolb: Engagierte Menschen aus dem Umfeld der Bewegungsstiftung haben Campact den Start ermöglicht.
Rückfrage: Können Sie bitte nach Möglichkeit ein paar Namen nennen?
Dr. Felix Kolb: Nein, das ist nicht möglich. Wir orientieren uns an den Veröffentlichungsregeln der Initiative Transparente Zivilgesellschaft von Transparency International, die eine Veröffentlichung der Namen von natürlichen Personen nicht vorsehen.
Wer spendete die Anschubfinanzierung? Keine Antwort!
Lars Sobiraj: Entschuldigung, aber das klingt leider gar nicht transparent. Wie hoch war denn das Gründungskapital?
Dr. Felix Kolb: Ungefähr 150.000 Euro über zwei Jahre verteilt.
Lars Sobiraj: Welcher Einfluss ergibt sich daraus?
Dr. Felix Kolb: Die SpenderInnen des Gründungskapitals hatten keinen Einfluss auf inhaltliche, organisatorische oder sonstige Fragen. Die Spendenzusagen erfolgten auf Basis einer Projektskizze und waren ansonsten an keine Auflagen gebunden.
Lars Sobiraj: Wie finanziert sich Campact heute?
Dr. Felix Kolb: Wir haben viele Spender, die für einzelne Kampagnen spenden und mehr als 13.000 Fördermitglieder, die uns mit regelmäßigen Beträgen unterstützen. Beide Gruppen sichern jeweils etwa die Hälfte des Budgets. Die finanziellen Mittel von Campact werden also komplett von „Menschen wie Du und ich“ gesichert.
Lars Sobiraj: Wie viele Menschen arbeiten bezahlt bei Campact? Wie viele ehrenamtlich?
Dr. Felix Kolb: Das Campact-Team umfasst aktuell 21 Menschen, davon 8 in Teilzeit. Die Zahl der Ehrenamtlichen ist eine Frage der Definition. Wir sehen das so: Sobald uns Menschen ihre Aufmerksamkeit, ihre Zeit und verschiedenen Formen der Unterstützung schenken, sind sie Aktive und ehrenamtlich engagiert. Manche sind örtlich, familiär, beruflich oder gesundheitlich so gebunden, dass sich ihr Engagement auf Online-Appelle konzentriert. Andere können auch an Kundgebungen und Aktionen teilnehmen. Bei dezentralen Anti-Atom-Demos oder aktuell umFAIRteilen-Aktionen zur Einführung einer Vermögenssteuer machen mehrere Zehntausend Menschen mit.
Aktionen zumeist auf EU- und Bundesebene
Lars Sobiraj: Auf welche politischen Räume beziehen Sie sich, zum Beispiel Bund, Länder, Unternehmen?
Dr. Felix Kolb: Die meisten Kampagnen adressieren die Bundesebene, öfter auch die EU-Ebene. Wenn ein landesweites Problem bundesweit ausstrahlt wie zum Beispiel Stuttgart 21, können wir auch das aufgreifen. Unternehmenskampagnen sind die Ausnahme, weil wir vorrangig die Politik in der Verantwortung sehen, die Rahmenbedingungen für verantwortungsvolles Unternehmenshandeln zu setzen.
Lars Sobiraj: Sie machen sowohl Kampagnen als auch Petitionen?
Dr. Felix Kolb: Die Online-Appelle sind ein wichtiger Baustein jeder Kampagne, da hier die Meinungen von Bürgerinnen und Bürgern zu einer anstehenden politischen Entscheidung abgebildet werden. Diese Meinung in die Öffentlichkeit zu bringen, zu den Entscheiderinnen und Entscheidern zu transportieren und damit Politikänderungen zu bewirken, ist das Ziel der darauf aufbauenden Kampagnen.
Lars Sobiraj: Wie kann ich als Bürger eine Petition bei Ihnen anstoßen?
Dr. Felix Kolb: Kampagnenvorschläge kamen bisher vor allem über das Kontaktformular unserer Website. Da wir jedes Jahr nur etwa zwei dutzend Kampagnen machen, die wir intensiv führen, durchlaufen sowohl unsere eigenen als auch die von Campact-Aktiven vorgeschlagenen Kampagnenthemen einen ausführlichen Prüfprozess und eine Strategieentwicklung. Wir sind dabei, diesen Prozess noch zu verstärken, starten gerade eine Kooperation mit openpetition.de und planen weitere Elemente für campact.de.
Endfassung der Petitionen verfasst das eigene Redaktionsteam.
Lars Sobiraj: Prüfen Sie den Inhalt der Petitionen?
Dr. Felix Kolb: Die Endfassung der Online-Appelle übernimmt ein Redaktionsteam. Bei Kampagnen arbeiten wir meist mit Partnern wie attac, BUND oder Oxfam zusammen, die ihre Spezialkenntnisse zum jeweiligen Thema einbringen. Bei grundsätzlich interessanten Kampagnenthemen befragen wir zudem eine Zufallsauswahl von 5.000 Campact-Aktiven, ob sie das Thema relevant finden und sich dafür engagieren wollen.
Lars Sobiraj: Haben Sie auch schon einmal eine Petition abgelehnt?
Dr. Felix Kolb: Aufgrund der Umfrageergebnisse haben wir etliche Kampagnen nicht gestartet, etwa zum Banken-Rettungsschirm oder der Quotierung von Aufsichtsräten, weil es dafür unter den Campact-Aktiven nicht genug Rückhalt gab.
Lars Sobiraj: Wie können Sie eine Petition unterstützen?
Dr. Felix Kolb: Jeder Online-Appell ist in eine Gesamtstrategie für das Kampagnenthema eingebunden. Ob öffentliche Unterschriftenübergabe, etwa an Bundesministerinnen und -minister, Aktionen mit Großpuppen, Telefonappell, bundesweite oder dezentrale Demonstrationen – das Spektrum der Kampagnenelemente hängt von der Thematik und der politischen Entwicklung ab. Wir reagieren prompt.
Wir werden die Teilnahmemöglichkeiten nach und nach weiter ausbauen – online wie bei Vor-Ort-Aktionen. Bei der Kampagne „Privatkopie ist kein Verbrechen“ hatten wir zum Beispiel eine Aktion, bei der Aktive ein Foto in ein „Onlinegefängnis“ hochladen konnten. Ein anderes Mal haben sie Slogans vorgeschlagen und bewertet. Die besten wurden dann auf Großplakate gedruckt und öffentlich plakatiert.
Diskutieren im Blog, kein Forum vorhanden
Lars Sobiraj: Gibt es eine Foren-Funktion, mit der man Petitionen diskutieren kann?
Dr. Felix Kolb: In unserem Blog, in dem wir zu aktuellen Entwicklungen von Kampagnen und Aktionen berichten, können Interessierte und Aktive kommentieren und diskutieren – wie natürlich auf unseren Facebook-Seiten auch. Wir lesen all diese Kommentare und reagieren auf sie.
Lars Sobiraj: Wie kann man als Bürger mitmachen und eine Petition unterstützen, welche persönlichen Daten muss man eintragen?
Dr. Felix Kolb: Für einen Online-Appell sind Name, E-Mail-Adresse, Postleitzahl und Ort erforderlich. Die Unterzeichnung wird per Double-Opt-In bestätigt. Das heißt, wir verifizieren, dass die angeben Mail-Adresse auch wirklich den Unterzeichnenden gehört. Die Unterschriften sind nicht öffentlich, ich muss also keine Angst haben, meinen Namen plötzlich auf irgendeiner Webseite zu sehen. Zu zentralen wie dezentralen Aktionen und Kundgebungen laden wir die Campact-Aktiven der jeweiligen Region ein.
Lars Sobiraj: Haben Sie einen Pool von Adressen? Wie viele Adressen sind dort hinterlegt? Wie werden diese Daten genutzt?
Dr. Felix Kolb: Derzeit bekommen etwa 850.000 Menschen den Campact-Newsletter (Stand 2013 – mittlerweile sind es über zwei Millionen). Mit unserer neuen Kampagnensoftware Krautbuster werden wir nach und nach die Vernetzung zwischen den Campact-Aktiven ausbauen.
Lars Sobiraj: Wie stellen Sie den Datenschutz sicher?
Dr. Felix Kolb: Wir haben unser Datenschutzkonzept mit professionellen Datenschützern zusammen erarbeitet. Wir wenden das Double-Opt-In-Verfahren für die Appelle an. Sämtliche unserer Webseiten sind über https-Protokoll und SSL mit 256 Bit verschlüsselt, entsprechen also aktuellen Sicherheitsstandards. Alle Nutzer können in ihrem Profil einsehen, welche Informationen im Zusammenhang mit ihren Aktivitäten auf Campact.de wir speichern. Unsere Daten liegen auf Servern von deutschen Anbietern, sodass auch diese an die Einhaltung der strengen deutschen Bestimmungen gebunden sind.
Lars Sobiraj: In welchen Staaten der Erde operieren Sie?
Dr. Felix Kolb: Wir konzentrieren uns auf Deutschland und die deutsche EU-Politik. Zudem intensivieren wir gerade den Kontakt zu führenden anderen online-gestützten Organisationen wie MoveOn aus den USA, GetUp in Australien oder 38degrees in Großbritannien.
Lars Sobiraj: Wie viele Petitionen gab es schon insgesamt?
Dr. Felix Kolb: Insgesamt über 50 (im Jahr 2013) – 2012 waren es rund 20.
Keine Übersicht über die Petitionen vorhanden
Lars Sobiraj: Wo findet man eine Liste darüber?
Dr. Felix Kolb: Es gibt hier eine thematische Übersicht und eine Chronologie. Dieser Teil der Website wird derzeit aber grundlegend überarbeitet. Zudem gibt es den ausführlichen Transparenzbericht.
Lars Sobiraj: Was war die bislang erfolgreichste Petition?
Dr. Felix Kolb: Die Campact-Aktiven haben 2009 zusammen mit einem breiten Bündnis anderer Organisationen das Verbot des Genmais Monsanto MON810 erstritten, sie haben mehrfach dazu beigetragen, die Transparenzregeln für Mitglieder des Bundestags festzulegen und zu verschärfen.
Ende letzten Jahres haben wir das Steuerabkommen mit der Schweiz, das Steuerbetrüger hätte davonkommen lassen, mit verhindern können. Die Campact-Aktiven hatten auch an den Massenprotesten nach Fukushima einen bedeutenden Anteil – und haben so geholfen, die beschlossene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke zu kippen. Der zugehörige Online-Appell hatte mehr als 300.000 Unterzeichnende.
Lars Sobiraj: Wie geht der Deutsche Bundestag mit Petitionen via Campact um? Welche Petitionen von Ihnen wurden bisher im Bundestag behandelt?
Dr. Felix Kolb: Unsere Kampagnen adressieren in der Regel Ministerinnen und Minister, die Regierung oder auch Vorsitzende von Ausschüssen des Bundestags oder der Fraktionen. Es ist Voraussetzung für eine Kampagne, dass eine politische Entscheidung dazu ansteht, also dass sich Kabinett, Bundestag oder Bundesrat mit dem Thema befassen. Wir übergeben die Appelle regelmäßig persönlich an die adressierten Entscheidungsträger. Wir haben auch schon in Ausschusssitzungen Appelle überreicht.
„Bei uns steht nicht im Fokus, ob ein Online-Appell originell ist.“
Lars Sobiraj: Welche Petition fanden Sie bislang am originellsten?
Dr. Felix Kolb: Bei uns steht nicht im Fokus, ob ein Online-Appell originell ist, sondern ob er politisch wirksam wird. Dank der strategischen Kampagnenauswahl haben wir da eine gute Bilanz.
Lars Sobiraj: Was kann man mit Petitionen erreichen?
Dr. Felix Kolb: Online-Appelle sind ein wichtiges Element, um die Meinung vieler Bürgerinnen und Bürger zu einer bestimmten politischen Entscheidung in kurzer Zeit sichtbar zu machen. Durch journalistisch aufbereitete, übersichtlich zusammengefasste Hintergrundinformationen zum Thema wird politische Bildung ermöglicht und eine niedrigschwellige Form politischer Beteiligung.
Doch Online-Appelle allein verlieren sich schnell im virtuellen Raum. Entscheidend ist, die politischen Forderungen noch weiter in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, Dialoge oder auch Konfrontationen zu suchen und ihnen so durchzusetzen. Da sich Campact auf eine überschaubare Anzahl von Anliegen konzentriert und die Campact-Aktiven sich vielfältig einbringen, erreichen wir auch viel.
Bürger nicht politik- sondern parteienmüde
Lars Sobiraj: Kann man mit Clicktivism in Form von Online-Petitionen tatsächlich politikmüde Bürger aktivieren?
Dr. Felix Kolb: In der Frage liegen zwei Thesen, die wir nicht uneingeschränkt teilen. Wir glauben nicht, dass Bürgerinnen und Bürger generell politikmüde sind, sondern höchstens zeitweise wahl- und parteienmüde, weil die Art des politisch-institutionellen Systems sich in letzter Zeit kaum weiter entwickelt hat. Entsprechend sinkt die Bereitschaft, es pauschal mitzutragen. Wenn Nichtwähler die größte Gruppe bilden und viele Parteien scharenweise Mitglieder verlieren, ist das ein Ausdruck davon.
Dass nicht wenige Online-Appelle Versprechungen Richtung „schnelle Weltrettung“ enthalten und ich jeden zweiten Tag „Die letzte Chance für …“ per Mausklick wahren soll, sind die negativen Seiten der immer noch wachsenden Popularität von Online-Petitionen. Hier sehen wir eine große Verantwortung der Petitionsportale und Kampagnen-Organisationen wie auch den Bedarf für Beratung und die Schulung von Petenten solcher Portale.
Während auf lokaler oder regionaler Ebene eine Vielfalt und Vielzahl wünschenswert ist, braucht es auf Bundes- oder EU-Ebene konzertierte Vorgehensweisen. Daher kooperiert Campact wie kaum eine andere Kampagnenorganisation mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen und jagt auch nicht jedes Thema durchs Netz.
Nicht jedes Thema durchs Netz jagen
Lars Sobiraj: Es gibt viele Anbieter von Petitionen. Wo und in welcher Form wäre ein Missbrauch möglich?
Dr. Felix Kolb: Nur weil ein Online-Appell viele Unterstützende hat, bewirkt dies nicht automatisch politische Veränderungen. Wer hier falsche Erwartungen bei den Teilnehmenden weckt, fördert Frust anstatt politisches Engagement zu fördern. Denn auch die Newsletter zu lesen und an Onlineappellen teilzunehmen ist Engagement und eine Zeit- und Kraftspende. Die fehlende Absicherung vieler Petitionsportale durch zumindest ein Double-Opt-In schwächt die Glaubwürdigkeit von Onlineappellen.
Lars Sobiraj: Was ist zu beachten, damit eine Petition eine politische Wirkung zeigt, welche Faktoren tragen dazu bei?
Dr. Felix Kolb: Es muss eine politische Entscheidung zu dem Thema der Petition anstehen oder diese initiiert werden. Die Adressaten der Petition müssen auch die wirklich Zuständigen sein. Die Petition sollte sich nicht allein auf den virtuellen Raum beschränken, sondern bedarf der weiteren Kommunikation und Folgeschritten in einer breiteren Öffentlichkeit. Wenn den Entscheiderinnen und Entscheidern klar wird, dass ein Thema viele Bürgerinnen und Bürger stark bewegt, hat das Wirkung.
Lars Sobiraj: Herr Dr. Kolb, vielen Dank für das Gespräch.
Anmerkung:
Unseren Leitartikel zum Thema Clicktivism kann man hier nachlesen. Außerdem existieren bereits Interviews mit Avaaz und Change.org. Derzeit stehen noch die Interviews mit openPetition und dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags aus.
Vielen Dank an Bernd Rohlfs von der Gesellschaft für freie Informationssysteme (gfi), für die Unterstützung bei der Realisierung dieses Interviews. Wir haben gemeinsam mehrere Monate an dieser Interview-Reihe gearbeitet. Unser Dank gilt auch archive.fo. Ohne deren archivierten Beiträge von gulli.com wäre eine Zweitveröffentlichung gar nicht möglich gewesen. Beim News-Portal gulli.com sind die Interviews ursprünglich im Frühjahr des Jahres 2013 erschienen.
Wir haben zwischenzeitlich befürchtet, dass diese Gesprächsreihe, die in Teilen sogar in einem Schulbuch veröffentlicht wurde, für immer verloren ist.
Tarnkappe.info