Die Vorratsdatenspeicherung soll u.a. auf soziale Medien und Messengerdienste ausgeweitet werden. Weitere Befugnisse sollen erweitert werden.
Das Innenministerium will jetzt für eine umfassendere Vorratsdatenspeicherung sorgen. Sie wird nun ausgeweitet auch auf soziale Netzwerke und Messengerdienste. Bei der Videoüberwachung soll künftig auch Gesichtserkennung erlaubt sein, die direkt mit Fahndungsdatenbanken abgeglichen wird. Das berichtete das Blog Netzpolitik.org.
Der neue Maßnahmenkatalog soll es möglich machen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière fordert eine stärkere Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung (VDS) in Deutschland. „Die rechtliche Trennung von Telekommunikationsdiensten und Telemediendiensten, soweit diese zur Kommunikation genutzt werden, ist überholt“, heißt es in einem 16-seitigen Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung, den der CDU-Politiker am Donnerstag in Berlin vorstellte. Es dürfe bei Straftätern keinen Unterschied machen, „ob sie telefonieren, die Sprachtelefonie-Funktion von Messengerdiensten nutzen, Nachrichten schreiben oder über soziale Medien kommunizieren“.
Messengerdienste sollen in die Pflicht genommen werden
In der Pressekonferenz sagte der Innenminister, dass beide Bereiche denselben Verpflichtungen unterliegen sollten, wenn sie denn zur Kommunikation genutzt würden. Im Kern geht es ihm darum, die Vorratsdatenspeicherung und die TKÜV auch auf Telemedien anzuwenden. Da fast alle Telemedien, von Onlinespiel bis zum Blog, auch zur Kommunikation genutzt werden können, würde dies die Ausweitung der VDS auf fast das gesamte Internet bedeuten.
Insofern wäre es nunmehr an der Zeit, die bisherige Trennung von „Telekommunikationsdiensten“ und „Telemediendiensten“ aufzuheben. Telekommunikationsdienste wie Telefon- oder Internetanschluss fallen unter das Telekommunikationsgesetz (TKG) und damit unter die Vorratsdatenspeicherung (VDS) und die Telekommunikationsüberwachungs-Verordnung (TKÜV). Zu den Telemediendiensten hingegen gehören fast alle Angebote im Internet: Webshops, Messengerdienste, Suchmaschinen, Informationsdienste, Podcasts, Chatrooms, Dating-Communitys, Webportale, private Websites und Blogs. Sie alle fallen unter das Telemediengesetz (TMG).
Vorratsdatenspeicherung soll auf Skype & Co. ausgeweitet werden
In der weiteren Folge bedeutet das, dass Anbieter wie Skype, Whatsapp oder Facebook künftig auch die Verbindungsdaten ihrer Nutzer zehn Wochen lang auf Vorrat speichern müssten. Zudem müssten sie Schnittstellen gemäß der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) bereitstellen. Da Whatsapp beispielsweise eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eingeführt hat, wäre ein Zugriff auf die Inhalte allerdings nur direkt über das Handy von Verdächtigen selbst möglich.
Die Große Koalition hatte im vergangenen Jahr die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Bislang waren Messengerdienste wie Skype oder Whatsapp oder auch E-Mail-Dienste davon ausgenommen. Der Bundesrat hatte bereits im April eine Neuregelung für Messengerdienste gefordert. Allerdings greift de Maizière (noch) nicht die Forderung Bayerns auf. Dort will man die Vorratsdaten länger als zehn Wochen speichern. Zudem verlangt er außerdem (noch) nicht, diese speziellen Messenger-Daten auch den Geheimdiensten zugänglich zu machen.
Zusammenfassung:
Unter der Parole: „Das Internet darf kein Schutzraum für Kriminelle sein“, will man die bereits angekündigte „Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich“ (Zitis) rasch aufbauen. Sie soll für die Behörden Verschlüsselung knacken. De Maizière will dort nun „die technischen Fähigkeiten der Cyberaufklärung“ insgesamt bündeln. Zitis soll Polizeien und Geheimdienste von Anfang 2017 an als „Forschungs- und Entwicklungsstelle unterstützen und Methoden, Produkte und Strategien zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus im Internet erarbeiten und bereitstellen“. Insgesamt plant der Minister 400 Beschäftigte dafür ein.
Den Bund will man mit spezialisierten Cyber-Ermittlern besser aufstellen, um im „Darknet“ gezielt etwa gegen illegalen Waffenhandel vorzugehen oder Kommunikation zwischen Terroristen abzuhören. Für Telekommunikationsanbieter und Betreiber von Telemediendiensten sowie „Over the Top“-Services wie WhatsApp oder Skype sollen die gleichen Regeln und Pflichten gelten.
Videoüberwachung
Im Rahmen einer ausgeweiteten Videoüberwachung will man bis 2019 rund 20 wichtige Bahnhöfe mit modernster Technik aufrüsten. Anträge für das Aufstellen von Kameras in Einkaufszentren oder anderen öffentlichen Räumen gilt es nun stärker im Hinblick auf „Sicherheitsbelange“ zu prüfen.
Auch beim Einsatz der Biometrie „müssen wir uns technologisch weiterentwickeln“, forderte de Maizière. Das BKA soll seine Fähigkeiten beim Einsatz neuer biometrischer Verfahren verbessern. Das Lichtbild und Gesichtserkennungssysteme sollten „perspektivisch mit einer vergleichbaren Zuverlässigkeit wie der Fingerabdruck zur Identifizierung einer Person beitragen“. Wenn die Polizei derzeit jemand zur Fahndung ausschreibe, hängen sie Plakate an eine Litfaßsäule. Künftig könne er sich einen automatisierten Abgleich von Gesichtsbildern vorstellen, wenn etwa „ein gesuchter Schwerverbrecher in den Bahnhof geht“. „Das Lichtbild und Gesichtserkennungssysteme sollen perspektivisch mit einer vergleichbaren Zuverlässigkeit wie der Fingerabdruck zur Identifizierung einer Person beitragen“, heißt es.
Auf europäischer Ebene will de Maizière allen deutschen Sicherheitsbehörden Zugriff auf das geplante Ein- und Ausreiseregister verschaffen. Das entsprechende Gesetzgebungsverfahren solle Ende 2016 abgeschlossen sein. Geplant ist weiterhin, „unseren allgemeinen IT-Einsatz“ auszubauen und zu optimieren. Automatisierte Abrufverfahren müsste man hierzulande und europaweit stärker nutzen. Außerdem müsse man das polizeiliche Informationswesen harmonieren, „damit Daten übergreifend analysiert und ausgewertet werden können“.
Fazit
Der IT-Branchenverband Eco kritisierte die Pläne zur Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung als „puren Aktionismus“. „Damit würden technologisch hochkomplexe und immens teure Verfahren, die für Telekommunikationsanbieter gelten, auf alle Dienste ausgeweitet“, sagte Eco-Vorstand Oliver Süme. Es gebe bereits Verpflichtungen zur Auskunft und Herausgabe persönlicher Daten, die für alle Dienste bindend seien. Weitere gesetzliche Verschärfungen seien daher nicht notwendig.
Nach Ansicht von Eco wäre es sinnvoller, das Geld in die Förderung der IT-Ausstattung und Kompetenzen bei Polizei und Staatsanwaltschaften zu investieren. Besorgniserregend seien die Vorschläge zur Gleichstellung der Telekommunikations- und Telemediendienste. Und dies, „weil sie automatisch zum Türöffner werden könnten, um die Auflagen der Vorratsdatenspeicherung noch vor Inkrafttreten unverhältnismäßig und verfassungswidrig auszuweiten“. Bislang werden die Verbindungsdaten von Telekommunikation sowie die Standortdaten von Handys noch nicht von den Anbietern gespeichert, da noch keine technischen Vorgaben beschlossen und umgesetzt wurden. Eco hatte zuletzt die geplanten Vorgaben der Bundesnetzagentur scharf kritisiert.
Inwieweit die Vorschläge auf Zustimmung des Koalitionspartners SPD stoßen, ist noch unklar. Parteichef Sigmar Gabriel signalisierte zumindest Gesprächsbereitschaft. Er sagte: „Die SPD ist bereit, über alles zu reden, was dazu beiträgt, die Sicherheit weiter zu erhöhen.“
Tarnkappe.info