Video-Chats, Bundesverfassungsgericht
Video-Chats, Bundesverfassungsgericht

USA: Gefängnisse profitieren von kostenpflichtigen Video-Chats

Auch im Gefängnis von Benton, Arkansas, führt man ab September kostenpflichtige Video-Chats ein. Die Gefängnisse profitieren finanziell davon.

Auch im Gefängnis von Benton, Arkansas, werden ab September kostenpflichtige Video-Chats eingeführt. Dann dürfen nur noch Anwälte persönliche Gespräche mit den Insassen führen. Alles andere läuft ausschließlich über komplett überwachte Video-Telefonate. Die Angehörigen müssen die Gebühren für mindestens 15 Minuten in Vorkasse entrichten.

Regulär keine persönlichen Besuche mehr

Ab nächsten Monat wird es im Benton Country Jail auch für enge Angehörige keine persönlichen Besuche mehr geben. Dann dürfen nur noch Anwälte in das Gefängnis, um im gleichen Raum Gespräche mit ihren Klienten zu führen. Die Nutzung von Smartjailmail.com kostet kostet 50 US-Cents pro Minute, die Angehörigen müssen jeweils mindestens die Gebühren von 15 Minuten in Vorkasse bezahlen. Natürlich setzt die Nutzung eine Identifikation der Anrufer voraus.

Ein Sprecher des Sheriff-Büros in Benton gab bekannt, dass die Eliminierung persönlicher Besuche das Einschleusen von Schmuggelware merklich verringern würde. Außerdem könne man so die Arbeitsstunden der Mitarbeiter einsparen, die ansonsten derartigen Besuchen beiwohnen müssten. So ganz stimmt das aber nicht. Weil auch die Video-Gespräche pausenlos abgehört werden. Für weit entfernt lebende Familienmitglieder bzw. Freunde soll es nun angeblich einfacher sein, die Gefängnisinsassen zu sehen. Und sei es auch nur auf einem Bildschirm.

Video-Chats lassen die Kasse klingeln!

Video-Chats erfreuen sich bei den Gefängnissen wachsender Beliebtheit. Mittlerweile sollen es innerhalb der USA schätzungsweise etwa 600 Gefängnisse geben, die die Videoanrufe einsetzen. Ziel der Aktion ist es, persönliche Besuche deutlich zu reduzieren. Oder sogar komplett zu eliminieren. Für die Gefängnisse ist die Angelegenheit lukrativ. Sie erhalten einen recht hohen Prozentsatz (20 bis 25 Prozent) der Gebühren, die die Angehörigen online entrichten müssen, wollen sie den Gefangenen überhaupt zu Gesicht bekommen. Ein Gespräch mit 15 Minuten Länge schlägt mit 7,5 US-Dollar zu Buche, diese Summe muss vor der Nutzung von Smartjailmail.com sowieso vorab pauschal entrichtet werden.

Unzumutbare finanzielle Belastung

Die NGO American Correctional Association (ACA) kritisiert seit Anfang des Jahres, dass die neue Technologie mit den Video-Chats grundsätzlich keine unzumutbare finanzielle Belastung für die Familien und Freunde der Insassen darstellen darf. Die Gefängnisse befinden sich sowieso in einer juristischen Grauzone. Ihnen wird vorgeschrieben, bei Haftstrafen von mehr als 30 Tagen persönliche Besuche zu gestatten.

Strafvollzugsbeamte sollten die Kommunikation zwischen den Gefangenen und ihren Familien fördern. Das schließt auch den Einsatz von Video-Chats ein. Der Gesetzgeber setzt allerdings voraus, dass die Video-Telefonie nicht den persönlichen Kontakt ersetzen soll. Der Oberste Gerichtshof der USA hat die Frage leider bisher nicht geprüft, ob es für die Gefangenen überhaupt ein Anrecht auf persönliche Besuche gibt. Wäre dies der Fall, könnte man sein Besuchsrecht einklagen.

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.