madmetzi, usenetrevolution.info, usenet-razzia
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usenetrevolution.info: Bustwelle weitet sich aus, Maulwurf beteiligt?

Neben town.ag und usenet-town.com wurden weitere Usenet-Portale wie z.B. usenetrevolution.info hochgenommen. Der Polizei soll ein Maulwurf geholfen haben.

Laut einer neuen Pressemitteilung wurden neben town.ag und usenet-town.com weitere Usenet-Portale wie z.B. usenetrevolution.info hochgenommen. Gut informierte Kreise besagen, dass den Ermittlern ein Maulwurf geholfen haben soll. In der Folge sind die meisten deutschsprachigen Usenet-Foren vorsichtshalber offline gegangen. Für die Nutzer der beschlagnahmten Foren-Server soll wohl hingegen keine Gefahr bestehen.

usenetrevolution.info war wohl nur der Ausgangspunkt

Wie die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) – und das Hessische Landeskriminalamt (HLKA) mitteilen, so folgte im Zuge der Ermittlungen auf die gestrigen Abschaltungen der Internetportale aus der Usenet-Szene, www.town.ag und www.usenet-town.com, eine weitere. Dieses Mal traf es das illegale Download-Portal „usenetrevolution.info“.

In einem bundesweiten Ermittlungsaktion erfolgten weitere Durchsuchungsmaßnahmen, gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen. In diesem Fall waren von der Razzia 42 Personen in 13 Bundesländern betroffen, die einer gewerbsmäßig unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke verdächtigt werden.

Ein 49-Jähriger aus dem Wetteraukreis in Hessen gilt als Hauptverdächtigter. Er soll sich als Administrator um den Betrieb von usenetrevolution.info gekümmert haben, aber auch seine 39-jährige Ehefrau scheint involviert zu sein. Sie soll unter anderem urheberrechtlich geschütztes Material hochgeladen und die Website mitorganisiert haben. An dem Portal waren aber offenbar Helfer aus ganz Deutschland beteiligt. Die Staatsanwaltschaft durchsuchte Wohnungen unter anderem in Berlin, Dresden, Hamburg und Stuttgart.

Die Verdächtigten rangieren von einem Alter von 23 bis 72 (!) Jahren. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) – und das Hessische Landeskriminalamt (HLKA) sowie Generalstaatsanwaltschaften und Staatsanwaltschaften anderer Bundesländer haben zahlreiche Beweismittel, insbesondere Computer und Datenträger sichergestellt. Laut Pressemitteilung wurden auf dem Portal eine Vielzahl an Schwarzkopieren von Kinofilmen, TV-Serien, Musik, Software, Computerspielen und E-Books angeboten, ohne hierfür Gebühren an die Rechteinhaber abzuführen. Zuletzt umfasste das Download-Portal etwa 27.000 Mitglieder. Den Rechteinhabern könnte durch die Plattform ein Schaden in Höhe von 2,9 Millionen Euro entstanden sein, heißt es. Die Angebote wurden nach GVU-Analysen zuletzt mehrere Millionen Mal pro Monat besucht.

Parallel zu den Hausdurchsuchungen ließen Staatsanwaltschaft und Polizei die zuvor lokalisierten Server vom Netz nehmen. Zudem schalteten sie mit Unterstützung örtlicher Behörden eine Vertriebsseite für Usenet-Zugänge in den Niederlanden und in Frankreich ab. Dadurch ging das Portal „usenetrevolution.info“ am Mittwoch (8.11.2017) vom Netz.

Alle Usenet-Foren in Deutschland offline gegangen

An den Ermittlungen beteiligten sich neben der hessischen Generalstaatsanwaltschaft und dem hessischen Landeskriminalamt unter anderem das BKA, die europäische Justizbehörde Eurojust und Staatsanwaltschaften aus 12 weiteren Bundesländern. Laut Information von Usenet1.de wurden die Seiten town.ag, usenetrevolution, nfo-underground.xxx und usenet-town.com sowie die Usenet-Provider speeduse.net und ssl-news.info stillgelegt. Weitere Boards seien freiwillig offline gegangen, darunter Ghost of Usenet, Usenet Space Cowboys, Wolfsteamers oder Lords of Usenet.

Laut Oberstaatsanwalt Alexander Badle, einem Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main, habe der Verein Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) aus Berlin die Behörden auf das Portal hingewiesen. Die GVU habe diesen „Zusammenbruch der deutschsprachigen Usenet-Portalseitenszene“ durch umfangreiche Vorermittlungen und Stellung von Strafanträgen initiiert und zudem die Verfahren intensiv unterstützt. Die GVU trug mit einer Sammlung zahlreicher Indizien und Dokumentationen gegen Verantwortliche von zentralen Usenet-Portalseiten wesentlich zum Ermittlungserfolg bei. Nach dem Ansatz „follow-the-money“ lag dabei ein Hauptaugenmerk auf dem Zusammenwirken von Portalseiten und Usenet-Providern. Das heißt, sie haben die Geldströme zwischen den Usenet-Providern und den Betreibern der Usenet-Foren verfolgt, um die Betreiber aufzudecken.

Nur NBZ-Dateien angeboten

Über Usenetrevolution.info wurden nicht die Inhalte (Filme, Software etc.) vertrieben, sondern lediglich die «nzb»-Dateien angeboten. Diese Hilfsdateien funktionieren ein bisschen so ähnlich wie Magnet-Links bzw. Torrent-Dateien. Sie enthalten eine Verknüpfung zu Usenet-Gruppen, in die die Inhalte zuvor (von Dritten) hochgeladen worden sind. Usenetrevolution.info selbst war also eine Art Datenbank für im Usenet angebotenen Inhalte. Die Mitglieder von Usenetrevolution.info hätten sich über das Usenet die Dateien auf ihre Rechner geladen, ein dezentrale Netzwerk, das parallel zum World Wide Web läuft. Die Inhalte der Binärbretter des Usenet sind nur zugänglich, sofern man über einen kostenpflichtigen Account bei einem Usenet-Provider verfügt.

Die Betreiber haben versucht, den Zugang nach außen abzuschotten„, äußert sich Badle zum aktuellen Fall. Zusammen mit IT-Experten habe man aber die Server in den Niederlanden und Frankreich lokalisieren können.

gvu, tarnkappe magazinDie Nutzer hat man nach Polizeiangaben mit einer aktuellen Auswahl an Downloads angelockt: „Auf dem Server wurden zahlreiche Hollywood-Blockbuster und aktuelle Videospiele angeboten„, sagt Badle. Durch kryptische Zeichen in der Beschreibung der Dateien stellten die Verantwortlichen sicher, dass die über ihre Seite erreichbaren Inhalte nicht von anderen Usenet-Besuchern nutzbar sind. Kostenpflichtige und prominent beworbene Usenet-Provider hätten eine Haupteinnahmequelle gebildet. Aufgrund der Affiliate-Programme haben die Betreiber des Portals an der Vermittlung der kostenpflichtigen Usenet-Accounts verdient. Derzeit wird laut Badle vor allem gegen die Administratoren ermittelt. Doch auch die Mitglieder haben aus seiner Sicht Rechtsverstöße begangen: „Was mit den angemeldeten Nutzern passiert, darüber machen wir uns in den kommenden Wochen Gedanken.

Usenet: Foren-Nutzer wahrscheinlich nicht gefährdet

In einer Pressemeldung erklärte ein Kölner Anwalt. „Die Nutzer der Plattformen selbst dürften wohl dennoch meistens keine rechtlichen Konsequenzen fürchten. Denn anders als bei Streamingplattformen wie kino.to oder anderen greifen die Nutzer hier nicht über den Server der Boards selbst auf die Dateien zu und rufen diese direkt darauf ab, sondern über die allgemeinen Usenet-Rechenzentren. Dies führt dazu, dass die Ermittlungsbehörden wahrscheinlich keine konkreten Rechtsverletzungen der Boardnutzer belegen können.“ Allerdings sei das Gerücht, dass durch ein kostenpflichtiges Abo die Illegalität für zahlende Nutzer nicht erkennbar sei, falsch. Wenn die Nutzer auf einem Board eine regelmäßige Abogebühr für die Nutzung entrichten mussten, könnte ihnen laut Solmecke unter Umständen sogar eine Beihilfe zu Urheberrechtsverletzungen angelastet werden, da sie die Plattform und ihre Aktivitäten finanziell gefördert hätten. Die Plattformbetreiber verdienten so nach Angaben der Ermittler Millionen Euro.

usenetrevolution.info & Co.: Wie wurde man der Betreiber habhaft?

Aus gut informierten und nicht minder seriösen Quellen hörten wir, dass es einen Maulwurf geben soll, der GVU bzw. Polizeien bei ihren Ermittlungen aktiv unterstützt hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach folgte man der Spur des Geldes, um die Aussagen des Maulwurfes zu überprüfen.

Die GVU bezeichnet das Usenet zudem als „Schlupfloch“ wegen des steigenden Verfolgungsdrucks, der in den vergangen Jahren auf den Share- und Streaminghoster-Bereich gelastet hat. Nach der Verurteilung der kino.to-Betreiber, der Abschaltung von Megaupload und dem Ende von RapidShare soll der digitale Untergrund vermehrt ins Usenet abgewandert sein. Dieser Druck sei nochmals angewachsen, nachdem im Jahr 2014 Foren wie Boerse.bz und Leecher.to abgeschaltet wurden und man auch gegen deren Uploader juristisch vorging. Anmerkung. Im Fall von Leecher.to wurden die Stecker nach unserem Wissensstand selbst gezogen, statt durch die GVU.

War’s das für die Usenet-Szene in .de?

Nein. Beispielsweise das deutschsprachige Forum usenet-4all.info ist noch online. Ergänzung: allerdings sind nach Angaben unserer Leser die Warez-Bereiche ausgeblendet worden. Bei art-of-use.net wird aktuell nur noch als Statusmeldung „Blubbb…“ angezeigt. Bei newz-complex.org sind angeblich Wartungsarbeiten im Gange. Wer’s denn glaubt!? Von daher sind zwar die meisten Foren und NZB-Indexseiten für das deutschsprachige Publikum weg vom Fenster, aber sehr viele werden sicher früher oder später wieder online gehen. Wir erinnern uns: Totgeglaubte leben länger.

Beitrag von Antonia und Lars Sobiraj. Quelle Beitragsbild, thx! (CC0 1.0)

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.