Wenn der Spanner digital wird – Symbolbild für heimliches Filmen in Saunen und Duschen.
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Bildquelle: ChatGPT

Sauna-Voyeur filmt heimlich – Gesetz lässt ihn laufen

Ein Sauna-Voyeur filmt heimlich nackte Frauen und bleibt straffrei. Warum das Gesetz versagt und Juristen von einer Schutzlücke sprechen.

Ein Sauna-Voyeur filmt heimlich nackte Frauen trotz allgemeinem Handyverbot in einer Leipziger Wellnessoase. Die Polizei sichert Beweise, die Staatsanwaltschaft ermittelt, stellt aber das Verfahren ein, weil die Sauna juristisch nicht als „besonders geschützter Raum“ gilt. Strafrechtler sehen darin eine gefährliche Schutzlücke und fordern eine überfällige Reform. Willkommen also im Jahr 2025, in dem Kameras überall sind, nur das Strafrecht nicht.

Grauzone Sauna: Wo das Strafrecht blind bleibt

Wie die Berliner Tageszeitung (taz) berichtete, spielte sich das Geschehen in Leipzig im Juli dieses Jahres in einer textilfreien Wellnessoase ab. Ein Mann platziert sein Smartphone diskret neben sich auf einer Holzbank. Direkt daneben liegt Rebecca P. Begleitet wird sie von ihrer Freundin.

Das Handy ist eingeschaltet, die Kamera aktiv. Schon die Ausrichtung des Geräts lässt erkennen, dass der Mann offenbar die Absicht hat, die beiden Frauen nackt in der Sauna zu filmen. Rebecca P. bemerkt den verdächtigen Winkel sofort und spricht ihn direkt an. Der Mann streitet alles ab, versucht, das Handy im Handtuch verschwinden zu lassen.

Die beiden Frauen reagieren geistesgegenwärtig, rufen das Saunapersonal und anschließend die Polizei. Die Beamten sichern das Smartphone. Darauf finden sich Videoaufnahmen nackter Frauen in der Sauna, offenbar aufgenommen ohne Wissen der Betroffenen. Rebecca P. und ihre Freundin selbst sind nicht auf den Videos zu sehen, doch der Verdacht des heimlichen Filmens bestätigt sich.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig stellte das Verfahren dennoch nach § 170 Abs. 2 StPO ein, mit der Begründung, der Saunabereich sei kein „besonders geschützter Raum“ im Sinne von § 201a StGB. Das Verfahren wurde eingestellt. Eine Strafbarkeit nach geltendem Recht bestand nicht.

Reaktion der Sauna-Geschäftsführung und neue Vorwürfe

Auf Anfrage der taz erklärte die Geschäftsführung der Sauna, man verurteile das Verhalten des Mannes „aufs Schärfste“. Wären nicht die beiden Frauen selbst aktiv geworden und hätten die Polizei gerufen, hätten sie das getan. Es sei das erste Mal, dass in der Anlage derart gegen das Handyverbot verstoßen worden sei. Der Mann sei kein Stammgast, betonte die Leitung, er habe nun lebenslanges Hausverbot. Das Handyverbot im Saunabereich sei nach dem Vorfall nochmals verschärft worden.

Doch die Geschichte endete dort nicht. In der Umkleidekabine meldete sich später eine Zeugin bei den beiden Frauen. Sie habe die Auseinandersetzung mitbekommen und erkannte den Mann wieder. Schon im März, so schilderte sie, habe er sie und ihre Mitbewohnerin sexuell belästigt. Er sei ihnen damals bis unter die Dusche gefolgt. Als sie den Vorfall bei einem Ansprechpartner der Sauna gemeldet hätten, habe man ihnen lediglich entgegnet, es stehe Aussage gegen Aussage und der Mann sei ein Stammgast.

Heimliches Filmen in der Sauna (noch) nicht strafbar

Nach aktuellem Recht schützt § 201a StGB nur Aufnahmen aus Wohnungen oder „besonders gegen Einblick geschützten Räumen“, also typischerweise Toiletten, Umkleiden oder Duschen. Eine öffentliche Sauna, die Besucher gegen Eintritt offensteht, gilt nach herrschender Meinung nicht als solcher geschützter Raum. Das bestätigt auch ein älterer Beschluss des OLG Koblenz (2008), auf den sich die Leipziger Staatsanwaltschaft explizit beruft.

Zwar ist das Verhalten des Sauna-Voyeurs moralisch verwerflich, juristisch jedoch nicht strafbar, solange keine weiteren Tatbestände wie das Verbreiten der Aufnahmen greifen.

Schutzlücke im Strafrecht – wenn das Gesetz beim digitalen Voyeurismus versagt.
Schutzlücke im Strafrecht – wenn das Gesetz beim digitalen Voyeurismus versagt.

Strafrechtler warnen vor eklatanter Schutzlücke: Pro und Kontra

Mehrere Strafrechtsprofessoren kritisieren die bestehende Gesetzeslage als nicht mehr zeitgemäß. Laut dem Rechtsblog Legal Tribune Online (LTO) spricht Prof. Elisa Hoven (Universität Leipzig) von einer „klaren Schutzlücke“. Weder § 184k StGB (Upskirting) noch § 201a StGB erfassen das bloße Filmen nackter Körper in öffentlichen Räumen. Ihrem Vorschlag gemäß sollte das unbefugte Herstellen von Nacktaufnahmen unabhängig vom Ort strafbar sein.

Prof. Frauke Rostalski (Uni Köln) hält die aktuelle Lage für „nicht hinnehmbar“. Gegenüber LTO führt sie aus, das Strafrecht müsse die Realität von permanenten Aufnahmegeräten in Smartphones abbilden. „Der nackte Körper ist Ausdruck der Privatheit – wer ihn ohne Zustimmung aufnimmt, greift in die Intimsphäre ein“, so Rostalski.

Prof. Jörg Eisele (Universität Tübingen) plädiert gegenüber LTO für eine Reform, die nicht nur das Zugänglichmachen, sondern auch das Herstellen solcher Aufnahmen unter Strafe stellt.

Prof. Tatjana Hörnle, Direktorin des Max-Planck-Instituts für Kriminalität, Sicherheit und Recht, sieht den Fall hingegen differenzierter. Eine Sauna könne durchaus unter § 201a StGB fallen, wenn sie baulich gegen Einblicke geschützt ist. Strafrecht dürfe aber nicht jede sozialethisch problematische Handlung kriminalisieren.

Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) sieht keinen Reformbedarf. „Unanständiges oder moralisch verwerfliches Verhalten ist nicht per se strafbar und sollte es auch nicht sein“, so äußert sich DAV-Strafrechtlerin Jenny Lederer gegenüber LTO.

Auf der Justizministerkonferenz (JuMiKo) haben die Länder im Sommer 2025 einstimmig beschlossen, das Thema auf die Agenda des Bundes zu setzen. Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) soll prüfen, wie Strafbarkeitslücken bei bildbasierter sexualisierter Gewalt geschlossen werden können. Auch SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge fordert, den Schutz der Intimsphäre zu erweitern:

„Der Schutz darf nicht davon abhängen, ob jemand in einer Wohnung, in einer Umkleide oder in einer Sauna verletzt wird – entscheidend ist die Verletzung der Intimsphäre selbst.“

Das BMJ verweist auf den Koalitionsvertrag. Man prüfe derzeit, „wie diese Vorgaben am besten umgesetzt werden können“.

Das neue Intimsphären-Risiko: Warum das Strafrecht überholt ist

Während die Juristen noch über Definitionen streiten, bleibt für Betroffene vor allem eines – Ohnmacht. Denn was einmal gefilmt und ins Netz gestellt wurde, könnte potenziell dauerhaft dort verbleiben. Sandra Boger vom Bundesverband Frauenberatungsstellen (bff) warnt:

„Was im Internet ist, bleibt im Internet. Digitale Gewalt hat kein Ablaufdatum.“

Der Leipziger Fall ist für viele Frauen ein Weckruf, auch, weil Petitionen wie jene der Joggerin Yanni Gentsch („Kein Filmen ohne Zustimmung“) zehntausende Unterschriften sammeln. Diese startete sie, nachdem sie bemerkte, dass ein Mann ihren Po beim Joggen filmte.

Sauna-Voyeur filmt heimlich – Gesetz lässt ihn laufen
Sauna-Voyeur filmt heimlich – Gesetz lässt ihn laufen

Die Regelungen in § 201a und § 184k StGB stammen aus einer Zeit, in der digitale Aufnahmen selten, Weiterverbreitung schwierig und Privatsphäre noch räumlich gedacht wurde. Heute ist das Gegenteil der Fall. Aktuell sind unbemerkte Aufnahmen nur einen Fingertipp entfernt. Über Clouds und soziale Netzwerke verbreiten sich solche Inhalte in Sekunden. Was einmal online ist, bleibt meist für immer dort. Der Schaden entsteht längst nicht erst mit der Veröffentlichung, sondern in dem Moment, in dem jemand auf „Aufnahme“ drückt.

Ein modernes Strafrecht müsste dieser Realität Rechnung tragen. Es sollte nicht mehr den Raum, sondern den Körper schützen und das unbefugte Herstellen von Aufnahmen selbst unter Strafe stellen, unabhängig davon, wo sie entstehen.

Zivilrecht statt Strafrecht: Der Restschutz der Intimsphäre

Solange der Gesetzgeber schläft, bleibt nur Prävention sowie Hausrecht:

  • Klare Handyverbote im Spa- und Saunabereich
  • Personal schulen und Verstöße konsequent ahnden
  • Hausverbote und Anzeige bei Verdacht

Betroffene können zivilrechtlich über das Recht am eigenen Bild (§ 22 KunstUrhG) Unterlassung und Schadensersatz geltend machen

Fazit: Wenn die Sauna zur Grauzone wird

Ein Sauna-Voyeur filmt heimlich und das Gesetz lässt ihn laufen. Das Strafrecht hinkt der Technik hinterher, während Betroffene die Konsequenzen tragen. Es wird Zeit, dass § 201a StGB den Menschen schützt und nicht nur seine vier Wände.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.