Neue Befugnisse für den Verfassungsschutz: Die Quellen-TKÜ kommt, die umstrittene Online-Durchsuchung ist jedoch vom Tisch.
In der Auseinandersetzung über die neuen Befugnisse für den Verfassungsschutz erzielte die GroKo nun einen Konsens: Die Quellen-TKÜ kommt, die umstrittene Online-Durchsuchung ist jedoch vom Tisch.
Wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in einem Gespräch mit der Funke-Mediengruppe vermeldete, gab er auf Drängen der SPD die Forderung nach einer Online-Durchsuchung auf. „Wir haben uns in der Union entschieden, das neue Verfassungsschutzgesetz ins Kabinett einzubringen, mit der Quellen-Telekommunikationsüberwachung, aber ohne Online-Durchsuchung“.
Die SPD wollte „die Online-Durchsuchung von Festplatten oder Computern nicht mittragen“, bedauerte Seehofer. Der CSU-Politiker verwies auf „sehr schwierige Verhandlungen“. Aufgrund dessen habe sich die Union dafür entschieden, das umzusetzen, „was politisch möglich ist“. Seehofer will nun den Gesetzentwurf nach erfolgter Einigung noch im Juli ins Kabinett bringen. Noch vor dem Bundestagswahlkampf soll er bis zum Jahresende dann durchs Parlament, so die Pläne.
Voraussetzung für Quellen-TKÜ ist Staatstrojaner-Einsatz
Stand der Inlandsnachrichtendienst überwachungstechnisch durch Chatverschlüsselungen bisher noch vor unüberwindbaren Hürden, so sollen diese Grenzen nun fallen. Die Bundesregierung will dem Verfassungsschutz in Zukunft erlauben, auch verschlüsselte Kommunikation per Messenger, wie WhatsApp, Signal oder Telegram, einsehen zu können, wenn es um das Abhören von Extremisten geht. Gleichfalls zur Überwachung frei gegeben sind auch Internet-Telefonate oder Videokonferenzen via Facetime, Google Hangouts, Skype oder Zoom.
Als Voraussetzung für die Maßnahmen (Online-Durchsuchung) müssen die Geräte der Betroffenen mit Schadsoftware in Form sogenannter Staatstrojaner infiziert werden. Der Trojaner macht es als Mittel der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) möglich, laufende Kommunikationen bereits vor der Verschlüsselung, an deren Quelle, abzugreifen. Damit wird jedoch die IT-Sicherheit laut Experten allgemein untergraben.
Diese Möglichkeiten nutzen bisher nur der Zoll und die Polizei zur Aufklärung von Straftaten. Beim Verfassungsschutz sollen bereits „Gefahren“ ausreichen. Von einer Online-Geräte-Durchsuchung, die Ermittlungsbehörden erlaubt ist, will man den Verfassungsschutz jedoch nun ausschließen.
Kritik bleibt trotz Verzicht auf Online-Durchsuchung
Reporter ohne Grenzen begrüßt die Entscheidung der große Koalition zum Verzicht auf die Online-Durchsuchung bei der geplanten Reform des Verfassungsschutzgesetzes. Geschäftsführer Christian Mihr teilt dazu mit:
„Die Online-Durchsuchung für den Verfassungsschutz hätte das Redaktionsgeheimnis und damit eine der Säulen der Pressefreiheit in Deutschland ausgehöhlt. Es ist gut, dass die große Koalition auf diese maßlosen Pläne verzichtet. Dass der Verfassungsschutz künftig Staatstrojaner einsetzen dürfen soll, um verschlüsselte Kommunikation wie Online-Telefonate und sichere Chats abzuhören, wirft dennoch heikle Fragen auf. Wir werden genau beobachten, ob und wie die Kommunikation von Journalistinnen und Journalisten dabei geschützt wird.“
„Diese Entscheidung war überfällig“
Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), gibt bekannt:
„Dass das Innenministerium von einzelnen Vorhaben wie der Ausweitung der verfassungsrechtlich hochumstrittenen Online-Durchsuchung nun offensichtlich Abstand genommen hat, begrüßen wir ausdrücklich. Diese Entscheidung war überfällig. Seit langem mahnen wir als Grüne jedoch: Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen. Echte Reformvorschläge liegen seit langem im Parlament vor.
Diese greift die Bundesregierung jedoch weiterhin nicht auf. Stattdessen hält das Bundesinnenministerium an zahlreichen, ebenso offensichtlich verfassungswidrigen Befugniserweiterungen fest. Das ist mehr als bedauerlich. Ihr Verhältnis zur Verschlüsselung hat die Bundesregierung bis heute nicht geklärt. Dieses Vorgehen wird nicht dazu beitragen, Vertrauen in die Arbeit des Inlands-Nachrichtendienstes wieder aufzubauen. Das wäre aber dringend nötig.
Um unsere wehrhafte Demokratie zu bewahren, müssen wir den Verfassungsschutz dringend modernisieren. Wir brauchen einen modernen, rechtsstaatlichen und effektiven Verfassungsschutz, der in einer seiner Kernaufgabe – der Extremismus- und Spionageabwehr – endlich wieder handlungsfähig wird.“
Tarnkappe.info