garzweiler braunkohle Polizeigesetz NRW
garzweiler braunkohle Polizeigesetz NRW

Polizeigesetz NRW: Haft soll Aktivisten gefügig machen

Erstmals wurde das Polizeigesetz NRW angewendet, um Aktivisten gefügig zu machen. Die GdP NRW befürwortet das harte Vorgehen.

Mehrere Baggerbesetzer werden heute nach fünf Tagen Haft wieder entlassen. Die Aktivisten wehrten sich gegen eine Feststellung ihrer Identität. Das Polizeigesetz wurde in NRW für einen effektiveren Kampf gegen den Terrorismus erlassen. Die Gewerkschaft der Polizei NRW verteidigte das Vorgehen ihrer Kollegen bei Twitter, was einen waschechten Shitstorm verursacht hat.

Polizeigesetz NRW

Vier Personen haben am vergangenen Samstag den Ablauf des Tagebaus Garzweiler gestört, weil sie aus Protest auf einen Bagger geklettert sind. Die vier Braunkohlenbagger-Besetzer sollen nach Medienangaben freiwillig wieder hinabgestiegen sein. Sie haben die Polizisten ebenfalls bereitwillig zur Wache begleitet. Allerdings weigerten sie sich, ihre Namen zu nennen. Um eine Identifikation per Fingerabdruck zu verhindern, hatten sie sich ihre Fingerkuppen verklebt.

Von den sieben Inhaftierten bleiben vier bis zum heutigen Donnerstag in Gewahrsam, weil sie sich dem Willen der Justiz widersetzt haben. Dies ist möglich aufgrund des letzten Jahr beschlossen Polizeigesetzes, was in NRW gültig ist. Damit wurden die Befugnisse der Polizei in Nordrhein-Westfalen erheblich erweitert. Gleichzeitig schränkte man damit die Bürgerrechte ein. In Bayern gibt es vergleichbare juristische Vorstöße.

 

Die schwarz-gelbe Landesregierung will damit unter anderem folgende Befugnisse einführen

– Aktuell dürfen die Verdächtigen, wie bei den Umwelt-Aktivisten von Garzweiler geschehen, bis zu sieben Tage festgehalten werden. Zuvor musste die Feststellung der Identität möglicher Straftäter innerhalb von 12 Stunden abgeschlossen sein.

– abhängig vom Fall dürfen Verdächtige von sieben bis maximal 28 Tage lang festgehalten werden

– Polizisten dürfen Taser tragen und auch einsetzen

– es ist erlaubt, Verdächtigen Fußfesseln anzulegen, um von ihnen ein Bewegungsprofil zu erstellen

– bis zu drei Monate dürfen Kontakt- und Aufenthaltsverbote ausgesprochen werden

– präventiv dürfen Telefonate mitgehört und die Kommunikation von Smartphones mitgelesen werden. Um verschlüsselte Nachrichten von WhatsApp, Threema, Telegram & Co. zu entschlüsseln, dürfen die Geräte sogar mit einem Bundestrojaner verseucht werden

– öffentliche Plätze dürfen unter bestimmten Vorgaben häufiger und verstärkt videoüberwacht werden

– Schleierfahndung erlaubt: die Polizei darf verdachtsunabhängige Verkehrskontrollen durchführen und den Inhalt der PKWs ohne Anfangsverdacht durchsuchen

– etc. etc.

Eine ausführliche Auflistung ist hier verfügbar.

Whatsapp-Gruppe
Lagebesprechung bei der Polizei. Besser nichts sehen, hören oder sagen! Foto Lars Sobiraj.

Polizeigesetz NRW: Outing der GdP NRW löst Shitstorm aus

Die GdP NRW befürwortete das Vorgehen ihrer Kollegen bei Twitter. Auf Nachfrage gab man bekannt, man verspüre beim Schreiben eines solchen Tweets keinerlei Scham. Viele Bürgerinnen und Bürger bemängeln hingegen, dass dieses Gesetz lediglich zur Abwehr von terroristischen Bedrohungen eingeführt wurde. Das zumindest war die offizielle Begründung. Sind ein paar Umwelt-Aktivisten, die sich offenbar nur eines Hausfriedensbruchs schuldig gemacht haben, Terroristen? Sollte man sie wie Gefährder behandeln, nur weil sich einige davon weigern, ihre Identität preiszugeben?

Oder soll von der Aktion vielmehr eine gewisse Symbolwirkung ausgehen, damit ziviler Ungehorsam von vornherein eingedämmt wird? Viele Teilnehmer der Diskussion bei Twitter weisen auf die noch immer bestehenden Grundrechte hin, die Gelb-Schwarz auf Landesebene ausgehöhlt hat. Jemand schlug vor, für diesen Tweet sollte man sich den Hashtag #unsistnichtspeinlich aussuchen.

Der zuständige Sprecher des Gerichts betonte auf Rückfrage der NRZ, dass die betroffenen Aktivisten doch sofort gehen könnten, wenn sie ihre Personalien offenbaren würden. Auch das NRW-Innenministerium verteidigte die Maßnahme. Genau für solche Fälle habe man die neue Befugnis der Polizei eingeführt, hieß es. Die Verweigerer würden jetzt durch den Zwangsaufenthalt „eines Besseren belehrt„, gab man auf die Presseanfrage der Kollegen zu verstehen. Es bleibt abzuwarten wie lange es dauert, bis das Polizeigesetz NRW erneut dafür missbraucht wird, um Personen ohne jeden terroristischen Hintergrund für einige Tage einzusperren. Man muss befürchten, dass der nächste Richter ähnlich wie der vom Erkelenzer Gericht entscheiden wird.

Beitragsbild von Herbert2512, thx! (Pixabay Lizenz)

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.