Polizei, Polizeiaufgabengesetz
Polizei, Polizeiaufgabengesetz

Polizeiaufgabengesetz in Bayern auf den Weg gebracht

Der bayerische Landtag hat das umstrittene Polizeiaufgabengesetz mit CSU-Mehrheit beschlossen. Die Kritik daran kommt aus allen Ecken.

Mit der Mehrheit der CSU-Fraktion und zwar nicht, wie zuvor in den Medien veröffentlicht, mit 89 zu 67 Stimmen bei zwei Enthaltungen, sondern mit 90 zu 67 Stimmen (bei der Abstimmung gab es eine Panne, die fällt jedoch nicht ins Gewicht) gegen die Stimmen der Opposition und trotz erheblicher Proteste und heftiger Debatten hat der bayerische Landtag am Dienstag in der Schlussabstimmung das neue „Polizeiaufgabengesetz“ (PAG) verabschiedet. Grüne und SPD kündigten noch während der zweiten und dritten Lesung Verfassungsklagen an.

Polizeiaufgabengesetz in Bayern verabschiedet

Nun kann das Polizeiaufgabengesetz am 25. Mai in Kraft treten. Besondere Eile wäre laut CSU angebracht gewesen, setzte es doch in einzelnen Teilen die Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung um. Innenminister Joachim Herrmann legt dar, das Gesetz würde „mehr Sicherheit, mehr Bürgerrechte und mehr Datenschutz“ bringen. Es wäre ein „Schutzgesetz“ und kein „Überwachungsgesetz“. Ist also die CSU der Überzeugung, dass die Kriminalitätsbekämpfung Reformen nötig hatte, bezeichnen die Gegner hingegen das Gesetz als das schärfste Polizeirecht der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Sie kritisieren es als einen massiven Eingriff in die Freiheitsrechte, geht es doch bei einem Eingreifen der Polizei nicht mehr wie bisher um nur das „konkrete“ Gefahrenmoment, so reicht künftig eine „drohende“ Gefahr bereits aus. Das bedeutet, bevor eine Straftat begangen wurde oder eine konkrete Gefahr besteht, dass dies passieren könnte, kann die Polizei früher präventiv tätig werden. Stimmt ein Richter zu, kann sie Telefone von Verdächtigen abhören oder Computer durchsuchen. Dadurch wird laut Kritikern eine Totalüberwachung jedes Einzelnen möglich. Vergangenen Donnerstag demonstrierten in München mehr als 30.000 Menschen gegen das Gesetz.

Kritik kommt aus vielen Reihen

Die Kritik am Polizeiaufgabengesetz kommt bei weitem nicht nur aus der Politik, sondern auch von der Polizei selbst. Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagt am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin, gerade die Proteste der Bevölkerung gegen die zusätzlichen Befugnisse für die Beamten wiesen auf eine mangelnde Akzeptanz in Teilen der Bevölkerung hin. Jedoch sei die Polizei aber dringend auf das Vertrauen der Bürger angewiesen. Die Senkung der Eingriffsschwelle, also dass die Polizei schon bei einer „drohenden“ Gefahr tätig werden könne, wertete er als kritisch.

Eine weitere Rüge erteilte er der im Sommer beschlossenen Verlängerung des Polizeigewahrsams für Gefährder auf drei Monate. Das werte er als zu lang. Mit Blick auf ein in allen Bundesländern einheitliches Polizeigesetz, wäre diese Regelung problematisch und werde von den Innenministern in den Ländern nicht überall Unterstützung finden. Diese und andere Verschärfungen erschwerten einheitliche Festlegungen. Zudem dürfe man den Bürgern grundsätzlich nicht vorgaukeln, dass die Lage mit vielen Rechtsänderungen sicherer werde: „Ich glaube, wir haben heute schon einen ordentlichen Sicherheitsstandard“, so Malchow. GdP-Vize Jörg Radek fügte in der „Berliner Zeitung“ hinzu, das PAG drohe „mehr Misstrauen in den Staat zu säen“ und sei mit einer „bürgerlichen Polizei nicht mehr in Einklang“ zu bringen.

Neues bayerisches Polizeiaufgabengesetz grundrechtsfeindlich

Anton Hofreiter, Grünen-Fraktionschef, hat das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz als „grundrechtsfeindlich“ kritisiert. Die CSU würde damit offenbaren: „wie leichtfertig sie die Grundwerte unseres Rechtsstaats auf dem Altar des Machterhalts opfert“, sagte Hofreiter der Passauer Neuen Presse„. An Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) richtet er den Vorwurf, dieser wolle „den bayerischen Überwachungsirrsinn per Musterpolizeigesetz am liebsten allen anderen Bundesländern andienen“. Der „Irrsinn“ wäre aber auch „in anderen Bundesländern genauso verfassungsrechtlich bedenklich wie in Bayern“.

Die SPD-Landesvorsitzende Natascha Kohnen warf der CSU vor, sie würden alle Bedenken von Verfassungsrechtlern ignorieren. denn auch der Landesdatenschutzbeauftragte habe den Gesetzentwurf scharf kritisiert. Ganz offenbar wolle die CSU die Freiheitsrechte einschränken: „Die Polizei braucht dieses Gesetz nicht und sie wissen, dass es auch Bayern nicht sicherer machen wird“, sagte Kohnen an die CSU gerichtet.

Polizei darf genetische Programm der Bürger auswerten

Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri bemängelte, dass die Polizei das genetische Programm von Menschen auswerten dürfe. Das Innenministerium will mit Hilfe von DNA-Spuren künftig Geschlecht, Augen-, Haut- und Haarfarbe, Alter und Herkunft von möglichen Verdächtigen ermitteln. Damit könne „der Kreis der potenziellen Gefährder eingegrenzt werden“, hält das Innenministerium dagegen.

Der Münchner Richter Markus Löffel kritisiert bei einer Anhörung im Landtag, es habe künftig jeder bayerische Polizist mehr Befugnisse bei der Gefahrenabwehr als das Bundeskriminalamt im Kampf gegen den Terror.

Parteipolitische Gründe wichtiger?

Die Grünen-Landtagsfraktionschefin Katharina Schulze sagte, die CSU wolle die Freiheitsrechte massiv einschränken. Und dies würde nicht deshalb geschehen, weil es ein Sicherheitsproblem gebe, sondern weil sich die CSU Vorteile im Wahlkampf verspreche. Vielmehr handle es sich um einen „Überwachungswahn der CSU“. Heftige Kritik kam auch von den Freien Wählern. SPD und Grüne haben bereits angekündigt, gegen das Polizeiaufgabengesetz klagen zu wollen. Notfalls bis vor das  Bundesverfassungsgericht. „Das Gericht“, so ist Schulze überzeugt, „wird die Lanze für den Rechtsstaat schon brechen.“

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hingegen weist die Proteste zurück. Er sei überzeugt, das Polizeiaufgabengesetz werde allen verfassungsrechtlichen Prüfungen standhalten. Zwar habe er „Respekt vor den Sorgen“, jedoch müsse man aber im Gesamtinteresse des Landes handeln. Er habe sich das PAG noch einmal sehr genau angeschaut. „Es wird Leben retten“, meint er weiter. Der Polizei ermögliche es, Gesetzesbrechern angemessen zu begegnen.

Söder verspricht Aufklärung

Um die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen, kündigte er eine Informationsoffensive an. So soll sich ein eigenes Team im Innenministerium an Diskussionen im Netz beteiligen und aufklären. Zudem will Söder eine Kommission unter der Leitung von Karl Huber, ehemaliger Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, einrichten. Sie solle das bereits beschlossene Gesetz „evaluieren und weiterentwickeln“. Katharina Schulze erwiderte: „Erst ein Gesetz beschließen und hinterher darüber reden wollen, ist kein guter Stil“.

Grafik geralt, thx! (CC0 1.0 PD)

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.