Europol-Mitarbeiter wechselt zu Thorn
Der Mitarbeiter hat sich den Wechsel vergoldet, Geld regiert offenbar immer noch die Welt.
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Europol-Mitarbeiter wechselt zu Thorn: keine Auflagen, keine Konsequenzen!

Ohne Beschränkung wechselt ein Ex-Mitarbeiter von Europol zur NGO Thorn, die die Lobbyarbeit zur Einführung der Chatkontrolle koordiniert.

Die scheidende EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly bemängelte den Wechsel eines Europol-Mitarbeiters zur anderen Seite. Ohne zur Verschwiegenheit der Betriebsgeheimnisse der EU-Polizeibehörde verpflichtet zu werden, darf der Ex-Angestellte nach einer geringfügigen Pause für die Lobby-Organisation Thorn tätig werden.

Dieser Nichtregierungsorganisation werfen Kritiker vor, systematisch gegen Bezahlung Stimmung zu machen. Der NGO gehe es darum, die Chatkontrolle zeitnah auf EU-Ebene einzuführen. Doch noch ist dies nicht gelungen.

Erkannte die Polizeibehörde gar keinen Interessenkonflikt?

Die Beschwerde bei O’Reilly über den Europol-Mitarbeiter, der zu Thorn wechselt, hatte der bereits ausgeschiedene Europaabgeordnete der Piratenpartei, Dr. Patrick Breyer, eingereicht. „Europol hat es versäumt, den oben genannten Interessenkonflikt zu lösen, wodurch die Integrität und Unparteilichkeit seiner Maßnahmen gefährdet wurden„. Mit diesen Worten begründete die Bürgerbeauftragte ihre Entscheidung.

Dies käme einem „Missstand in der Verwaltungstätigkeit“ gleich, hieß es in O’Reillys Antwort auf Breyers Beschwerde. Die Führung von Europol muss in der Folge künftig einen Bericht erarbeiten. Darin muss man ausführen, wie man gedenkt dafür zu sorgen, dass sich dieses Szenario nicht wiederholen kann.

Europol-Mitarbeiter wechselt zu Thorn

Aussteiger darf sein Wissen uneingeschränkt zu Geld machen

Der wechselnde Mitarbeiter arbeitete bei Europol an einem KI-Pilotprojekt zur automatischen CSAM-Bildererkennung mithilfe Künstlicher Intelligenz. Er war nach seinem Ausscheiden aus der Polizeibehörde beim Bundestag als Lobbyist für Thorn registriert. Wie Breyer berichtet, fuhr der Ex-Mitarbeiter sogar im Auftrag von Thorn zu einem Meeting von Europol. Dort stellte er seinen früheren Kollegen von der Polizeibehörde eine neue Produktpräsentation der NGO Thorn vor.

Europol muss Konzept vorlegen, um Geheimnisse besser zu schützen

Als Reaktion auf die Rüge verspricht Europol ab nächstes Jahr zusätzliche Maßnahmen zur Vorbeugung von Interessenskonflikten wie Versetzungen und veränderte Aufgaben für wechselwillige Mitarbeiter einzuführen. Außerdem will man solchen Mitarbeitern künftig den Zugang zu internen Informationen vorenthalten.

Dennoch ist schleierhaft, warum es erst einer Beschwerde bedurfte, damit man endlich darauf achtet, dass Daten nicht mehr einfach wahllos an Dritte weitergegeben werden dürfen. Ein effektives Konzept zur Wahrung des Datenschutzes müsste eigentlich seit Jahren bei Europol laufen, doch das war bisher schlichtweg nicht der Fall.

Europol
Keine weiße Weste mehr? Foto aus dem Pressebereich von Europol.

Der Beschwerdeführer Breyer begrüßt das Ergebnis: „Wenn ein ehemaliger Europol-Bediensteter sein internes Wissen und seine Kontakte verkauft, um ihm persönlich bekannte Mitarbeiter der EU-Kommission zu lobbyieren, ist dies genau das, was es zu verhindern gilt. Seit der Enthüllung des ‚Chatcontrol-Gate‚ wissen wir, dass der EU-Vorschlag zu Chatkontrolle letztlich ein Produkt der Lobby eines internationalen überwachungsbehördlich-industriellen Komplexes ist. Damit so etwas nie wieder passiert, muss der Überwachungslobbysumpf trockengelegt werden.

Zuvor hatte Breyer den vollständigen Zugang zu Dokumenten über das „iBorderCtrl“-Projekt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 beantragt, die den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der EU-Institutionen regelt. Die European Research Executive Agency (REA) lehnte dies ab. Man müsse die kommerziellen Interessen der am Projekt beteiligten Unternehmen schützen, hieß es.

Breyer focht diese Entscheidung an, was zu mehreren Gerichtsverfahren führte. Das langfristig angesetzte und finanzierte Projekt IborderCtrl soll unter anderem mittels KI und Überwachungsvideos böswillige von harmlosen Flüchtlingen unterscheiden und einen eigenen Lügendetektor einsetzen.

Europol-Mitarbeiter wechselt zu Thorn – unser Fazit

Da hätten wir also einen Parlamentarier, den man den vollständigen Einblick in die Hintergründe verwehrt. Und andererseits einen Mitarbeiter, dem man keine Regeln auferlegt, damit er die erlangten Internas nicht nach außen tragen kann.

Um es kurz auf den Punkt zu bringen: Die Vorgehensweise der REA als auch von Europol muss man nicht verstehen, oder?

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.