Angeblich sei es möglich, während der Livestreams die IPTV-Piraten mit neuartigen Peilgeräten von der Straße aus auszumachen. Reine Fantasie?
Die englische Boulevardpresse hat wohl den Sinn für die Realität verloren! Mehrere Boulevardzeitungen berichteten übereinstimmend von großflächigen Polizeieinsätzen in weiten Teilen Großbritanniens.
Zum Einsatz sollen angeblich Fahrzeuge kommen, die die Polizei mit Peilgeräten ausgestattet hat, um die Haushalte zu identifizieren, die beispielsweise für den Live-Stream eines Boxkampfes nicht bezahlt haben. So sei es möglich, binnen einer Nacht Tausende Schwarzgucker zu überführen.
George Orwell hätte die Story mit den Peilgeräten gemocht
SF-Autor George Orwell hätte an solchen Überwachungsfantasien sicher seinen Spaß, würde er noch leben. Für die Durchführung wäre lediglich ein kleines Gerät nötig, vor dessen Wirkung man sich nicht schützen könne. Auch nicht mit einer Alufolie, witzelt der Blog Torrentfreak, der das Thema gestern aufgegriffen hat.
Außerdem brauchen die Behörden wohl keinen richterlichen Beschluss mehr, um die bösen Live-Streamer in ihren eigenen vier Wänden zu besuchen und zu verwarnen. So geschehen vor einer Woche, als der Mittelgewichtskampf zwischen Chris Eubank Jr. und Liam Smith ausgestrahlt wurde. Das Vorgehen der UK-Presse ist jedes Jahr kurz vor solchen Sport-Highlights das gleiche. Wie die hochmoderne Technik der PKWs im Detail funktionieren soll, führt natürlich kein Redakteur aus. Wie auch, es gibt sie nämlich gar nicht.
Neuartige Technologie zur Enttarnung von IPTV-Piraten?
Zudem fabuliert der Mirror neben den Peilgeräten von einer neuen Technologie. Diese soll es den Inhabern der Sportrechte und den Pay-TV-Sender ermöglichen, die IP-Adressen der Online-Piraten für bis zu sechs Monate lang zurückzuverfolgen. Das ist blanke Panikmache, die aber bei vielen weniger technisch versierten Lesern ihre Wirkung sicher nicht verfehlt.
Schade, dass die Peilgeräte nicht gleich auch die Urteile sprechen können!
Der Daily Express und Daily Mail gehen bei ihrer Berichterstattung sogar noch weiter. Sie drohen den illegalen Zuschauern Gefängnisstrafen an. Und die hätten die Einheiten der englischen Polizei angeblich bereits vollzogen. Von mysteriösen Überwachungsfahrzeugen, die im Auftrag der BBC unterwegs gewesen sein sollen, wurde übrigens schon vor bis zu 70 Jahren berichtet. Damals wollte man die Leser zur Zahlung der Rundfunkgebühren zwingen, heute die Nutzer von hochpreisigen Pay-TV-Sendern.
Razzia der „Operation Raider“ betraf die Betreiber
Des Rätsels Lösung sind übrigens keine neuartigen Peilsender, die über eine ausgeklügelte Technik verfügen. Hintergrund ist eine PR-Aktion der Polizeieinheit FACT, die unzählige Haushalte erreichen sollte. Es gab eine Razzia und auch erste Urteile, die allerdings die Betreiber eines überführten IPTV-Dienstes betrafen. Aufgedeckt hat die rechtswidrigen Sportfans keine wundersame Hardware und auch keine Zukunftstechnik zur Erfassung der Piraten-IPs im Internet, sondern die Datenbank des hochgenommenen IPTV-Anbieters.
Als FACT im Rahmen der „Operation Raider“ die Datenbank in die Hände bekam, hatten sie somit Zugriff auf die komplette Liste der unerlaubten Nutzer nebst den Angaben, wie sie bezahlt haben. FACT-Mitarbeiter sollen sie dann darüber vor ihrer Haustür in Kenntnis gesetzt haben, um sie zu verwarnen. Business as usual also.
Wenn Redakteure sich die Wahrheit zurechtbiegen, bis sie passt
Die „Journalisten“ aus dem Vereinigten Königreich haben die FACT-Pressemitteilung einfach ein wenig vereinfacht und manche Fakten unterschlagen, denn nur so ließ sich die Story verkaufen. Das mit den Peilsendern war nichts weiter, als eine gedruckte Lüge. Doch das Vorgehen ist leider mittlerweile auch bei extrem vielen Journalisten abseits der Boulevardpresse Business als usual.
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