Roboter-Anwalt
Roboter-Anwalt als Rechtsvertreter
Bildquelle: sdecoret, Lizenz

Roboter-Anwalt bleibt erste Gerichtsverhandlung verwehrt

Der CEO des Startups DoNotPay plante, vor Gericht einen Roboter-Anwalt einzusetzen. Man drohte ihm deswegen nun mit einer Gefängnisstrafe.

Ziel des CEO vom Startups DoNotPay, Joshua Browder, war es, einen mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Roboter-Anwalt vor Gericht in einem Strafzettel-Fall einzusetzen. Weltweit wäre dies der erste Gerichtsfall, in dem eine KI einen Mandanten beraten hätte. Wie es nun allerdings scheint, sind offenbar alle diesbezüglichen Pläne wieder vom Tisch.

Es klang verheißungsvoll. Erstmals sollte ein Roboter-Anwalt einen Mandanten mit einem anstehenden Fall vor einem städtischen Verkehrsgericht anwaltlich beraten. Bereits im kommenden Monat, konkret am 22. Februar um 13.30 Uhr, wäre der KI-Chatbot mit seinem ersten Fall, einen Strafzettel vor Gericht anzufechten, gestartet. Planmäßig liefe dabei der Roboter-Anwalt per App auf dem Smartphone des Klienten.

Zunächst sollte er alle Äußerungen im Gerichtssaal zur Kenntnis nehmen. Darauf aufbauend wiese der Bot den Angeklagten in Echtzeit über Ohrhörer an, was er fallrelevant dazu vorbringen solle. Der KI-basierte Rechtsberater baut dabei auf der GPT-3-API von OpenAI auf, die ChatGPT verwendet.

Aktuell gab Joshua Browder, Gründer und CEO der in New York ansässigen, juristischen Selbsthilfe-Website DoNotPay, bekannt, dass er den Plan des Roboter-Anwalt-Einsatzes vor Gericht fallen lasse, nachdem man ihm sogar eine Gefängnisstrafe androhte. Diese von ihm unerwünschte Nachricht verbreitete er auf Twitter:

„Nachdem ich Drohungen von Staatsanwälten erhalten habe, ist es wahrscheinlich, dass sie mich für 6 Monate ins Gefängnis stecken, wenn ich es durchziehe, einen Roboter-Anwalt in einen echten Gerichtssaal zu bringen. DoNotPay vertagt das Gerichtsverfahren und setzt sich künftig für Verbraucherrechte ein.“

Browder warb für sein Vorhaben zunächst auf Twitter Personen an, indem er versprach: „Wir wollen nur experimentieren und zahlen das Ticket, auch wenn Sie verlieren!“ Gegenüber BuzzFeed News präzisierte er, dass zahlreiche User sich zunächst kritisch äußerten. Schließlich wählte er aus mehr als 300 Personen eine aus, die einen 200-Dollar-Strafzettel erhalten hatte.

Zudem bot Browder noch vor drei Wochen jedem sensationell eine Million Dollar an, der seinen Roboter-Anwalt einen Fall vor dem Obersten Gerichtshof vertreten ließe.

Drohungen von Anwaltskammern leiteten Rückzug ein

Aktuell erklärte Browder gegenüber BuzzFeed News, ihn habe von Vertretern verschiedener staatlicher Anwaltskammern Drohungen erreicht. Eine davon stellte Strafverfolgung und sogar sechs Monate Gefängnis in Aussicht, sollte er seine Pläne weiter verfolgen. Sie wollten Browder wegen unerlaubter Rechtsausübung anzuzeigen. „Sie stellten uns detaillierte Fragen zu unserem Ansatz“, so Browder.

„Ich meine, es wurde ziemlich ernst. Ich will nicht wegen eines Experiments ins Gefängnis gehen. Immerhin war es nur ein 200-Dollar-Ticket für zu schnelles Fahren.“

„Das Problem war, dass ich das alles getwittert habe“, schloss Browder daraus. „Ich habe sogar das genaue Datum getwittert, an dem [der Prozess] stattfand. Dann begannen die Anwälte damit, systematisch alle großen staatlichen Anwaltskammern anzurufen, um zu versuchen, uns zu stoppen. Sie haben uns wirklich gehasst.“

Wie BuzzFeed News weiter berichtete, folgte diese Nachricht auf eine Reihe vernichtender Tweets der Rechtsanwaltsfachangestellten Kathryn Tewson, die mehrere der Selbsthilfe-Tools von DoNotPay ausprobiert hatte. Sie kam zu dem Schluss, dass es sich dabei in Wirklichkeit um eine Mogelpackung handele. In einigen Fällen sei das Recht falsch dargestellt und in anderen Fällen nicht einmal das versprochene Produkt geliefert worden.

Browder führte schließlich Gizmodo gegenüber aus, dass ihm durch ausführliche Gespräche mit den menschlichen Rechtsberatern seines Unternehmens klar geworden sei, dass „ich laut meinem Anwalt sechs Monate ins Gefängnis gehen könnte, weil ich einer Person mit einem Strafzettel für zu schnelles Fahren im Wert von 200 Dollar geholfen habe“.

Vor dem Hintergrund einer dohenden Gefängnisstrafe, war Browder eine Weiterverfolgung seiner Ziele das Risiko einer Haftstrafe nicht wert. Außerdem ist Browder Brite. Als Nicht-US-Bürger kommentierte er: „Ich brauche das nicht in meiner Akte … ich will dieses Drama nicht.“

Roboter-Anwalt agiert im Gerichtssaal in rechtlicher Grauzone

Ohnehin war es bereits aus technologischer Sicht fraglich, ob die AirPods überhaupt vor dem Supreme Court zugelassen würden. Laut der Website des Gerichts ist es jedenfalls verboten, während einer Sitzung des Obersten Gerichtshofs elektronische Geräte mitzubringen. Allerdings erlauben einige Gerichte Angeklagten das Tragen von Hörgeräten. Einige Versionen davon sind Bluetooth-fähig. So hat Browder festgestellt, dass die Technologie von DoNotPay in diesem Fall legal eingesetzt werden kann.

Jedoch ist die Technologie in den meisten Gerichtssälen nicht legal. Einige Staaten verlangen, dass alle Parteien der Verwendung zustimmen. Dies würde die Möglichkeit ausschließen, dass ein Roboter-Anwalt viele Gerichtssäle “betritt”. Von den 300 Fällen, die DoNotPay für einen Prozess unter Einsatz seines Roboter-Anwalts in Betracht zog, waren lediglich zwei realisierbar.

Schlappe läutet Kehrtwende ein: auf zu neuen Zielen für den Roboter-Anwalt

Browders weitere Pläne erstrecken sich aktuell darauf, Kunden dabei zu helfen, teuere Arztrechnungen zu senken, unerwünschte Abonnements zu kündigen und Probleme mit Kreditauskunfteien mithilfe von KI anzufechten.

Browders stellt fest, dass DoNotPay einige Dienste wie Scheidungsvereinbarungen und Aufforderungsschreiben zu Verleumdung streichen wird, um sich mehr auf die Verbraucherrechte zu konzentrieren. Mit der Ankündigung wolle sich seine Firma DoNotPay vollständig aus dem Rechtsdienstleistungsgeschäft zurückziehen.

Damit wird DoNotPay an dem festhalten, was es bereits tut – Verbraucher beispielsweise dabei zu unterstützen, schwer zu kündigende Abonnements anzufechten und Handyrechnungen zu senken. Browder meinte,

„Das ist mein Mea-Culpa-Moment. Ich mache mir viele mächtige Feinde, und nachdem ich darüber nachgedacht hatte, wurde mir klar, dass wir einfach bei Altbewährtem bleiben sollten. Ich bedaure, so umstritten zu sein.“

Die Benutzeroberfläche von DoNotPay, wie auf der Website dargestellt.

Zur Historie

Joshua Browder, ein an der Stanford University ausgebildeter Informatiker, startete DoNotPay im Jahr 2015 mit einem Chatbot. Dieser bot Verbrauchern im Zusammenhang mit Mahngebühr-Zahlungen oder Bußgeldern Rechtsberatung. Allerdings wechselte das Unternehmen 2020 zu KI.

DoNotPay hatte den Roboter ursprünglich entwickelt, um Parktickets in Großbritannien anzufechten, als das Unternehmen die Technologie zum ersten Mal auf den Markt brachte. Seither hat man die Technik auf die USA ausgeweitet. DoNotPay hat in der Vergangenheit bereits enormen Erfolg gehabt und dabei auf diese Weise geholfen, 160.000 Parkstrafen in New York und London in nur zwei Jahren anzufechten.

DoNotPay will mit KI Menschen helfen, verschiedene Bußgelder mittels Chat-Bots anzufechten. Um seine Kompetenz unter Beweis zu stellen, wollte man schon im kommenden Februar den Roboter-Anwalt in realen Szenarios einsetzen.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt

Browder hofft jedoch immer noch, dass dies nicht das Ende des Weges für seinen Roboter-Anwalt im Gerichtssaal bedeutet. Diesbezüglich führte er gegenüber NPR aus:

„Die Wahrheit ist, dass sich die meisten Menschen keine Anwälte leisten können. Dies hätte das Gleichgewicht verschieben und es den Leuten ermöglichen können, Tools wie ChatGPT im Gerichtssaal zu verwenden, die ihnen vielleicht geholfen hätten, Fälle zu gewinnen.“

„Ich denke, das Tool überhaupt als ‚Roboter-Anwalt‘ zu bezeichnen, hat viele Anwälte wirklich verärgert. Aber ich glaube, sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Die Technologie schreitet voran und die Gerichtsregeln sind sehr veraltet.“

Vielleicht gelingt es Browder eines Tages sogar, eine erschwingliche KI-Rechtsvertretung für Menschen bieten zu können, die nicht in der Lage sind, die beträchtlichen Anwaltsgebühren aufzubringen, wer weiß.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.