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Bildquelle: Alexander Grey, Lizenz

Lovoo: Betrüger nutzen Catfishing, um an Ausweiskopien zu gelangen

Vorsicht! Beim sozialen Netzwerk Lovoo tarnen sich Cyberkriminelle vermehrt als attraktive Männer, um Single-Frauen in eine Falle zu locken.

Eigentlich nutzen Singles die Dating-App Lovoo, um darüber einen Partner fürs Leben zu finden. Oder zumindest für ein paar Monate. Oder vielleicht nur für die nächste Nacht. Doch bei Cyberkriminellen ist dieses soziale Netzwerk seit Längerem hoch im Kurs. Wir haben von mehreren Insidern der Fraud-Szene erfahren, wie das Catfishing, auch E-Whoring genannt, bei Lovoo funktioniert. Mit dieser Masche lässt sich in recht kurzer Zeit verhältnismäßig viel Geld verdienen.

Lovoo wird für Online-Betrug missbraucht

Die Überschrift ist eigentlich irreführend. Bei Lovoo nutzen Betrüger vor allen Dingen die Unwissenheit bzw. Ahnungslosigkeit mancher Teilnehmerinnen aus. Ob man das Ganze Catfishing oder E-Whoring nennt, spielt eigentlich keine Rolle. Wie es dazu kommen kann, dass jemand einem Fremden den Zugang zu einem frisch eröffneten Bankkonto gibt, kann man kaum erklären. Doch tatsächlich passiert dies tagtäglich, wie wir kürzlich berichtet haben. Ähnlich wie bei Telegram geht es bei Lovoo um Identitätsdiebstahl, doch der Aufhänger ist ein anderer.

Im aktuellen Fall geht es nicht um einen Kredit, sondern um Liebe. Und die macht bekanntlich blind. Mit der Einsamkeit mancher Menschen lässt sich sowieso gutes Geld verdienen. Über höchst fragwürdige Methoden mancher Dating-Portale haben wir schon einmal vor Jahren berichtet. Allerdings stecken hierbei die Eigentümer der Webseiten und keine Fremden dahinter.

Wie funktioniert die Masche bei Lovoo?

Ganz einfach. Der Täter stellt bei Lovoo von sich das Foto eines extrem attraktiven Mannes ein. Natürlich ist es nicht sein Bild, selbst wenn er hübsch aussehen sollte. Schließlich will er seine Identität geheim halten. Dann muss der Cyberkriminelle eigentlich nur noch eines tun: warten. Irgendann spricht ihn die erste Frau an, die über das nette Gesicht gestolpert ist. Im folgenden Gespräch lässt man eher zufällig fallen, dass die Frau nebenher für einen Produkttest zwischen 100 und 200 Euro verdienen könnte. Nun ja, wenn die Stimmung schon gut ist, warum sollte man so ein gutes Angebot ausschlagen? Nicht selten bieten die Täter den Frauen die Bezahlung in Bitcoin an, was die Opfer eigentlich hellhörig machen müsste.

Beim Produkttest geht es oftmals um die Firma IDnow. Dies ist eine Online-Plattform zur Identitätsprüfung, die diese im Auftrag Dritter durchführt. Natürlich gibt es gar keinen Produkttest. Die 200 EUR Belohnung auch nicht. In Wahrheit geht es den Kriminellen nur darum, sich von den Frauen die eingescannten Vor- und Rückseiten ihrer Personalausweise zu beschaffen.

Was können die Kriminellen mit den Scans der Frauen anfangen?

lovoo radar
Screenshot der App von Lovoo. Quelle.

Damit und ihren persönlichen Daten haben sie alles in der Hand, um den Überprüfungsprozess der Online-Banken erfolgreich zu passieren. Die Daten verwenden Kriminelle zur Auszahlung durch weiteren Betrug erlangter Guthaben und somit auch zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

Kommt es zu einer Strafanzeige, landet diese in erster Instanz bei der Frau, die für das Konto unfreiwillig ihre Visage und ihre Identität hergegeben hat. Da diese keine Ahnung über den Verbleib des attraktiven Mannes hat, kann sie der Polizei folglich keine sachdienlichen Hinweise geben.

Bankdrop verspricht den maximalen Nutzen

Als Online-Betrüger kann man mit den Ausweiskopien noch mehr Kriminelles anstellen. Man könnte sie in einschlägigen Foren oder Dark-Commerce-Shops zum Verkauf anbieten. Doch die Daten selbst für den Bankdrop zu nutzen, ist nach Auskunft unseres gut informierten Kontaktes sehr viel lukrativer. Da die illegal erlangten Girokonten alles andere als ewig haltbar sind, brauchen die Täter ständig Nachschub.

Die Masche funktioniert vor allem deshalb, weil noch immer sehr viele ahnungslose Frauen darauf hereinfallen. Dieser Beitrag soll nicht nur informieren, sondern vor allem vor den Tricks der Ganoven warnen.

Lovoo schlägt im Chat bei bestimmten Keywords an

Bei bestimmten Worten schlägt Lavoo mittlerweile automatisch an. Die App warnt die Nutzer, weil diese oft für Betrugszwecke eingesetzt werden. Bei welchen Begriffen Frauen oder Männer gewarnt werden, wollte uns ein Unternehmenssprecher von Lovoo auf Anfrage nicht mitteilen.

Das „beschriebene Phänomen und die dahinterliegenden Mechanismen“ seien dem Anbieter aber „gut bekannt“, teilte man uns mit. Diesbezüglich habe man „laufend Fortschritte erzielt; die Anzahl der Kundenbeschwerden zu diesem Thema“ seien „kontinuierlich rückläufig. Wenn sinnvoll beziehungsweise erforderlich, arbeiten wir hier vertrauensvoll und erfolgreich mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen“, schrieb man uns als Antwort. Dafür, dass man so viel gegen Online-Betrug unternimmt, klappt die Lovoo-Masche noch immer erstaunlich gut. Unsere beiden Kontakte aus dem Betrugs-Mileu bezeichnen die Aussagen des Sprechers als „amüsant und erheiternd„.

Wer bist Du eigentlich? Foto von Brett Jordan, thx!

Der Sprecher im O.-Ton weiter:

Ein wesentlicher Teil der Instrumente, die wir nutzen, betrifft technologische Aspekte:

Geo-Prüfung, Profilbild-Prüfung mithilfe der „Cloud Vision API“ von Google und mit Machine Learning, um Links zu identifizieren, ID-Verifikationen, Bot-Bekämpfung etc. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir die technischen Spezifika, die wir gegen Catfishing verwenden, nicht im Detail öffentlich machen können. Dass diese Maßnahmen geheim sind, ist einer der wesentlichen Schlüssel dafür, dass sie auch greifen können. Wir wollen Kriminellen und solchen, die es werden wollen, ja keine öffentliche Anleitung zur Verfügung stellen.

Unsere Instrumente adressieren aber auch die Benutzerebene:

  • Wir weisen unsere Nutzer*innen darauf hin, keine persönlichen Daten – schon gar nicht offizielle Dokumente – offenzulegen, weiterzugeben und offerieren.

  • Wir bieten vielfältige Hilfestellungen, auch persönlich über unseren Kundenservice.

  • Selbstverständlich stoßen auch wir teilweise an natürliche Grenzen – nämlich die des Datenschutzes: Wir dürfen in Deutschland – im Gegensatz bspw. zu Plattformen in anderen Ländern – keine privaten Nachrichten unserer Nutzer*innen auslesen. Um Beleidigungen, Hetze und Hassbotschaften zu verhindern, verwenden wir aber auch in Chats selbstverständlich einen lernenden Anti-Spam-Algorithmus, ohne dass LOVOO-Mitarbeiter*innen involviert sind. Mithilfe von Machine Learning wird geprüft, ob für Scammer typische Satzkonstruktionen und Schlagwörter auftauchen (nach fest definierten Worten und Sätzen, Links zu Scam-Seiten usw.)

Einleitend betonte der Sprecher, die Sicherheit der User bei Lovoo habe für sie „oberste Priorität“, weswegen das Dresdner Unternehmen „ein Bündel an Maßnahmen gegen Cyberkriminalität im Einsatz“ habe. Die Maßnahmen gegen Catfishing & Co. würde man permanent weiterentwickeln.

Kiss, Kussmund, Liebe

Besser einen Obdachlosen bestechen?

Ein anderer Aktiver des Fraud-Sektors schickte uns ebenfalls seine Einschätzung. Der Online-Betrüger hält die Vorgehensweise für viel zu zeitaufwendig. Er rät vielmehr dazu, einem Obdachlosen 500 Euro für mehrere Banken zu geben, respektive gleich für mehrere Girokonten. Dies hält er für „wesentlich effizienter“. Sofern das Konto auffliegt, habe der Empfänger der 500 Euro keinen Nachteil davon. Ihn könne die Polizei mangels permanenter Anschrift nur schwerlich ausfindig machen. Außerdem seien solche Menschen sowieso dauerhaft zahlungsunfähig. Vielen Strohmännern wären die Konsequenzen egal. Die einzige Hauptsache sei es, dass man ihnen das Geld in bar in die Hand drückt.

Gesetzesbrecher beim Thema Geldwäsche höchst einfallsreich

Außerdem gebe es bei Lovoo und bei anderen Dating-Apps viel bessere Methoden, um dort ohne großen Aufwand Geld zu verdienen. Kollegen von ihm würden innerhalb weniger Stunden bis zu 200 Euro umsetzen, indem sie sich als Frauen ausgeben. Sie bieten den Männern, die sie anschreiben, einen Satz erotischer Fotos gegen Bezahlung an. Für eine Handvoll von irgendwo beschaffter Bilder könne man jeweils zwischen zehn und 20 Euro verlangen. Bezahlt wird zumeist per Amazon Gutschein oder paysafecard. Diese muss der Käufer bar an der Kasse erwerben, damit der Geldfluss im Verborgenen bleibt. Der Verkauf der Foto-Sets biete sich für Online-Betrüger eher an, weil der damit verbundene zeitliche Aufwand deutlich geringer sei.

Ob geklaute Fotos verkauft oder ein Identitätsdiebstahl begangen wird, spielt keine Rolle. Fest steht, dass die Anbieter von Dating-Apps noch mehr unternehmen müssen, um dieses Phänomen effektiv einzudämmen.

Tarnkappe.info

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Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.