Eine Untersuchung ergab, dass die größten Apotheken-Ketten der USA die Daten ihrer Patienten weitergeben, sobald die Polizei danach fragt.
Laut der Befragung mehrerer führender US-amerikanischer Apotheken-Ketten gaben diese den Ermittlern der Regierung und der Polizei die Daten ihrer Patienten weiter. Betroffen sind landesweit die Daten der Kunden von rund 60.000 Filialen.
Abtreibungsverbot: Weitergabe der Daten für Frauen sehr gefährlich
Mehrere Mitglieder vom US-Kongress begannen mit der Untersuchung dieser Praxis, nachdem der Oberste Gerichtshof im vergangenen Jahr in der Rechtssache Dobbs gegen Jackson Women’s Health Organization das verfassungsmäßige Recht auf Abtreibung aufgehoben hatte.
Da mehrere Bundesstaaten der USA planen, Abtreibungen unter Strafe zu stellen, dürfte die Offenlegung die Privatsphäre vieler Amerikaner im Kern treffen. Die Aufzeichnungen der Apotheken enthalten schließlich einige der intimsten Details aus dem persönlichen Leben ihrer Kunden, einschließlich jahrelanger medizinischer Beschwerden und der Rezepte, die sie für psychische Gesundheit und Geburtenkontrolle einnehmen.
Behörden können Daten auch aus anderen Bundesstaaten abfragen
Das Ganze ist auch deswegen so prekär, weil die Daten der Apotheken über die Grenzen der Bundesstaaten hinweg zentral gespeichert werden. Der Aufbewahrungsort der Daten schützt die Frauen bei einem Schwangerschaftsabbruch nicht vor einer möglichen strafrechtlichen Verfolgung.
Leitende Mitarbeiter von acht amerikanischen Apothekenriesen – Walgreens Boots Alliance, CVS, Walmart, Rite Aid, Kroger, Cigna, Optum Rx und Amazon Pharmacy – erklärten gegenüber den Ermittlern des Kongresses, dass sie für die Weitergabe der Daten nur eine Vorladung und keinen Haftbefehl oder den Beschluss eines Richters benötigen. Vorladungen können aber auch bei reinem Verdacht ausgestellt werden und dies ohne Zutun eines Richters.
Mitarbeiter können Anfragen nicht prüfen
Mitarbeiter von CVS, Kroger und Rite Aid gaben an, dass sie ihre Apothekenmitarbeiter anweisen, Anfragen der Strafverfolgungsbehörden an Ort und Stelle zu bearbeiten, da die Mitarbeiter unter „extremem Druck stehen, sofort zu reagieren“.
Die muntere Weitergabe der intimen Daten brachte die Washington Post an die Oberfläche. Wer die PayPall unrechtmäßig umgehen will, kann dafür beispielsweise Archive.is nutzen.
Weitergabe der Daten auch bei Zivilklagen
Die Weitergabe erfolgte auch bei Zivilklagen, nicht nur bei Anfragen von Strafermittlungsbehörden. Moralisch anstößig ist auch, dass man die Betroffenen nicht einmal darüber in Kenntnis gesetzt hat. Nur Amazon gab an, die Kunden zu informieren, sollte keine „Nachrichtensperre“ vorliegen, die ihnen dies verbietet.
Die meisten Ermittlungsanfragen seien sowieso mit der Richtlinie verbunden, die das Unternehmen zur Vertraulichkeit verpflichte. Bedenken muss man bei der positiven Berichterstattung über Amazon allerdings, dass Amazon-Gründer Jeff Bezos Eigentümer der Washington Post ist. Auch der Interims-CEO der Post, Patty Stonesifer, ist Mitglied des Vorstands von Amazon.
Niemand informiert die betroffenen Kunden
Einige Bundesstaaten wie Louisiana, Montana und Pennsylvania bieten zusätzlichen Schutz für die Weitergabe medizinischer Daten an. Das gilt aber nicht für die Strafverfolgung auf Bundesebene. Unter dem Zeitdruck wird man aber wohl sowieso jeder Anfrage stattgeben.
Zwar dürfen sich US-Bürger erkundigen, ob man ihre Daten bereits verbreitet hat. Doch nur ganz wenige nehmen davon Gebrauch. Transparenzberichte darüber gibt es noch keine. Die plant man erst jetzt, wo der Skandal öffentlich wurde.
Apotheken verfassen bisher keine Transparenzberichte
Carmel Shachar, klinische Assistenzprofessorin an der Harvard Law School, die sich mit Gesundheitsrecht und -politik befasst, sagte, dass Apotheken über eine „Menge sensibler Daten“ verfügen. Wahrscheinlich hat die Mitarbeiter niemand ausgebildet, um die Gültigkeit einer polizeilichen Anfrage zu bewerten. Das müsse jemand übernehmen, der sich damit auch wirklich auskennt, um ungültige Anfragen abweisen zu können.
Praxis der Apotheken wegen des Abtreibungsverbots höchst fraglich
In Texas hat Generalstaatsanwalt Ken Paxton die Betreiber von Apotheken bereits gewarnt. Er würde sie strafrechtlich belangen, sollten sie Frauen mit „abtreibungsfördernden Medikamenten“ versorgen. Kate Cox, eine zweifache Mutter aus Dallas verließ den Bundesstaat, weil man ihr die Abtreibung eines Fötus mit einer tödlichen Erbkrankheit nicht gestattet hat.
Der Vorfall zeigt einmal mehr: Die besten Daten sind keine!!!