Abhöreinrichtungen, Vladimir Putin bei der Amtsvereidigung, Quelle: Kremel (Creative Commons)
Vladimir Putin bei der Amtsvereidigung, Quelle: Kremel (Creative Commons)

Abhöreinrichtungen auch auf der Russischen Botschaft in Berlin?

Dachaufbauten auf der Russischen Botschaft legen den Verdacht nahe, dass auch Russland Abhöreinrichtungen in Berlin betreibt und den Mobilfunk überwacht.

Der Hack des Bundestagsnetzwerks war in den letzten Wochen allgegenwärtiges Gesprächsthema in der Hauptstadt. In den Medien hieß es, die Kompromittierung der Netzinfrastruktur soll so tiefgreifend sein, dass das Bundstagsnetzwerk wohl komplett aufgegeben werden muss und 16 GB an E-Mails abgefangen worden sein sollen. Wieviele sensible Daten darüber hinaus von Bundestagsabgeordneten, Ausschüssen und auch an vertraulichen Dokumenten abgeflossen sein könnten, weiß niemand ganz genau. Auch wurde verbreitet, dass es Hinweise gäbe, ein Geheimdienst könnte Drahtzieher des digitalen Angriffs sein. Von Russland und prorussischen, ukrainischen Hackern war die Rede. Exakte Beweise dafür gibt es jedoch nicht und so muss man dies mit Vorsicht betrachten. Doch Berlin hat auch Probleme mit anders gearteten Abhöreinrichtungen.

Sind noch mehr Abhöreinrichtungen im Regierungsviertel? Allerdings, seit den Snowden-Enthüllungen drehte sich die Aufmerksamkeit in Bezug auf Geheimdienste vor allem um die NSA und die Five Eyes. Im Untersuchungsausschuss zum NSA- und BND-Skandal wartet die Opposition weiterhin auf die Selektorenliste. Stattdessen soll nun der ehemalige Richter am Bundesverwaltungsgericht Kurt Graulich als Sonderbeauftragter die Selektorenliste einsehen, wie das Bundeskabinett grade erst beschlossen hat. Wie Metadaten auch des Mobilfunkes von Nachrichtendiensten abgefangen und analysiert werden können, hat unsere Artikelserie „Ex-NSA-Chef Hayden „We kill peoble based on metadata“ entschlüsselt“ im zweiten Teil ausführlich dargestellt. Was andere Geheimdienste in Berlin treiben, ist dagegen bisher kein großes Thema gewesen.

Mehr Abhöreinrichtungen im Regierungsviertel?

Nach den Enthüllungen von Edward Snowden gingen die markanten Dachbauten der amerikanischen und britischen Botschaft sehr schnell durch alle Medien. Man spekulierte, dass die NSA und der GCHQ von den Botschaften aus den Mobilfunkverkehr des Berliner Regierungsvierteles überwachen. Spätestens seit dem Bekanntwerden des Abhörens des Handys von Angela Merkel kennt jeder die Bilder. Touristen, die in Berlin verweilen und an der US-Botschaft entlanglaufen, werfen seitdem regelmäßig einen Blick auf die vermeintlichen Abhöreinrichtungen der NSA unweit des Bundestages.

Im Oktober 2013 wurde zusammen mit einem Snowden-Dokument veröffentlicht, dass die Five Eyes im Programm „Stateroom“ von ihren Botschaften aus weltweit Funkaufklärung betreiben und den Mobilfunk überwachen. Damit bestätigten die Snowden-Veröffentlichungen, was Experten wie Duncan Campbell ohnehin schon lange vermuteten. Dass auch die Dächer von anderen Botschaften in Berlin nicht minder verdächtige Dachbauten aufweisen, ist dagegen kaum bekannt.

2013 meldete die Nachrichtenagentur AFP ebenfalls, dass es auch auf der russischen Botschaft markante Dachaufbauten gäbe, die vermutlich dem Ausspähen des Funk- und Mobilfunkverkehrs im Berliner Regierungsviertel dienten. Im Zuge der vielen Veröffentlichungen ging diese Meldung jedoch nahezu völlig unter. Nahaufnahmen gibt es – selbst im Internet – daher bisher kaum. Grund genug für uns, uns das einmal genauer anzuschauen. Entstanden ist dabei eine kurze Videoaufnahme, die zeigt, was man in deutschen Sicherheitskreisen ironisch die „russische Holzhütte“ nennt:

Global Player trotz Bretterverschlag

Auf dem kurzen Video erkennt man deutlich die Funkaufbauten neben dem Bretterverschlag auf dem Dach der russischen Botschaft in Berlin. Diese steht bereits seit Jahren im Zentrum Berlin´s im Fokus deutscher Sicherheitsbehörden. Von der rudimentären Bauweise sollte man sich nicht täuschen lassen, denn Betreiber dürfte hier vermutlich der russische SSSI sein. Dieser ist als eine der KGB-Nachfolgeorganisationen zusammen mit dem in den FSO integrierten Spetsnaz quasi das russische Pendant zur amerikanischen NSA. In Russland sind diese für die weltweite elektronische Funkaufklärung zuständig. Bis zur Geheimdienstreform Vladimir Putins im Jahre 2003 firmierte der SSSI noch unter dem Namen FAPSI. Er zählt heute wohl allein circa 120.000 Mitarbeiter.

An solchen Zahlen, lässt sich unschwer erkennen, dass man es hier mit einem „Global Player“ im Bereich der elektronischen Funkaufklärung zu tun hat. Auch technisch gesehen hat der SSSI einiges vorzuweisen hat. Immer wieder hatte auch der BND und das Kanzleramt im NSA-Untersuchungsausschuss auf Russland und China bei der Spionage verwiesen. Der SSSI betreibt wie die USA auch bis heute auch gleich eine ganze Flotte von Spionagesatelliten.

Sein Vorläufer FAPSI betrieb außerdem die größte Abhöreinrichtung der Welt in Lourdes auf Kuba. Von Lourdes war es der Sowjetunion jahrzehntelang möglich, die Funkkommunikation des halben amerikanischen Kontinents zu überwachen und Rundfunkprogramme zu stören. Obwohl man die Abhörstation 2001 aus finanziellen Gründen offiziell aufgeben wollte, existiert diese wohl bis heute. China wollte die Station übernehmen und in Russland hat man daraufhin offenbar schnell wieder erkannt, welchen Wert die Station für die jahrezehntelange Funkaufklärung hatte.

Berlin hat ein lange bekanntes Sicherheitsproblem

Auch hinter der „russischen Holzhütte“ dürfte man hochmoderne Technik verbergen, mit der man vermutlich fleißig den Funkverkehr überwacht. Natürlich weiß nur Russland selbst, was hinter dem Bretterverschlag verborgen ist. Jedoch ist bekannt, dass in der Vergangenheit auch der KGB ähnlich wie die Five Eyes von mindestens 60 Botschaften aus seine Funkaufklärung und entsprechende Abhöreinrichtungen betrieb. An der Praxis dürfte sich trotz der häufigeren Namensänderungen selbst nicht allzu viel verändert haben. Dafür spricht auch, dass der SSSI eine eigene Postanschrift in der Berliner Botschaft der Russischen Föderation hat. Auch die direkt daneben befindlichen offen sichtbaren Funkantennen weisen auf derartige Aktivitäten hin. Auf der Rückseite der Botschaft befinden sich auf dem Dach darüber hinaus offen sichtbar Parabolspiegel für Satellitenverbindungen.

Wie man es dreht und wendet. Der Bundestag hat wohl nicht erst seit dem Hack seines Netzwerkes ein erhebliches Problem mit ausländischen Geheimdiensten, die in der Hauptstadt aufklären, was es aufzuklären gibt. Ob nun durch Hackerangriffe oder per Funk. Schon mit dem Umzug von Bonn nach Berlin ist schon durch die räumlichen Nähe ein kaum lösbares Sicherheitsproblem entstanden. Manche Sicherheitsexperten raten Politikern sogar dazu, in Berlin-Mitte überhaupt keine Mobilfunkgespräche zu führen, sofern diese keine Krypto-Handys besitzen.

Letztere erfreuen sich wohl in der Hauptstadt nicht grundlos einer ausgesprochenen Konjunktur. Selbst im NSA-Untersuchungsausschuss konnte man zuletzt erfahren, dass diese im Kanzleramt nicht mehr nur auf einige wenige Auserwählte beschränkt seien, sondern mittlerweile auch jenseits der Bundeskanzlerin gerne genutzt werden. Früher hatte die Umständlichkeit dieser Geräte häufig dazu geführt, dass sie nur ungern benutzt oder gleich ganz auf sie verzichtet wurde. Wie es mit dem Bundestagsnetzwerk weitergeht, werden wir sicherlich in Kürze erfahren.

Hauptstadt der Spione & Abhöreinrichtungen

Berlin dagegen war schon im Kalten Krieg sehr früh als Hauptstadt der Spione verschrien. Als Frontstadt war das auch kaum verwunderlich, auch wenn mit der Zeit natürlich die Funkaufklärung immer mehr Bedeutung gewann. Die langsam verfallende Abhörstation auf den Berliner Teufelsberg erinnern noch heute gut sichtbar an diese Zeit. Mit dem Fall der Mauer und dem Abzug der alliierten Streitkräfte wurden damals zahlreiche vorhandene und verteilte Abhöreinrichtungen aufgegeben. Ganze Antennenwälder. Während man jedoch öffentlich annahm, dass auch die russische Spionage in Berlin mit der Wende zurückgegangen ist, berichten Experten immer wieder, dass diese sogar noch angestiegen sei.

SOUD, der (ehemalige?) Gegenspieler der Five Eyes

Wenig bekannt ist ebenfalls, dass auch der damalige Warschauer Pakt ähnliche Strukturen wie die Five Eyes unterhielten. Seit den 70er Jahren wurde auf Betreiben von Erich Mielke auch ein ähnliches Datenverarbeitungsnetz des Warschauer Paktes aufgebaut. Dieses kann als östliches Äquivalent des heutigen Intelnet-Netzwerkes angesehen werden. SOUD war sein Name. Mit dem Fall der Mauer ist dieses weggebrochen. Viele Dokumente zu SOUD wurden vernichtet, auch wenn die Stasi-Unterlagenbehörde dieses Thema mit dem vorliegenden Material aufgearbeitet hat.

Es ist jedoch bekannt, dass Russland die in Moskau befindlichen Systeme dieses Verbundnetzes auch über den Zusammenbruch des Warschauer Paktes hinaus weiternutzte. Inwiefern dieses mit neuen Partnern wie zum Beispiel zuletzt China neu aufgebaut wurde, kann man jedoch nur spekulieren. Fakt ist, dass auch Russland bis heute auch jenseits aller Botschaften viele Überwachungsstationen unterhält. Die neueren Antennen auf Stationen der Five Eyes, über die The Intercept zuletzt berichtete und mit denen es möglich ist mit einer Antenne eine Vielzahl von Satelliten aufzufangen, sollen ursprünglich eine russische Entwicklung sein.

Update 1: „Deutsche Sicherheitsbehörden hatten spätestens 2002 Verdacht, dass Briten und Amerikaner den Mobilfunk abhören“

Wie „Die Zeit“ heute meldet, hatten deutsche Sicherheitsbehörden bereits seit mehr als zehn Jahren deutliche Hinweise darauf, dass die Geheimdienste der USA und Großbritanniens die Kommunikation im Berliner Regierungsviertel massenhaft ausspähen. Schon lange vor den Snowden-Enthüllungen schickte die für Spionageabwehr zuständige Abteilung des Bundesgrenzschutzes mehrere als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuftes Schreiben an den Verfassungsschutz. Darin heißt es: „Die jüngsten Aufnahmen insbesondere der britischen Botschaft belegen eindrucksvoll, dass offenbar von dort Fernmeldeaufklärung gegen Deutschland betrieben wird. Angriffsziele könnten insbesondere die Richtfunktraßen der GSM-Mobilfunknetze sein.“ Wie Die Zeit weiter ausführt, war das aber für die deutschen Sicherheitsbehörden kein Grund der Sache genauer nachzugehen und folgert daraus, dass man es auch lieber nicht genauer wissen wollte.

Update 2: Wikileaks enthüllt, dass Überwachung der NSA in Deutschland weitreichender und länger dauert als bisher angenommen

Wenige Stunden nach der Zeit veröffentlicht nun auch Wikileaks weitere Dokumente zur Überwachung der NSA in Deutschland. Danach sei die Kommunikation von der NSA wohl viel weitreichender und länger abgehört worden als bisher bekannt. Unter den veröffentlichten Telefonnummern geht hervor, dass deutlich mehr Vertreter der verschiedenen Bundesregierungen das Ziel der NSA waren. Darunter befinden sich auch Telefonnummern, die bereits aus der Kohl-Regierung stammen und damit aus einer Zeit schon lange vor dem Umzug des Bundestages an die Spree. Wie dem auch sei. Das Thema Abhöreinrichtungen wird uns sicher noch weiter begleiten.

Tarnkappe.info