Datenschutz und Cybersicherheit sind einige der wichtigsten Themen des Jahres 2019. Es gibt niemanden, der darüber kompetenter berichten könnte, als der am Montagabend in Lissabon auf der größten europäischen Internet-Konferenz, der Web Summit 2019, per Livestream zugeschaltete Edward Snowden. Er fordert vor den 70.000 Zuschauern ein völlig neues Internet.
Web Summit – Europas größte Tech-Konferenz
Auch dieses Jahr findet der Web Summit vom 05.11.-07.11. in Lissabon statt. Allerdings dieses Mal zum 10 jährigen Jubiläum wartet man auch mit einigen besonderen Higlights auf. Es tragen dort mehr als 1.200 Speaker, 11.000 CEOs und über 70.000 Besucher zum Erfolg dieser Veranstaltung bei. Der Web Summit wurde 2009 von Paddy Cosgrave , David Kelly und Daire Hickey gegründet. Er fand ursprünglich in Dublin (Irland) statt, bis er 2016 endgültig nach Lissabon (Portugal) übersiedelte. Der Web Summit gilt als das wichtigste Technologieereignis der Welt.
Zu den Hauptattraktionen gehörte eine Videokonferenz mit Whistleblower Edward Snowden zur Veranstaltungs-Eröffnung. Der Veranstalter gibt an, dass dies sein bislang größtes Publikum gewesen sei. Er ist zum ersten Mal wieder in der Öffentlichkeit aufgetreten, seit er im September 2019 seine Autobiografie Permanent Record veröffentlicht hat. Snowden schätzt in seiner Rede ein, dass aktuell, sechs Jahre nach dem Durchsickern seiner geleakten Dokumente über die Aktivitäten der National Security Agency zur Massenüberwachung, die Menschen sich der Datenschutzprobleme bewusster sind. Sie wären zugleich wütender darüber als je zuvor. Ihm käme es jedoch speziell darauf an, dass sich sie sich mehr Zeit nehmen, um den spezifischen „Missbrauch“ zu verstehen, der gegen sie begangen wird.
System macht Bevölkerung für Privilegierte verwundbar
In seiner Rede kritisierte Snowden große Tech-Unternehmen, wie Amazon, Facebook und Google. Er weist darauf hin, sie machten die Bevölkerung angreifbar, indem sie Daten sammelten und es den Regierungen ermöglichten, darauf zuzugreifen. Snowden warnt: „Diese Leute sind in Missbrauchverwickelt, besonders wenn man sich Googles, Amazons, Facebooks Geschäftsmodell ansieht. Und doch, so argumentieren sie, ist alles legal. Egal, ob es sich um Facebook oder die NSA handelt. Wir haben den Missbrauch der Person durch das Personal legalisiert. Die weit verbreitete Sammlung von Daten durch Regierungen und Unternehmen hat ein System begründet, das die Bevölkerung für die Privilegierten verwundbar macht.” […] „Egal ob Huawei oder Nokia – wir können niemandem trauen, weil jede Organisation ihr Eigeninteresse verfolgt“, warnte er. Gründer sollten nicht an ihre Nutzer appellieren, den Start-ups zu vertrauen. „Sie müssen Geschäftsmodelle anbieten, bei denen Ihnen niemand vertrauen muss“.
Indem er die Frage stellt: „Was tun Sie, wenn die mächtigsten Institutionen der Gesellschaft der Gesellschaft gegenüber am wenigsten rechenschaftspflichtig geworden sind?“, macht er zugleich darauf aufmerksam, dass Datenschutz jeden angeht, sich jeder angesprochen fühlen sollte. Er fügt noch hinzu: “Das ist die Frage, die unsere Generation beantworten muss”. Er ergänzt, dass ihn die Entdeckung der Spionageoperationen am meisten „erschreckte“.„Die Erfassung und Überwachung von Informationen im weiteren Sinne fand auf eine ganz andere Art und Weise statt“ . Sie ist „nicht länger die gezielte Überwachung“ der Vergangenheit.
Edward Snowden bezeichnet DSGVO als Papiertiger
Snowdens Kritik richtete sich zudem an Datenschutzbehörden. Diese haben versucht, die Regulierung von Unternehmen hinsichtlich des Umgangs mit Benutzerdaten zu verschärfen. Er meint, die EU-Datenschutz-Grundverordnung, die darauf abzielt, den Menschen die Kontrolle der von Unternehmen über sie gesammelten Informationen zu geben, “verlegt das Problem. Das Problem ist nicht der Datenschutz, sondern die Datenerfassung. Die Regulierung und der Schutz von Daten setzen voraus, dass die Datenerfassung in erster Linie ordnungsgemäß war, angemessen ist und keine Bedrohung oder Gefahr darstellt.”
Die im vergangenen Jahr eingeführte DSGVO droht mit Bußgeldern von bis zu 4% des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens oder 20 Millionen Euro (22,3 Millionen US-Dollar) – je nachdem, welcher Betrag höher ist. „Und bis wir diese Geldbußen jedes Jahr bei den Internetgiganten sehen, bis sie ihr Verhalten reformieren und anfangen, sich nicht nur an den Buchstaben, sondern auch an den Geist des Gesetzes zu halten, ist es ein Papiertiger, der falsche Sicherheit vermittelt.”, argumentierte Snowden.
Besteht ein Ausweg in der Internet-Umgestaltung?
„Wir haben keine andere Wahl, als den Unternehmen unsere Daten anzuvertrauen. Aber in einer idealen Welt müssten wir das nicht“, so Snowden. Er würde es begrüßen, wenn die grundlegenden Systeme des Internets so umgestaltet werden würden, dass wir auf ganzer Linie weniger Daten austauschen müssen und daher nicht jedem System oder Unternehmen vertrauen müssen, mit dem wir zusammenarbeiten. „Wir können uns nur selbst beschützen“, schlussfolgert er.
Video: Web Summit 2019 – ausführlicher Video-Chat mit Edward Snowden.
Tarnkappe.info