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Digitale Gewalt gegen (Ex-)Partner: Überwachung im Privaten

Digitale Gewalt gegen Partner und Ex-Partner: Spionage-Apps, Smart-Home-Terror, Datenleaks und Hacking im Privaten. Ein Rundumblick.

Nicht nur Konzerne und Behörden haben es auf unsere Daten abgesehen. Mit der zunehmenden Digitalisierung unseres Alltags, erhalten auch die Schattenseiten der Technik Einzug in unser Privatleben. Spionage-Apps, Smart-Home-Terror, Datenleaks und Hacking werden zunehmend von (Ex-)Partnern genutzt um Kontrolle auszuüben. Es geht um digitale Gewalt im Privaten.

Fast 140.000 Gewalt-Fälle in Partnerschaften im Jahr 2017

Fast 140.000 Gewalt-Fälle in Partnerschaften verzeichnet das BKA für das Jahr 2017. Abseits von physischer Gewalt nimmt der Missbrauch digitaler Medien als Werkzeug psychischer und sexueller Gewalt gegen den eigenen (Ex-)Partner immer mehr zu. Denkt man an digitale Gewalt, kommen einem erst einmal Hasskommentare in den Sinn. Kaum einer denkt an die vielfältigen Möglichkeiten wie (Ex-)Partner ihren (einst) Geliebten das Leben zur Hölle machen können.

Digitale Gewalt haben die Täter den Gegebenheiten angepasst

Die Veröffentlichung intimer Fotos und privater Daten des (Ex-)Partners aufgrund des verletzten Egos gibt es bereits seit der Erfindung des Internets. Doch digitale Gewalt hat sich in den vergangenen Jahren angepasst und modifiziert. Meist werden technische Errungenschaften perfide dafür missbraucht und zweckentfremdet wie beispielsweise Soziale Netzwerke als Stalking-Hilfsmittel. Das Wissen vom Passwort des (Ex-)Partners wird genutzt, um sich (auch nach Beziehungsende) Zugang zu Logins, E-Mails und Social Media zu verschaffen.

Wenn das Smart Home zum Feind wird

Die Smart Home Technologie übernimmt unseren Wohnbereich. Ein Smart Speaker hier, eine Smart Cam da, Lichtregler und Heizungsregler in der ganzen Wohnung. Selbst nach einer Trennung behält der Partner Zugang zum Smart Home und kann auch von anderen Standorten aus willkürlich das Haus steuern. Blöd wird es wenn nur einer der beiden Zugang zur Steuerung und das technische Know-How hat. Unerwarteter Musikterror und Lichtshows in der Nacht, Kameraüberwachung und Abhören am Tag. Die Möglichkeiten sind erschreckend vielseitig und mehr als gruselig.

Digitale Gewalt

Doch tatsächlich lässt sich auch das noch steigern: Rachepornographie (Revenge Porn) ist eine besonders drastische und erniedrigende Form digitaler Gewalt. Dazu werden intime Bilder und Videos des (Ex-)Partners in sozialen Netzwerken, auf großen Porno-Plattformen oder aber auch im Darknet veröffentlicht. Es gibt sogar Dienstleistungsanbieter, die Porträts des (Ex-)Partners in Pornofilmen kaschieren. Um ein Bild von der Dimension zu bekommen: Ein Leak verriet, dass Facebook monatlich über 50.000 Fälle von Revenge Porn prüft. Dabei sollte man erwähnen, dass man nicht alle Fälle bemerkt und meldet. Die Dunkelziffer sollte deutlich höher sein.

Den (Ex-)Partner im Blick haben: Spionage-Apps

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Google weiß von unseren Geschlechtskrankheiten, Facebook weiß wo wir zuletzt feiern waren. Amazon und PayBack wissen, was wir konsumieren und der Provider weiß, wo wir wie lange surfen, mit wem wir telefonieren und was wir downloaden. Doch der (Ex-)Partner weiß dank Spionage-Apps noch viel mehr. Durch diese kann er auf alle Daten, Nachrichten, Fotos und GPS-Standorte des Smartphones zugreifen wann und so oft er will.

Er bekommt damit Einblick in den Alltag des Opfers. Manchmal wird diese Form der Überwachung auch von Frauen genutzt, allerdings sind es in der Mehrheit Männer, die auf dieses Mittel zurückgreifen. Es wundert also gar nicht, dass mittlerweile jedes Frauenhaus schon mindestens einmal mit dem Phänomen Spionage-App und privater Überwachung konfrontiert war.

Auch wenn Spionage-Apps ursprünglich das Ziel verfolgten, die Sicherheit von Kindern zu gewährleisten, das Nutzungsverhalten der Angestellten zu überwachen und anfangs eher als Randerscheinung zum Stalking missbraucht wurden, so gibt es mittlerweile einige Spionage-App-Anbieter die offen mit der Überwachung des (Ex-)Partnes werben. Neben Anrufprotokollen, GPS-Standortdaten und Chats, können Multimediadateien überprüft und die Internetnutzung überwacht werden. Die App ist auch in der Lage das Mikrofon zu aktivieren, um etwa private Gespräche mitzuhören. Ein Spionage-Rundum-Paket, dass es teilweise schon jährlich für 75€ gibt und zu dessen Angebot jeder uneingeschränkt Zugriff hat. Mit einem Augenzwinkern begreift man den Hinweis, dass die Spionage-Apps „einzig für den rechtmäßigen Gebrauch bestimmt“ sind.

Täter fühlen sich auch noch im Recht

Bereits vor zwei Jahren berichtete VICE ausführlich und stellte bei der Befragung von Nutzern fest, dass diese sich im Recht fühlen. Obwohl bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe für die illegale Installation und Überwachung möglich sind, nimmt der Einsatz von sogenannter „Stalkerware“ zu. Oft wird die Überwachung – selbst im Nachhinein – nicht bemerkt, so dass es nie zu einem Prozess kommt.

Netzpolitik.org befasste sich jüngst mit den juristischen Schwierigkeiten, die Hersteller solcher Software zur Verantwortung zu ziehen. Diese sitzen oft im Ausland (z.B. sitzt Flexispy von Vervata in Thailand) und sind damit schwer greifbar. Dazu kommt die oft fadenscheinig Marketing-Promotion die Software sei immer noch alleinig zur Sicherheit der Kinder gedacht. Die DSGVO gilt nicht für die Firma, da sie meist selbst keine Daten speichert, sondern für den, der die App aktiv gegen einen anderen nutzt und dabei Daten bei sich sammelt. Kein Wunder also, dass es bisher nur einen dokumentierten Fall in Deutschland gab, bei dem es 2015 zu einer Verurteilung gegen einen Spionage-App-Nutzer kam.

Hilfe gegen private Überwachung in Beziehungen

Es kommt selten zu Anzeigen, weil so gut wie niemand bemerkt, wenn jemand das Handy mit einer Spionage-App infiziert hat. Der Terror im eigenen Haus durch die Übernahme des (Ex-)Partners der Smart-Home-Technologie wird oftmals nicht ernst genommen. An sich klingt es erst mal nicht so ernst wie es sich für die Betroffenen anfühlt, wenn nachts die Lichter an und aus gehen und lautstarker Heavy Metal einen aus dem Schlaf reißt. Wie bei Stalking allgemein, nimmt man Opfer oftmals nicht ernst. Stalking wurde mit dem Nachstellungs-Paragrafen im StGB auch erst sehr spät als Straftatbestand eingeführt. Es gibt aber auch genügend Fälle in denen die Polizei aktiv werden will, aber zu wenig in der Hand hat um handeln zu können. Es ist eine Zwickmühle in der sich Opfer oftmals befinden.

Projekt gegen digitale Gewalt

Dagegen engagiert sich der Verein „Frauen gegen Gewalt e.V.“ mit ihrem Projekt gegen digitale Gewalt.

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Dort gibt es Hilfestellungen für die beschriebenen Szenarien digitaler Gewalt, in denen Partner oder auch andere einem schaden wollen. Weitere Tipps in akuten Situationen gibt es außerdem beim Hilfetelefon des Bundes unter der Rufnummer 08000 116 016 und via Online-Beratung.

Zum Thema Spionage-Apps empfiehlt mobilsicher.de die Aktivierung einer Bildschirmsperre und des Google-Virenscanners Play Protect. Letzteres sollte man sich genauestens überlegen und nur im äußersten Notfall tun. Zwar kennt Play Protect die meisten Spy-Apps und löscht diese zuverlässig. Aber anstelle dessen nimmt man eben die Überwachung des App-Nutzungsverhaltens durch Google in Kauf. Im Zweifel sollte man das Gerät zurücksetzen, sichere Passwörter nutzen und für die Kommunikation auf Safe-Messenger wie zB. Signal zurückgreifen.

Beitragsbild Perchek Industrie, thx! (unsplash licence)

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