freifunk, Störerhaftung
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Freifunk: Warum solche Projekte nicht funktionieren – ein Erlebnisbericht

Hextor beschreibt in seinem Erlebnisbericht seine Eindrücke von einem Treffen von Fans für Freifunk. Leider verlief das Treffen nicht gut.

Unser Autor Hextor beschreibt in seinem Erlebnisbericht seine ganz persönlichen Eindrücke von einem Freifunkertreffen. Wenn nur Fachidioten aufeinander treffen und diese nicht offen für fremde Meinungen sind, können neue Gemeinschaften nicht wachsen und gedeihen. Hextor erklärt, warum die Community zum Thema Freifunk in seiner Heimatstadt zum Scheitern verurteilt ist.

Probleme bei Freifunk Projekten

Nach einiger Zeit wollte ich mal wieder eine Erfahrung mit Euch teilen. Dieser Artikel ist in gewisser Weise als ironisch anzusehen, beruht aber auf Tatsachen.

Eines Abends beim Surfen am Computer, fiel mir ein Artikel im Internet auf, worum es um die altbekannte Thematik „Meshnetzwerke“ ging. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Artikel über die neue Firmware-Version der Fritzbox von AVM. Hier sollte es neue Möglichkeiten und Optionen geben, um mehr Mesh-Optionen nutzen zu können.

Außerdem las ich davor auch schon einen Artikel über eine neue Katastrophen-App namens „Smarter“, welche Nachrichten ohne das Dasein bzw. Zutun von einem Mobilfunknetzwerk verschicken kann. (Umgesetzt über eine Ad-Hoc Technik, die sich über das W-LAN Netzwerk steuern lässt). Eigentlich ist es doch eine tolle Idee, dezentral Nachrichten zu verschicken! Ich bekam folglich wieder mehr Lust, mich in das Thema einzulesen und kam natürlich sofort auf die lokale Freifunker Community.

Hintergrund: Worum geht es beim Freifunk überhaupt?

Dies ist eine Community, die über modifizierte Router mit eigener Firmware diverse W-LAN Router miteinander verbinden und so eine Art Meshnetzwerk aufbauen. Kommunikation untereinander mit eigenen Services und die Bereitstellung von Hotspots mit freiem Internetzugang sind die wichtigsten Merkmale dieses Projektes. Um bei dieser guten Idee mitzumachen, suchte ich nach einer lokalen Community mit der ich mich in Verbindung setzen konnte, um eventuell selbst solch einen Router aufstellen zu können, um vielleicht einen weiteren Knoten im Netzwerke anzubieten.

Das erste Treffen mit der Community

Gesagt, getan. Ich meldete mich über dem E-Mail-Verteiler an und fragte auch gleich nach, ob es lokale Treffen gibt. Zufällig gab es in meiner näheren Umgebung (einer Großstadt) solch ein Treffen. Der Tag kam näher und ich war sehr gespannt, was mich wohl erwarten würde. Das Treffen fand in einem Restaurant statt. Es gab dort anscheinend einen Stammtisch. Ich habe wegen der Größe des Restaurants nicht gleich die richtigen Leute gefunden und fragte deswegen den Kellner. Er wusste sofort Bescheid und zeigte mit dem Finger auf einen Tisch.

Ich ging also zu dem besagten Tisch und da ich ein offener Mensch bin, sagte ich: „Hier bin ich. Wer von Euch ist denn Benjamin?“ (Name zum Schutz der Person geändert). Ein Herr sagte: „Ja, hier, setz dich“. Der Tisch war besetzt mit zwei älteren Herren, eines Mannes mittleren Alters und drei recht jungen Herren. Ich setze mich mitten in die Mannschaft und niemand begrüßte mich. Ich versuchte mich mehrfach vorzustellen, weil ich das so gelernt habe. Es erfolgte keine Reaktion von niemanden. Ich war deswegen ein wenig verwirrt. Aber gut, das bist Du ja von Informatikern manchmal gewöhnt, dass sie etwas schüchtern sind. Bevor ich mich vorstellen konnte, war die Bedienung da und fragte, was ich trinken möchte. Ich und die anderen Teilnehmer bestellten unsere Speisen.

Kommunikation ist in manchen Kreisen schwierig

Ich musterte für ein paar Sekunden die Leute. Einer war in sein MacBook vertieft und tippte wie wild etwas ein, das ganze Notebook war mit Aufklebern versehen. Der junge Herr neben mir tat das gleiche. Der der mir gegenübersaß sagte kein Wort und starrte nur sein Handy an. Da ich wie gesagt kein Mensch von Vorurteilen bin, legte ich los und sagte so etwas wie „Na gut Jungens, dann erzählt mir doch mal bitte was ihr genau so macht und wie ich mithelfen kann im Freifunk-Netzwerk“. Die Köpfe gingen nach oben. Es fing eine wilde Diskussion rund um die Themen Netzwerk, W-LAN, Richtfunk und andere Gesprächsthemen in diesem Bereich an.

Ich kam leider noch nicht dazu mich vorzustellen und ergriff dann die Gelegenheit, das nun mal anzugehen. Ich stellte mich kurz vor, erwähnte auch meinen Beruf in der Cybersicherheit. Darauf erfolgte schallendes Gelächter von fast allen Teilnehmern. Sie sagten, das sei ja richtiger Unfug, was ich mache. Ich fühlte mich ein wenig auf den Schlips getreten. Aber dachte mir wieder entschuldigend, dass das Informatikstudenten waren, die in ihrer eigenen Welt leben.

Merkwürdige Umgangsformen

Wir diskutierten weiter über Dies und Das. Ich wusste aber immer noch nicht wie die Leute hießen. Von den drei älteren Herren am anderen Tischende kam überhaupt keine Regung. Sie starrten entweder auf ihr Handy oder flüsterten leise aber mit Euphorie über irgendein Netzwerk-Thema. Der Abend wird wohl nicht der Witzigste. Aber nun war ich ja schon mal da und versuchte mich weiter in die Community einzubringen.

Als ich ums Eck ging, folgte mir einer der älteren Herren. Ich traf ihn am Waschbecken. Er schaute mich kurz an und guckte dann verschreckt auf den Boden. Er ging dann wortlos zurück zum Stammtisch. Hmm… was das wohl zu bedeuten hatte? War ich vielleicht komisch? Habe ich irgendetwas Falsches gesagt? Gut, ich setzte mich auch wieder an den Stammtisch und unterhielt mich weiter mit dem jüngeren Publikum.

Wie sich sich herausstellte, waren tatsächlich zwei von ihnen als Informatikstudenten und einer im Pharma-Sektor tätig. Ist nicht negativ gemeint, aber man sah den Leuten sofort an, was sie studieren. Viel nerdiger gingen die Anziehsachen und Laptops nicht mehr. Es folgten nach jedem Thema immer wieder längere Pausen und jeder vertiefte sich in sein Notebook. Ich hatte keines dabei und musterte weiter das Geschehen.

Kaum Gespräche über den Inhalt des Projekts

Als das Essen kam, fingen alle an zu essen und einer der Jüngeren sagte, warum esst ihr nur Fleisch – das ist alles ungesund. Es folgte eine Diskussion zum Thema veganes Essen. Ich ließ das Thema unkommentiert stehen, obwohl ich dazu eine ganz eigene Meinung habe. Es gibt eine Sorte Mensch mit der diskutiert man besser nicht, da es im heftigen Streit endet. Als die Mahlzeit vorbei war, wollte ich bald gehen, da das Treffen für mich doch sehr ernüchternd war. Auch wurde nicht viel über Meshnetzwerke oder Freifunk gesprochen, was ich mir erhofft hatte.

FreifunkVerlorene Zeit, dachte ich mir. In dem Moment, als ich gehen wollte, kam einer der Älteren in der Runde und sagte: „Na, dann erzähl mal. Was machst du so und wer bist Du ?“ Ich erzählte also nochmals, dass was ich bereits erwähnt hatte und sagte, dass ich die Idee von Mesh-Netzwerken gut finde und gerne mitmachen würde.

Nickerchen oder Schwächeanfall?

In diesem Augenblick dachte ich, dass der Herr neben mir eine Art Schwächeanfall haben musste, da er vom Stuhl halb auf den Boden hängend mit dem Kopf über seinem halb aufgegessenen Schnitzel hing. Ich schaute ratlos die anderen Teilnehmer an. Wie sich herausstellte, machte er in einem vollbesetzten Restaurant ein Nickerchen zwischen Schnitzel und Laptop.

Freifunk – willkommen in einer anderen Welt?

Okay, dachte ich mir, das ist ja wohl doch eine etwas andere Welt hier. Dasselbe passierte mit dem Herrn mir gegenüber. Mir war es peinlich. Die anderen Gäste schauten schon herüber und dachten sich bestimmt schon ihren Teil. Meines Wissens ist das kein Benehmen, aber gut – andere Community, andere Sitten. Ich ließ mir nichts anmerken und sprach noch über die Projekte in meiner Stadt.

Es stellte sich heraus, dass die Community nicht wirklich groß war, obwohl die Stadt sehr groß ist. Leider waren auch nur sehr wenige Knotenpunkte miteinander verbunden. Angeblich würde das am Fehlinteresse der Leute liegen und auch am Geld. Richtfunk-Technik sei teuer und deswegen könne man keine größeren Knoten miteinander verbinden. Sie überlegten warum dies so ist und ich schlug vor, diesbezüglich marketingstrategisch vorzugehen, um auch nicht technikaffinen Personen die Vorteile des Freifunks und des dezentralen Gedankens zu erklären. Ich hatte schon ähnliche Kampagnen in anderen Städten beobachtet, jedoch nicht im Detail.

Teilnehmer total auf Technik fixiert

Prompt kam der Vorschlag meines Gegenübers doch Router-Workshops anzubieten, wo er erklären würde, wie man Router miteinander verbindet und die Technik erklärt. Ich erwähnte, dass dies vielleicht etwas zu speziell sei, um den Grundgedanken unter die Leute zu bringen und um neue Freifunker zu werben. Mein Einwand wurde mit teils abstrusen Argumenten totgeschlagen. Anders kann man es leider nicht nennen.

Die Jungs waren hier total auf Technik fixiert, aber mehr leider auch nicht. Es gab für sie anscheinend keine andere Welt als die Technik selbst. Dieser Eindruck wurde die nächsten 30 Minuten weiter verstärkt. Das Thema Marketing und wie man neue Mitglieder werben könnte für den Verein, war wie weggewischt.

Der Herr neben mir hatte sein Nickerchen abgeschlossen…

… und setze sich ohne einen Ton zu sagen, gleich wieder an sein Notebook, und programmierte wild vor sich hin. Ich habe nicht ganz verstanden was es war. Aber ich glaube, es handelte sich um eine Art TOR zum normal zugänglichen Internet Mapping. Ich weiß noch, dass er etwas davon murmelte, dass er Richtfunk besitze, der so stark sei, dass er „durch Hochhäuser durchlasern könnte. Das ist der geilste Shit ever“. Gut, da hat zumindest jemand Spaß an der Sache, dachte ich mir…

Ich fragte noch einen der älteren Herren, welchen Router ich für den Freifunk Hotspot nehmen könne. Er erklärte mir dies. Es folge eine riesige Diskussion über die richtige Hardware. Ich wollte doch einfach nur wissen, was ich als Anfänger machen kann, um dem Netzwerk etwas beizusteuern. Leider führte dies nicht zum gewünschten Erfolg.

So wird das nichts mit Freifunk

Ich beendete dann irgendwann das Gespräch, zahlte mein Getränk und und sagte, dass ich mich dann nochmals melden würde. Einer der älteren Herren sagte, ich solle doch wieder mal vorbeischauen. Ich ging ohne das es jemanden groß interessiert hätte. Ich glaube, wenn das Restaurant angefangen hätte zu brennen, hätte es auch niemanden interessiert.

Draußen traf ich wieder den gleichen Mann, den ich bereits am Waschbecken getroffen hatte. Er schaute zum Boden, als er mich sah und sagte keinen Ton. Ich ging weiter und dachte mir nur: „Und ihr wundert euch, dass die Community so klein ist und keiner wirklich Lust hat, mehr zum Thema Freifunk zu machen?“

Ich verliess das Treffen desillusioniert

Ich glaube, dass viele tolle IT Projekte genau an solch einem Fehlversagen der Community und auch an der Organisation scheitern. Es gibt viele tolle Dinge, die sich über Technik realisieren lassen. Aber wenn „normale“ Menschen auf solch eine Community treffen, sind sie schnell schockiert. Da hat man dann direkt keine Lust mehr, mitzumachen.

Das alles ist wirklich sehr schade, weil ich die Idee hinter dem Thema Freifunk mag. Ich wollte Euch mit diesem Erlebnisbericht einfach einmal zeigen, warum meiner Meinung nach Dinge, wie z.B. Freifunk nicht großflächig funktionieren. Manche Menschen denken leider gerade im Technikbereich einfach zu engstirnig und vergessen komplett das, was um sie herum passiert. Fest steht: So lässt sich eine dezentrale, freie Community, wo jeder mitmachen kann, nicht aufbauen. Für mich war es ein verlorener Abend, für die Umgebung leider eine verlorene wie tolle Idee.

Euer Hextor.

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