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Bildquelle: iqoncept, Lizenz

Russland: Auf Windows-Verkaufsstopp folgten unzählige Schwarzkopien

Nachdem Microsoft Russland von seinen Produkten abgeriegelt hat, beginnt der Schwarzmarkt für Windows zu boomen.

Anfang März kündigte Microsoft an, Russland nicht mehr mit eigener Hard- oder Software zu bedienen. Hintergrund war die Invasion in der Ukraine. In der Folge ist ie Anzahl der Google-Anfragen für Raubkopien in Russland um bis zu 250 % gestiegen. Darüber berichtete Kommersant.

Kurz nach der Verschärfung der Lage in der Ukraine hat Microsoft, wie zahlreiche andere Unternehmen auch, am 04. März 2022 eröffnet, wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine, ab sofort alle offiziellen Produkt-Verkäufe sowie Dienstleistungen in Russland auszusetzen.

Dieser Verkaufsstopp bezieht sich sowohl auf Hardware, wie Xbox und Surface-Geräte, als auch auf ihre Software. Als unmittelbare Folge darauf ist in den letzten 90 Tagen, laut Google Trends, die Anzahl der Anfragen im Zusammenhang mit Windows 10-Aktivierungsmethoden je nach Suchwortlaut offenbar um bemerkenswerte 80-250 % gestiegen.

Google Trends ist ein Online-Dienst der Suchmaschine von Google. Diese analysiert die Popularität der Top-Suchanfragen in der Google-Suche über verschiedene Regionen und Sprachen hinweg. Die Site verwendet Diagramme, um das Suchvolumen verschiedener Suchanfragen im Zeitverlauf zu vergleichen.

Neben Windows auch Excel stark nachgefragt

Den verfügbaren Daten zufolge bezieht sich eine der am schnellsten wachsenden Suchanfragen im Juni auf kostenlose Downloads von Excel. Das Interesse der Benutzer an dieser Ausgabe stieg hierbei um 650 %. In der vergangenen Woche sind die Anfragen zum Herunterladen des Windows 10 Media Creation Tools um das 47-fache gestiegen. Anfang Juni standen die Russen vor der Herausforderung, das Betriebssystem von der offiziellen Microsoft-Website herunterzuladen. Dies war nur mit einem VPN möglich.

Schließt sich ein Fenster, öffnen sich andere: Linux als Alternative

Entwickler russischer, Linux-basierter Systeme gaben an, einen Umsatzwachstum bei Privatkunden zu verzeichnen. Sie hoffen darauf, dass sich das Publikum russischer Betriebssysteme in Zukunft verdreifachen wird. Allerdings seien dies bisher hunderte, bestenfalls tausende Exemplare. Zudem sehen Entwickler, die Apps für Linux erstellen, eine neue Welle des Interesses. Auch russische Behörden stellten von Microsofts Windows auf das Linux-Betriebssystem um, wie Moscow Times berichtete. Experten bezweifeln jedoch, dass Nutzer aufgrund der Komplexität massiv auf Linux umsteigen werden.

Igor Martyushev, Direktor für die Entwicklung elektronischer Dienste und Softwarelösungen bei Marvel Distribution, erklärte diesbezüglich, Windows setze auf die Entwicklung von Anwendungen und Spielen für den Durchschnittsnutzer. Linux bleibe hingegen die Interessensphäre der Fachwelt. „Für Windows werden immer mehr kostenpflichtige Anwendungen erstellt. Die Qualität bei Entwicklung, Tests und Nutzerschutz ist geringer, dort aber höher.“ Ein Linux-Benutzer, fügt der Experte hinzu, muss fortgeschritten genug sein, um sich mit der Konfiguration von Treibern, Anwendungen und anderen Komponenten vertraut zu machen.

Igor Martyushev stellt fest, dass es keine neuen Russland-Lieferungen an Box-Betriebssysteme von Microsoft gibt. Allerdings würde der vorhandene Bestand auf dem aktuellen Verkaufsniveau noch für mehrere Monate ausreichen. „Endbenutzer haben bisher keine Probleme mit der Registrierung und Aktivierung von Produkten, da für juristische Personen alles davon abhängt, ob das Unternehmen unter Sanktionen steht oder nicht.“

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Registrierung für Microsoft-Produkte in Russland nicht mehr möglich

Eine Kommersant-Quelle auf dem IT-Markt stellte jedoch klar, dass ein Benutzer, der eine „verpackte“ Version von Windows oder einen Laptop mit vorinstalliertem Betriebssystem gekauft hat, diese jetzt nur noch verwenden kann, wenn er bei der Registrierung ein anderes Land angibt, nicht Russland oder Weißrussland.

Der Pressedienst von M.Video-Eldorado teilte Kommersant mit, dass die überwiegende Mehrheit der Computer, die in den Geschäften des Netzwerks verkauft werden, Windows vorinstalliert haben. „Wir kooperieren mit einem Pool von Marken, die hauptsächlich mit einem vorinstallierten Betriebssystem von Microsoft geliefert werden.“

Citilink und der DNS-Support gaben bekannt, dass es sowohl in den Geschäften als auch auf Lager einen gewissen Vorrat an Kopien von Windows gibt. Gleichzeitig berichtete der M.Video-Supportdienst in der russischen Hauptstadt und der Region Moskau, dass „weder elektronische noch verpackte Versionen von Windows verfügbar“ seien.

Nachfrage steigt auch bei heimischen Betriebssystemen

Vor dem Hintergrund der Probleme beim Zugriff auf Windows in Russland steigt die Nachfrage nach heimischen Betriebssystemen. Dmitry Anisimov, Leiter der Abteilung für Informationssicherheit bei NTC IT Rosa LLC (entwickelte das Betriebssystem Rosa Khrom), führt aus, dass das Download-Wachstum im B2C-Segment seit April 20 % betragen habe.

Die Firma Red Soft (Entwicklung des Betriebssystems Red OS) kündigte den Verkaufsstart von Box-Versionen des Betriebssystems in Citylink an.

Derzeit liegt der Verkauf bei nur etwa 300 Lizenzen, von denen mehr als die Hälfte nach dem 24. Februar verkauft wurden. Gleichzeitig rechnet Red Soft bis Ende des Jahres mit einer Verdreifachung der Nachfrage nach russischen Betriebssystemen im Retail-Segment. Das Wachstum der Downloads des eigenen Betriebssystems „Alt“ und von „Astra Linux“ haben die Unternehmen Basalt SPO und Astra Group bestätigt. Diese sind an der Entwicklung der Betriebssysteme beteiligt.

Der Weg in die Sackgasse: Russland priorisiert Raubkopien

Russland, Moskau

Bloomberg berichtete, dass sich „Russlands Abhängigkeit von ausländischer Software für den Betrieb seiner Fabriken, Farmen und Ölfelder zu einem der größten Probleme für die heimische Industrie entwickelt“. Als Reaktion auf die Invasion von Präsident Wladimir Putin in der Ukraine hätten sich immer mehr IT-Anbieter vom Markt zurückgezogen.

Elena Semenovskaya, einer auf Russland spezialisierten Analystin des Marktforschungsunternehmens IDC, sieht ein darauf folgendes Problem in der Beschaffung von Software für computergestütztes Design und Fertigung, das sich hinderlich auf die Entwicklung auswirkt:

„Russische Analoga in diesem Bereich sind viel schwächer und der Bedarf ist hoch. Aber im Moment besteht der Ansatz darin, sich auf Piraterie und veraltete Kopien zu verlassen, was sich jedoch als Sackgasse erweist und zudem nicht nachhaltig ist.“

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.