Laut einem neuen Entwurf vom Jugendmedienschutzstaatsvertrag müssten die Betriebssystem-Hersteller zwingend alle Geräte-Nutzer identifizieren.
Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag befindet sich erneut auf dem Prüfstand. Laut dem neuen JMStV-Entwurf will man die Hersteller von Betriebssystemen in die Pflicht nehmen. Sie sollen dafür sorgen, dass Minderjährige nur für sie geeignete Inhalte sehen können.
Neuer Jugendmedienschutzstaatsvertrag will Betriebssysteme auf den Kopf stellen
Wie die beck-community vor einigen Tagen berichtet hat, reichten die Bundesländer in der letzten Maiwoche einen Eilentwurf für den neuen Jugendmedienschutzstaatsvertrag ein. Der neue JMStV-Entwurf richtet sich direkt an die Hersteller von Betriebssystemen für PCs, Tablets und Smartphones. Apple, Microsoft & Co. sollen ihre Betriebssysteme dahingehend „umprogrammieren“, damit die Nutzer per Voreinstellung unter 18 sind. Somit würde man bei jedem Nutzer grundsätzlich erstmal davon ausgehen, dass sie minderjährig sind. Der Autor des Beitrages, Prof. Dr. Marc Liesching von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig, befürchtet, die Länder könnten somit erwirken, dass per default wirklich alles blockiert wird. Freigeschaltet würden die Inhalte nur dann, nachdem sich die Nutzer identifiziert hätten, um ihr Alter (mindestens 18) zu bestätigen.
Das hieße auch, dass folglich alle Telemedien eine Alterskennzeichnung erhalten müssten. Von Influencern mit mehr als 100.000 Followern will man außerdem verlangen, dass sie über das Betriebssystem ihrer Nutzer deren Alter überprüfen müssen, um dafür zu sorgen, dass ausschließlich Erwachsene auch entsprechend jugendfreie Inhalte zu Gesicht bekommen können. Außerdem sollen Tech-Konzerne künftig „nicht gekennzeichnete Inhalte selbst prüfen“ müssen.
Länder für derartige Belange gar nicht zuständig?
Prof. Liesching äußert verfassungsrechtliche Bedenken wegen dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag. Derart weitreichende Einschränkungen der Betriebssysteme würden dafür sorgen, dass Telemedien nicht mehr ohne weiteres zugänglich wären. Er stellt zudem infrage, ob die Länder überhaupt die Kompetenz besitzen, solche Gesetze zu erlassen. Dies sei eigentlich nur gegeben, sofern der Bund diesbezüglich keine Gesetz erlässt – doch das ist nicht der Fall.
Betriebssysteme hätten zudem rein gar nichts mit Telemedien gemeinsam. Von daher sei es zweifelhaft, ob die Länder abseits ihrer Regulierungskompetenz Bußgelder gegen die Hersteller von Geräten bzw. Betriebssystemen erheben könnten. Betriebssysteme sind keine Telemedien, wieso also sollen sie wie diese reguliert werden? Sie sind auch keine Filterprogramme, die manchen Nutzern Zugang zu Inhalten verschaffen sollen und anderen nicht. Die Hersteller von Android und iOS haben Möglichkeiten eingerichtet, damit Eltern die Nutzung der Smartphones ihrer Zöglinge einschränken können. So können manche Apps oder nicht jugendfreie Inhalte blockiert werden. Die Eltern haben zudem die Möglichkeit, die maximale Nutzungszeit der Geräte festzulegen. Dies taten Google und Apple freiwillig ohne Jugendmedienschutzstaatsvertrag.
Altersangaben sollen mit technischen Mitteln überprüft werden
Der Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, Dr. Wolfgang Kreißig, sagte gegenüber der dpa im März, im Internet seien Mechanismen gefragt, die technischer Natur seien. Kreißig spricht sich offen dafür aus, Anbieter in die Pflicht zu nehmen, „mit technischen oder anderen Mitteln dafür Sorge zu tragen, dass Kinder keinen Zugang (mehr) zu bestimmten Medieninhalten haben.“ Ähnlich wie bei geschlossenen Systemen wie bei Spielkonsolen, sollen dies nach seiner Ansicht auch die Betriebssysteme realisieren. Altersangaben von Inhalten sollten nicht nur sichtbar sein, sondern in der heutigen Zeit „technisch ausgelesen werden“.
Fazit zum Thema Jugendmedienschutzstaatsvertrag
Bislang ist der neue Jugendmedienschutzstaatsvertrag nichts weiter als ein Entwurf. Ein Entwurf, bei dem man sich offenbar nach dem Copy- & Paste-Verfahren beim JuSchG-Novellenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSF) bedient hat. In der Vergangenheit sind bei der Abstimmung schon weit weniger restriktive Entwürfe gescheitert. Von daher bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.
Tarnkappe.info