Der NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag darf Edward Snowden in Berlin als Zeugen zur NSA-Überwachung befragen lassen. Das entschied der BGH.
Eine Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs (BGH) entschied laut einem am Montag (21.11.2016) veröffentlichten Beschluss (Beschl. v. 11.11.2016, Az. 1 BGs 125/16), dass der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags Anspruch darauf hat, den früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden vorzuladen und persönlich anzuhören. Die Entscheidung des BGH entsprach einem Antrag von Linken und Grünen im NSA-Ausschuss.
Edward Snowden darf in Berlin aussagen
Laut Beschluss solle der Ausschuss die Regierung erneut ersuchen, „unverzüglich die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen S. in Deutschland zu schaffen“. Die Regierung müsse dem Ausschuss mitteilen, „zu welchem Zeitpunkt sie die genannten Voraussetzungen herstellen kann“.
Edward Snowden hatte im Juni 2013 die ausufernde Internet-Überwachung durch die NSA und seinen britischen Partner GCHQ enthüllt. Unter anderem könnte den von Snowden mitgenommenen Papieren zufolge auch ein Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel überwacht worden sein. Der Bundestag hatte mit dem im März 2014 eingesetzten NSA-Untersuchungsausschuss auf diese Enthüllungen des früheren Geheimdienstmitarbeiters reagiert. Man will klären, inwieweit die NSA oder andere Geheimdienste Bürger und Politiker ausspioniert haben. Und natürlich, ob deutsche Regierungsstellen oder Geheimdienste von den Spähaktionen wussten und daran beteiligt waren.
Der NSA-Untersuchungsausschuss hatte bereits im Mai 2014 grundsätzlich beschlossen, den im russischen Exil lebenden Snowden als Zeugen zu vernehmen, wobei der Ort der Befragung offen gelassen wurde. Die Zeugenbefragung wurde bisher nicht umgesetzt, da sich die Bundesregierung geweigert hatte, eine Befragung von Snowden in Deutschland voranzubringen. Die Obleute im NSA-Untersuchungsausschuss Konstantin von Notz (Grüne) und Martina Renner (Linke) halten der Bundesregierung vor, eine Entscheidung in die Länge zu ziehen.
Belastungen der Beziehungen zur USA befürchtet
Im Dezember 2014 waren Grüne und die Linke mit einem Vorstoß am Bundesverfassungsgericht gescheitert, um die Befragung Snowdens durchzusetzen. Die Klage hat man abgelehnt und auf die Zuständigkeit des BGH verwiesen. Die Koalitionspartner Union und SPD hatten sich gegen eine Vernehmung auf deutschem Boden gestellt und waren damit den außenpolitischen Bedenken der Bundesregierung gefolgt. Diese fürchtet eine schwere Belastung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, falls der frühere Geheimdienstmitarbeiter nach Deutschland kommen sollte.
Mit dem Beschluss des BGB wäre aber noch nicht geklärt, ob Snowden wirklich kommt. Die Bundesregierung müsste ihm vor seiner Einreise zusichern, ihn nicht an die USA auszuliefern. Allerdings könnte sie aber auch rechtlich zu einer Auslieferung verpflichtet sein. Solch eine „definitive Klärung im Sinne einer verbindlichen Aussage der Bundesregierung ist gerade Ziel der durch die Antragsteller erstrebten Entscheidung“, heißt es in dem Beschluss. Dass die Ermittlungsrichterin am BGH die Rechte der oppositionellen Linken und Grünen stärkt, begründet sie mit Snowdens Verhalten. Der sei grundsätzlich zu einer Aussage bereit, nicht aber per Video und nicht an seinem derzeitigen Aufenthaltsort, in Russland. Nur durch eine Vernehmung in Berlin könne Snowdens Aussage den Zweck des Ausschusses, Licht in die NSA-Affäre zu bringen, erfüllt werden.
Opposition sehr erfreut über BGH-Entscheidung
Konstantin von Notz erklärte am Montag, der BGH-Beschluss sei „in seiner Klarheit hoch erfreulich“. Die Ermittlungsrichterin mache unmissverständlich deutlich, dass das bisherige Vorgehen der Ausschussmehrheit, die bis zuletzt versucht habe, sich schützend vor die Bundesregierung zu stellen und eine eventuell unangenehme Zeugenaussage Snowdens vor dem Ausschuss zu verhindern, endgültig gescheitert sei. „Das Urteil ist eine Blamage für die Große Koalition, die versucht hat, mit fadenscheinigen Argumenten eine ordnungsgemäße Zeugenvernehmung von Edward Snowden zu sabotieren“.[…] „Wir werden das Thema noch in dieser Sitzungswoche erneut im Ausschuss aufsetzen.“ Dies erklärte von Notz mit Blick auf die Ausschusssitzung an diesem Donnerstag. „Nach diesem Urteil kommt die Bundesregierung nicht mehr umhin, sich in der Frage endlich klar zu verhalten.“
Auch nach Ansicht von Martina Renner, Linken-Obfrau im Untersuchungsausschuss ist der jetzige Beschluss des BGH „eine große Chance für den Bundestag, mit dem Zeugen Edward Snowden wesentliche Fragen der Überwachungspraxis der USA zu klären“. Das sei lange überfällig. „Die Bundesregierung steht jetzt vor der Bewährungsprobe. Sie darf sich den Interessen der Geheimdienste nicht unterwerfen.“
Tarnkappe.info