C'n'B, CNB
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C’n’B: Betreibt die Musikindustrie Öffentlichkeitsarbeit?

Auf der Kölner C'n'B wurde in einem Panel geklärt, ob die Öffentlichkeitsarbeit der Musikwirtschaft in den letzten Jahren versagt hat.

Am Freitag soll ab 15 Uhr auf der C’n’B von Jana Behr, Ursula Goebel, Stefan Herwig, Matthias Hornschuh, Eva Kiltz, Artur Schock und Lars Sobiraj geklärt werden, ob die Öffentlichkeitsarbeit der Musikwirtschaft in den letzten Jahren versagt hat. Stefan Herwig bezeichnet die Musikwirtschaft in der Anmoderation der C’n’B sogar als Kommunikationsbranche. Das kann ich nicht bestätigen. Es kann ja sein, die Mitarbeiter der Labels kommunizieren mit wem auch immer. Mit mir zumindest nicht.

Die C’n’B in Köln

Ein paar Beispiele gefällig? Ach, gerne. Im Sommer 2008 besuchte ich einen sehr interessanten Stand eines Major Labels auf der Kölner Messe für Online-Marketing, die nun dmexco genannt wird. Ein Mitarbeiter erzählte mir begeistert, wie sie das Downloadportal für ihren Top-Act Linkin Park aufgezogen haben. Plötzlich sah er meinen gulli-Button, der schon die ganze Zeit sichtbar angebracht war. Er fragte mich entgeistert, ob ich denn etwas mit diesem Portal zu tun hätte!?? Ich antwortete ihm ganz ruhig, ich sei der Chefredakteur. Er sah sich mehrfach um. Ich musste ihm dann versichern, dass ich nichts von dem was er mir erzählt hat, schreiben darf. Ansonsten würde er „so richtig Ärger kriegen„. Vor geistigem Auge stand der Artikel schon, den ich dann zum Wohl des besorgten Label-Angestellten fallen ließ. Das wird bei der C’n’B auch nicht viel anders sein.

RapidShare musste Uploader verraten

Im September 2009 erhielt ein Nutzer des Filehosters Rapidshare, der unveröffentlichte Musikstücke von Rammstein hochgeladen hatte, eine Abmahnung. Ich versuchte Rechtsanwalt Clemens Rasch telefonisch zu erreichen, weil seine Kanzlei für die Abmahnung verantwortlich war. Kein Kommentar. Ich rief also bei Universal an und hatte recht bald einen verständnisvollen und interessierten Mitarbeiter der Kommunikations-Abteilung am Rohr. Meine Absicht war es den Leuten im Artikel klar zu machen, dass der Upload von Pre-Releases mit erheblichen Gefahren verbunden ist. Mir ging es um pure Abschreckung und nicht darum, diese Tat zu verharmlosen.

Niemand, der bei einem Unternehmen seine Bankverbindung (Premium-Account bei RapidShare) hinterlassen hat, sollte auf die Idee kommen, bislang unveröffentlichtes Material bei einem europäischen Internet-Dienstleister zur Verfügung zu stellen. Das ist total daneben und das Risiko ist zudem immens hoch. Den Uploader kostete diese Dummheit 840 Euro. Das Werk ging bei RapidShare am 8.9.2009 online, die Abmahnung wurde einen Tag später zugestellt, die Frist für die Unterlassungserklärung lief bereits am 10.9 ab. Der Mitarbeiter der Kommunikations-Abteilung von Universal musste mir dann später mitteilen, er habe von oben die Anweisung erhalten, er dürfe sich dazu nicht äußern.

RS als sicherer Hafen für Downloader

Ihm war bei dieser Aussage sichtlich unwohl. Ich war echt frustriert. Da hat man Gutes vor und wird dann total ausgebremst. Meine weiteren Anrufe bei Herrn Erdmann von der proMedia brachten auch nach mehreren Stunden Wartezeit lediglich eine E-Mail zutage. Diese besagte wenig überraschend, man könne sich dazu nicht äußern. Der Absender war höchst passend ein Anwalt von Rechtsanwälte Rasch.

Kommunikation? Dialog? Öffentlichkeitsarbeit? Fehlanzeige!!! Ein Jahr später rief ich insgesamt um die zehn Mal beim Bundesverband Musikindustrie an und bat um einen Termin für ein Interview mit dem früheren BVMI-Geschäftsführer Stefan Michalk. Pressesprecher Daniel Knöll teilte mir lapidar mit, ihm fehle schlichtweg die Zeit für einen Austausch. Im Jahr 2009 traf ich Herrn Michalk und den sympathischen Labelbetreiber Frank Otto zufällig in Berlin auf der Music meets Media.

Positivlisten und andere Tricks

Ich hätte noch 100 Mal anrufen können, teilte mir der frühere Geschäftsführer lächelnd mit. So lange ich auf keiner Positivliste vermerkt war, wäre er nach Auskunft seiner Sekretärin immer in einem Meeting. Diese Form der Kommunikation fand ich allerdings sehr verstörend. Meine Kontaktversuche führten sogar dazu, dass ich Dieter Gorny 2008 auf der c/o pop ansprach, ob seine Mitarbeiter keinen Mut für einen Dialog besitzen würden. Gorny versprach, er würde sich persönlich darum kümmern. Später kam es tatsächlich zu einem überaus ausführlichen Fachgespräch mit dem BVMI. Ohne meine ausgeprägte Sturheit einen langen Atem hätte das Gespräch nie stattgefunden.

Und jetzt am Freitag diskutiert ausgerechnet der Verband unabhängiger Musikunternehmen e. V. (VUT) mit, obwohl die sowieso bei jeder Gelegenheit präsent sind. Nichts gegen Eva Kiltz. Aber die VUT-Sprecher waren auf wirklich jeder Veranstaltung anwesend, die ich in den letzten Jahren besucht habe. Egal ob bei den Linken, Grünen, Cologne Commons etc. Wo ist denn am Freitag der überaus wortgewaltige Dieter Gorny? Wieso traut sich kein Vertreter von Sony Music Entertainment, der Warner Music Group oder der Universal Music Group auf das Panel? Nur keine Scheu! Bei der Mischung der Gäste bin ich als Vertreter der Netzkultur sowieso total in der Unterzahl. Von einer ausgeglichenen Zusammensetzung der Teilnehmer bei dieser Diskussionsrunde kann sowieso keine Rede sein.

Und die Piraten?

Tja, die reden zwar PR-wirksam mit jedem und über beinahe alles. Allerdings haben die sich in den letzten Monaten selbst disqualifiziert. Wäre ich Veranstalter, mir käme wirklich kein „Experte“ aus dieser Runde in den Sinn, den ich ohne schlechtes Gewissen dazu einladen könnte.

C’n’B am Freitag

Und wieso heißt der Bundesverband Musikindustrie eigentlich so? Auf dem Weg zum BVMI-Büro sah ich den Deutschen Bundestag in unmittelbarer Nähe. Aber es gab keine Schlote und auch kein Fabriktor. Der Name besagt ja, man würde kaum etwas tun, außer Platten und CDs pressen. Und wieso wurde nie darüber aufgeklärt, das es neben den Major-Labels noch viele kleine Unternehmen gibt? Unzählige Filesharer glauben bis heute, sie würden nur gigantische Konzerne um ihre Umsätze bringen. Wenn sie wüssten, dass es viele Klein- und Kleinstbetreibe in dieser Branche gibt, die um ihr Überleben kämpfen und nicht wenige diesen Kampf bereits verloren haben, der Wert von Musik wäre ein anderer.

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.