Jetzt ist klar, wie die Jagd auf die E-Book-Piraten rund um Spiegelbest gelang. Ein Ermittler aus Jena war Admin der Server des Forums.
Im der aktuellen Ausgabe beschreibt Spiegel-Redakteur Marcel Rosenbach ausführlich, wie die Jagd auf die Teilnehmer des Spenderkreises von Spiegelbest (SB) gelungen ist. Ein privater Ermittler aus Jena hatte sich unter dem Pseudonym „Rivalon“ in den Dunstkreis des früheren TorBoox-Sprechers gewagt. Er war es, der später die Server von Ebookspender.me administrierte.
Die Erkenntnisse des Artikels decken sich zu 100% mit den Aussagen der Polizisten, die am 9.12.2014 die bundesweite E-Book-Razzia durchgeführt haben. Den Ermittlern gelang der uneingeschränkte Zugriff auf den Server von Ebookspender.me, weil Andreas Caspar von der Firma CounterFights Anti-Piracy diese im Auftrag von Spiegelbest administriert hat. Der Internetermittler hatte Spiegelbest in den letzten Jahren mehrfach sein Fachwissen angeboten. Nachdem es zum Eklat mit den anderen Mitbetreibern von TorBoox kam, nahm SB das Angebot dankend an.
Spiegelbest hat selbst nie über ein ausgeprägtes Fachwissen verfügt, er war bei technischen Fragestellungen stets auf die Hilfe Dritter angewiesen. Der Honeypot der deutschen Verlagshäuser hatte fortan 24 Stunden täglich geöffnet. Kaspar hatte zuvor die Aktivitäten dieses und anderer Online-Piraten über viele Monate hinweg „minutiös überwacht“. SB brauchte den Programmierer. Sein mangelndes Fachwissen war schon immer seine Schwachstelle, die „Rivalon“ dann nach monatelanger Vorarbeit ausnutzen konnte. Jede Forensoftware ist eine perfekte Überwachungsmaschinerie. Sie speichert im Detail, was die Nutzer tun, was sie herunterladen wollen und mit wem sie kommunizieren.
Nach Übergabe der Login-Daten an die Kriminalpolizei bzw. Staatsanwaltschaft München gingen die Mitglieder des Spenderkreises unter offizieller Bewachung ihrer Tätigkeit nach.
Spiegelbest: Seine Paranoia war sein Schutzschild
Doch auch der Spiegel musste bei seinen Recherchen feststellen, dass die Mitglieder nicht gerade „wie ausgebuffte Kriminelle“ gehandelt haben. Da die Teilnehmer ohne VPN gesurft haben, war die Feststellung der Identität der Anschlussinhaber kein Problem. Hinter den IP-Adressen des Forums „verbargen sich auffallend viele Frauen im Alter zwischen 40 und 60, nicht gerade das typische Milieu von Onlinekriminellen“, wie Rosenbach in seinem Artikel festhält. „Dass die kleinen Fische nun so rigoros verfolgt werden, lässt sich ganz offensichtlich nur mit einem erwünschten Abschreckungseffekt erklären“, erklärt der Kölner Anwalt Christian Solmecke, dessen Kanzlei einen Durchsuchten vertritt.
Spiegelbest selbst wurde bis heute nicht gefasst, er bezeichnete sich selbst als paranoid. Deswegen schlug er auch ein Treffen mit Manuel Bonik und Andreas Schaale aus, die sich mit ihm gerne ungezwungen in einem Café ausgetauscht hätten. Da die beiden Berliner Piratenjäger einen anderen Schwerpunkt haben, wäre Spiegelbest für sie als Ziel uninteressant gewesen. SB lehnte ab, auch sonst erfuhr niemand Details aus seinem Leben. Aufgrund seiner ausgeprägten Paranoia blieb er bis heute verschont. Wahrscheinlich lebt er in der Nähe einer Großstadt und hat einen Buchhandel betrieben. Zumindest muten manche Aussagen an, dass er beruflich häufiger mit der Verlagsbranche zu tun hatte.
In Verlagskreisen wurde deswegen eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung oder sogar eine gespaltene Persönlichkeit angenommen. Wer sonst sorgt in seiner Freizeit dafür, dass sein eigenes Geschäft keinen Umsatz mehr machen kann? Auch gab es Gerüchte, eine seiner Persönlichkeiten sei der Blogger Lars Sobiraj, der ihn u.a. unter dem Pseudonym Watchdog erlaubte, bei Tarnkappe.info eigene Beiträge zu veröffentlichen.
Ankündigung sorgte für Eile
Die Razzia im Dezember 2014 wurde beschleunigt, weil Bernd Fleisig, wie sich Spiegelbest (SB) auch nannte, vor etwa einem Jahr öffentlich seinen Rückzug angekündigt hatte. Dem Piraten war klar, dass der größte Feind der Piraten die legalen Flatrateanbieter wie Amazon oder Netflix waren und bis heute sind. Wenn Amazon den Markt für E-Books übernimmt, braucht es keine Piraten mehr. Er wäre in dem Fall schlichtweg überflüssig.
Unter dem Strich haben die Ermittler fast ausschließlich die harmlosen Mitglieder des Spenderkreises überführt. Die großen illegalen Anbieter wie Lesen.to sind trotz der Durchsuchungen uneingeschränkt verfügbar. Sie bieten bis heute Download-Links zu den aktuellen Top 50 der Spiegel Bestsellerliste an. Im Interview hatte SB schon im März 2014 gemutmaßt, in absehbarer Zeit werde es keinen Straßenbuchhandel mehr geben. Bis sich seine Prophezeiung bewahrheitet, mag noch etwas Zeit vergehen. Dennoch könnte er am Ende sogar Recht mit dieser Aussage behalten.
Tarnkappe.info