Autoren, Verlage und Buchhandlungen starteten die Initiative #fairlesen: „Lesen muss fair bleiben – denn Schreiben ist nicht umsonst“.
Mit der Initiative #fairlesen wenden sich zahlreiche namhafte Autorinnen und Autoren, Verlage sowie Buchhandlungen gegen die staatlich „erzwungene Online-Ausleihe zu Niedrigpreis-Bedingungen“. Ihr Protest erschien u.a. als Brief in den Wochenendausgaben der »Süddeutschen Zeitung« und der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (16./17. Oktober 2021). In einer Stellungnahme kontert der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv), dass der Appell der Autor*innen und Verleger*innen auf Falsch- und Fehlinformationen beruhe.
Öffentliche Bibliotheken fordern rechtliche Gleichstellung der E-Books mit gedruckten Werken als Zugangsgarant zu Kultur und Bildung
Derzeit können die Öffentlichen Bibliotheken nur die E-Books zur Onleihe anbieten, bei denen Verlage dazu ihr Einverständnis gegeben haben. Der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) forderte insofern in einem offenen Brief am 22.01.2021 eine Gleichstellung von E-Books mit gedruckten Werken. Der Bibliotheksverband argumentiert, dass solche Rahmenbedingungen verhindern würden, dass Bibliotheken ihren Auftrag auf „freien Zugang zu Wissen und Information, unabhängig von Bezahlschranken, erfüllen können“.
Anlässlich eines geplanten Gesetzesentwurfes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes unterzeichneten hierzu über 600 Bibliotheks-Leiterinnen und -Leiter in Deutschland einen offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten. Darin forderten sie eine rechtliche Nachbesserung beim Verleih von E-Books. Hingegen schätzten Verlage die Forderung des dbv diesbezüglich als nicht umsetzbar ein.
Initiative #fairlesen: Initiatoren wenden sich gegen erzwungene Online-Ausleihe zu Niedrigpreis-Bedingungen
Mit der Initiative #fairlesen wenden sich aktuell zahlreiche Autorinnen und Autoren, Verlage und zudem der Buchhandel gegen derartige Bestrebungen des Deutschen Bibliotheksverbands. In dem Whitepaper zur Kampagne weist man auf eine bedrohliche Lücke im Wertschöpfungssystem hin. Demgemäß würden schon bald mehr „Bücher innerhalb der für Nutzerinnen und Nutzer kostenlosen digitalen Leihe verliehen als gekauft – gleichzeitig sind die Lizenzerlöse bei dieser Onleihe sehr niedrig“. Die Unterzeichner der Initiative machen deutlich, dass Aktivitäten dieser Art ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage gefährden würden.
„Die erzwungene Online-Ausleihe zu Niedrigpreis-Bedingungen – insbesondere für Neuerscheinungen – wäre ein wirtschaftliches Desaster für alle, die vom Kulturgut Buch leben. Wer die Onleihe für E-Books nahe am Nulltarif fordert, der bedroht die literarische Freiheit in unserem Land.
In der Diskussion um die Frage, warum eine Zwangslizenzierung überhaupt nötig sei, geht es oft um die Titel der SPIEGEL-Bestsellerlisten, die mitunter nicht am Tag des Erscheinens in der Onleihe abrufbar seien. Bestseller jedoch sind die Basis für Mischkalkulationen in den Verlagshäusern und ermöglichen Investitionen in Nischenwerke und Debüts. Das sogenannte „Windowing“ – die Lizenzierung von Titeln einige Monate nach Erstveröffentlichung für die ELeihe, also nach einem bestimmten „Zeitfenster“ – sichert die Refinanzierung sowie stabile Verkaufserlöse auch der gedruckten Exemplare über den Buchhandel.“
Das Bestreben der Büchereien geht also dahin, ihren Benutzern auch aktuellste Titel von der Spiegel-Bestsellerliste zur Ausleihe auf den Bereich der E-Books auszuweiten. Aus oben genannten Gründen behalten sich Verlage bisher vor, E-Books erst mit größerer Verzögerung für die Onleihe bereitzustellen.
Als Anlass zu der Initiative #fairlesen nutzten die Initiatoren sowohl die vom 20. bis 24. Oktober anstehende Frankfurter Buchmesse, aber auch die Koalitionsgespräche der Parteien vor der Bildung einer neuen Bundesregierung.
Bremst Onleihe das E-Book-Markt-Wachstum aus? – Stellungnahme des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels
„Im vergangenen Jahr war die Wachstumsrate der Nutzer*innen bei der Onleihe sechsmal so hoch wie bei den Käufer*innen. Es zeichnet sich ab, dass die Nachfrage auch 2021 ungebrochen hoch ist. Und Erhebungen zeigen, dass viele Onleihe-Nutzer*innen weniger oder gar keine Bücher mehr kaufen, seitdem sie bei ihrer Bibliothek E-Books ausleihen.“
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, benennt auskömmliche Lizenzvereinbarungen als Grundlage für die Onleihe:
„Das stellt für Autor*innen und Verlage ein existenzielles Problem dar, denn die Vergütung, die sie für verliehene E-Books erhalten, ist minimal. Hier wird über die Bibliotheken mit staatlicher Unterstützung und zum Nachteil der Verlage in den Wettbewerb eingegriffen. Und es ist geplant, diese Eingriffe noch auszuweiten. Es ist unbedingt erforderlich, dass auskömmliche Lizenzvereinbarungen die Grundlage für die E-Book-Leihe in Bibliotheken bleiben. Ansonsten wird die Produktion von qualitativ hochwertigen E-Book-Angeboten für Autor*innen und Verlage ein unzumutbares Zuschussgeschäft.“
Stellungnahme des Deutschen Bibliotheksverbands
Der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass ein Gesetz zum einen den Bibliotheken ermöglichen solle, neue E-Book-Lizenzen zu erwerben, zum anderen die Autor*innen fair zu vergüten. Der Appell der Autoren, dass Öffentliche Bibliotheken mit dem E-Book-Verleih den E-Buch-Markt zerstören und dadurch Kreativität sowie freie Meinungsäußerung massiv beeinträchtigen würden, beruhe auf Falsch- und Fehlinformationen. Zudem würden keine E-Books „zum Nulltarif“ angeboten. Die Bibliothek muss für jedes E-Book, das sie verleihen möchte, eine Lizenz erwerben.
„Zum Schutz des Buchmarktes gilt wie bei gedruckten Büchern: „eine Kopie, ein Ausleiher“. Das stellt sicher, dass ein E-Book zeitgleich nur von einer einzigen Person gelesen werden kann. Alle anderen Nutzer*innen können sich auf eine Warteliste setzen lassen. Bibliotheken zahlen für die Lizenzen deutlich mehr als private Käufer*innen, da in den Lizenzen das Recht zum Verleih mitbezahlt wird. Die Lizenzen, die Bibliotheken erwerben, sind zeitlich befristet, auch um die Abnutzung von Büchern zu simulieren. Die Gfk-Studie zur Onleihe zeigt, dass Entleihende diejenigen sind, die am häufigsten E-Books kaufen.“
Prof. Dr. Andreas Degkwitz, Bundesvorsitzender des dbv äußerte zur Initiative #fairlesen:
„Die Versorgung mit Informationen und Literatur gehört zum Auftrag der Öffentlichen Bibliotheken. Durch das Zurückhalten des Verkaufs aktueller E-Book-Veröffentlichungen (Windowing) – von teilweise bis zu einem Jahr – werden die Infrastrukturen zur Literaturversorgung der Bürger*innen regelrecht ausgetrocknet. Die Bereitstellung aktueller E-Books in Bibliotheken ist dann komplett abhängig von Marktentwicklungsprognosen der Autor*innen und Verlage. Die damit absehbar einhergehende Spaltung in informierte und nicht informierte Mitglieder unserer Gesellschaft kann niemand akzeptieren oder wollen.“
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