boerse.to herzen, Online-Dating
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Online-Dating: Wie man sich vor Abzocke schützen kann

Online-Dating: Worauf muss man achten, um nicht abgezockt zu werden? Das Geschäft mit der Einsamkeit brummt. Den Suchenden werden viele Fallen aufgestellt.

Wer im Internet nach einer Beziehung oder einem Abenteuer sucht, geht dabei ein großes Risiko ein. Worauf muss man beim Online-Dating achten, um nicht als nächstes abgezockt zu werden?

In nur einem Jahr wurde bei Lovoo nach Auskunft der Behörden ein Schaden von knapp 1,2 Millionen Euro angerichtet. Die groß angelegte Razzia und mehrere Verhaftungen wurden von der Staatsanwaltschaft mit bis zu 477 Fake-Profilen begründet, die die Betreiber gleichzeitig auf ihre Nutzer losgelassen haben sollen. Der Clou. Die Nutzung von Lovoo ist wie viele andere Online-Dating-Webseiten eigentlich kostenlos. Allerdings sind bei den Portalen manche Funktionen wie beispielsweise der Versand von Nachrichten nur der zahlenden Kundschaft vorbehalten. Die Frauen, die keine waren, sollten die Männer zum Abschluss eines Premium-Vertrages bewegen. Doch Lovoo ist nur die Spitze des Eisberges. Betrug ist in dieser Branche eher die Regel, als die Ausnahme.

Das Geschäft mit der Einsamkeit

Der Grund dafür ist einfach: Das Geschäft mit der Einsamkeit brummt. In Deutschland gibt es unzählige Menschen, die sich nach einer neuen Partnerin oder einem neuen Partner sehnen. Die Anzahl der Flirt- und Casual Dating-Portale erscheint fast so groß zu sein, wie die Anzahl der Personen, die versuchen, sich ihre Wünsche im Internet zu erfüllen. Es gibt Webseiten für Dünne, Dicke, Reiche oder sonstige Neigungen. Jede noch so kleine Nische wird mit einem eigenen Erotik-Portal bedient. Man muss sich allerdings fragen, woher die ganzen beziehungs- oder sexhungrigen Frauen alle kommen sollen. Das US-amerikanische Seitensprungportal Ashley Madison spricht von 32 Millionen Nutzern. Ein früherer Mitarbeiter gab gegenüber der Washington Post zu Protokoll, die Erstellung von nachgemachten Profilen (= Fake-Profile) sei in der Online-Dating-Branche „durchaus üblich“. Daher kommen die Frauen also…

Online-Dating: Wie kann man sich vor Abzocke schützen?

Auch wenn es in Deutschland einige schwarze Schafe gibt, viele Abzocker haben ihre Unternehmen außerhalb Deutschlands oder sogar der EU angesiedelt. Ein Blick in das Impressum verrät, wo die Betreibergesellschaft beheimatet ist. Vorsicht ist angesagt, sofern sich die Firmen zwar an das deutsche Publikum wenden, dabei aber einen Sitz gewählt haben, der jede juristische Verfolgung schwer bis unmöglich macht. Vor Abschluss eines kostenpflichtigen Vertrages sollte man sich zudem unbedingt die AGBs durchlesen, selbst wenn sie sehr lang sind und unverständlich formuliert wurden. Das ist immer noch besser, als einen Knebelvertrag zu unterzeichnen, der einen über viele Monate hinweg bindet und zum Bezahlen verpflichtet.

Skripte und IKM-Schreiber

Wer ein neues Dating-Portal betritt, sollte darauf achten, was dort in den ersten Stunden und Tagen passiert. Abzocke-Seiten tuen so, als wenn man binnen weniger Minuten von zahlreichen Frauen umworben würde. Wer auf die Anschreiben reagieren will, muss die kostenpflichtige Premium-Variante wählen. Auffällig ist dabei, dass die Kontaktanfragen nach der Bezahlung im Nirwana verlaufen. Das zumindest ist mir selbst vor einigen Jahren passiert. Die Damen schrieben mir erst dann wieder, als mein Abo gerade ausgelaufen war. In diesem Fall wurden die sehr ähnlich klingenden Nachrichten wahrscheinlich automatisch verschickt.

Wer sich vor Abzocke schützen will, achtet auf die Profilbilder der „Frauen“. Häufig versehen die Betreiber ihre Fake-Profile mit perfekt aussehenden Damen, die sich mindestens halbnackt präsentieren und bei der Kommunikation gleich zur Sache, also zum Sex, kommen wollen. In vielen Fällen haben die Mitarbeiter der Firmen die Fotos von Pornowebseiten geklaut, um ihren Anfragen den nötigen Nachdruck zu verleihen. Wer die Bilder auf ihre Echtheit prüfen will, sollte dafür die Bildersuchmaschine TinEye https://tineye.com/ in Anspruch nehmen. Binnen weniger Klicks dürfte sich in den meisten Fällen herausstellen, dass die Kontaktperson ganz woanders wohnt und auch einem völlig anderen Beruf als angegeben nachgeht.

Bezahlte Kontakte

Doch neben den simplen Scripten gibt es auch Personen, die für die Unterhaltung der neuen Besucher bezahlt werden. In den AGBs finden sich teilweise Hinweise auf so genannte „Controller“ oder „Moderatoren“, die unter bestimmten Bedingungen mit den Mitgliedern kommunizieren ohne sich als Mitarbeiter erkennen zu geben. Wer einen derartigen Passus in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (= AGBs) findet, sollte beim Online-Dating schnell das Weite suchen. Doch wie gesagt, ehrlich sind die wenigsten Anbieter im Internet. Dafür geht es um viel zu viel Geld, was man auf die Schnelle verdienen kann.

IKM-Schreiber (IKM = Internetkontaktmarkt) werden aber auch tätig, ohne etwas mit dem Betreiber eines Portals zu tun zu haben. Sie bombardieren die Nutzer eines Wettbewerbers, um diese auf die Erotik-Webseite ihres Auftraggebers zu locken, die selbstredend nicht umsonst genutzt werden kann. Meistens gibt es diese Nutzer dort gar nicht. Sobald das Abo aufgrund der Nachricht abgeschlossen wurde, hat man das eigene kurz angelegte Ziel schon erreicht. Auf Anfragen das Portal zu wechseln, sollte man von daher besser gar nicht erst eingehen. Warum wechseln, wenn doch alles auf der gemeinsam genutzten Erotik-Seite besprochen werden kann? Für einen Wechsel gibt es keinen nachvollziehbaren Grund. Die Abzocke funktioniert trotzdem, weil bei vielen Betroffenen das Hirn aussetzt, sofern sie eine Chance auf ein reales Date wittern.

Bei vielen Abzockern beliebt: Nachrichten kaufen

Eine Abwandlung der Tätigkeit findet sich auch bei deutschen Anbietern, wo man dazu aufgefordert wird, mit der Tastatur zu flirten. Dort muss man sich im Voraus mehrere Nachrichten kaufen, um sich schreiben zu können. Die IKM-Schreiber motivieren einen dazu, sich auf eine ausschweifende Kommunikation einzulassen.

Mir ist das beim Online-Dating vor über fünf Jahren passiert. Mich hat es nicht einmal stutzig gemacht, dass sich mein Kontakt Strapsmausi nannte. Ihre Mails waren sehr geistreich verfasst und verleiteten mich dazu, immer wieder meinen Account aufzuladen, damit ich ihr antworten konnte. Auf andere Optionen wie Skype, ICQ oder E-Mail ging Strapsmausi einfach nicht ein. Sie bestand stur darauf, weiterhin auf die herkömmliche Art zu mailen, die mich einiges Geld gekostet hat.

Es kam nie zum Treffen, das sollte es auch nicht

Irgendwann bahnten wir ein erstes Treffen an, was sie wegen eines angeblichen Unfalls und Beinbruches kurzfristig absagen musste, wie sie mir schrieb. Laut TinEye war auf dem Foto allerdings eine russische Architekturstudentin zu sehen, die auf der Suche nach einem Heiratswilligen aus dem Westen war. Ich war endlich aufgewacht und musste mir als Antwort noch Beschimpfungen anhören, das von mir gefundene Foto der Russin sei nachgemacht, nicht ihres. Wie aber hätte ich dem Unternehmen nachweisen sollen, dass ich hinter das Licht geführt wurde? Das war unmöglich.

Man sieht: Niemand sollte im Voraus glauben, er sei vor allen Tricks gefeit. Beim Thema Liebe reagieren wir emotional und weniger rational. Das wissen auch die Abzocker sehr genau.

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Vorsicht bei der Angabe der eigenen E-Mail-Adresse

Egal ob mit Sitz in Deutschland oder anderswo. Man sollte niemals seine primäre E-Mail-Adresse für seinen Online-Flirt nutzen. Kaum hatte ich mich bei einigen wenigen Portalen angemeldet, kamen bei mir haufenweise Nachrichten unbekannter Frauen an. „Hey Süßer, mir ist langweilig, willst Du ficken? Dann lasse Dich doch mal bei der Seite XY sehen.“ Offensichtlich hatten die Betreiber des Portals ihre Daten an Dritte verkauft, um noch ein wenig mehr Kasse zu machen. Auch jetzt, über fünf Jahre später, landen in unregelmäßigen Abständen noch immer von unterschiedlichen Anbietern diese Besuchsaufforderungen im Spamfilter meines E-Mail-Anbieters. Der Datensatz wurde gleich mehrfach veräußert, um aus den Daten das Maximum herauszuholen.

Online-Dating: Fazit

Ja, es gibt die Kontakte, die vorgeben, aus Osteuropa zu kommen und dass man Geld für die kranke Mutter o.Ä. brauche. Das sind die typischen Fallen, die man den Ahnungslosen schon seit vielen Jahren im Web aufgestellt. Das klappt natürlich auch per App, Facebook oder über einen anderen Kanal. Wieder andere boten mir ohne Umwege so genannten Taschengeld-Sex an. Soll heißen, ich sollte für ihre Dienstleistung bezahlen. Früher versuchte man die Opfer dazu zu bringen, kostenpflichtige 0190er-Nummern anzurufen. Das ist aber wohl schon wieder out.

Trotzdem ist nicht alles schlecht, was online angeboten wird. Es gab neben den vielen Fake-Profilen auch einige reale Frauen, mit denen ich damals kommuniziert habe. Es kommt halt immer ganz auf den Anbieter an. Die besten Erfahrungen habe ich persönlich bei den großen deutschen Partner-Portalen gemacht. Zwar tut einem jeder Monat weh, für den man bezahlen muss. Das gleiche sollte aber auch für die Frauen gelten. Sobald es für die Damen umsonst ist, neigen diese dazu, mit den Männern lediglich aus Zeitvertreib zu chatten oder zu mailen. Bei Unkosten von monatlich 55 Euro und mehr verzichtet Frau aber lieber auf derartige Spielereien. Bei den teuren Partnervermittlungen sind neben ein paar wenigen Fakes wirklich nur die Frauen angemeldet, die ernsthaft nach einer Beziehung suchen. Das erleichtert die Partnersuche ungemein. Doch auch hier sollte man nicht sein Hirn ausschalten!

Betrug schwer nachweisbar

Fest steht: Den Angaben der Anbieter über den Anteil und die Anzahl der angemeldeten Frauen kann man vertrauen, oder besser nicht!! Das Dumme ist halt, dass man die Abzocke ohne Vollzugriff auf deren Server nur schwerlich beweisen kann. Hilfreich war im Fall Lovoo, dass ein Unbekannter dem Heise Verlag damals die firmeninterne Kommunikation der Geschäftsleitung zugespielt hat. Wer weiß, ob die Behörden ohne die Berichterstattung der c’t überhaupt tätig geworden wären.

Wie dem auch sei. Vielleicht konnte mein Leitfaden ein wenig dabei helfen, beim Thema Online-Dating nicht auch zum Abgezockten zu werden.

Bildquelle: ClkerFreeVectorImages & OpenClipartVectors, thx! (CC0 Public Domain)

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.