Amazon
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Amazon – mit der Brust zur Wand – Kommentar von Spiegelbest

Amazon hat eine klare Strategie, was die Digitalisierung der Bücher anbelangt. Die Verlage wissen dem nichts entgegenzusetzen.

Über Amazon wird in letzter Zeit viel geschrieben. Ich darf bescheiden darauf verwiesen, dass dieses Thema schon in meinen frühesten Blogbeiträgen ein große Rolle gespielt hat. Damals wie heute haben wir Buchpiraten und Amazon – illegal und legal – das umstürzlerische Wesen der Ebooks begriffen und umgesetzt. Geändert hat sich, dass Amazon seine Karten auf den Tisch legen muss, weil die Aktionäre sich nicht mehr mit Visionen vertrösten lassen wollen.

Die Diskussion ist derweil unübersichtlich geworden

Und das, obwohl sich an den Positionen wenig geändert hat. Wir haben auf der einen Seite die Verlage und die Verlagsautoren. Es wird oft vergessen, dass nicht nur die Verlage, sondern auch die von ihnen ausgeführten Platzhirsche viel zu verlieren haben. Gehen wir die Reihe der Gegner von Amazon ab, dann treffen wir auf die bekannte Autorenaristokratie der Bestsellerlisten. Die amerikanischen Autoren haben früh verstanden, welche Gefahr ihnen vom Selfpublishing, von der Demokratisierung des Schreibens droht.

Nehmen wir mal die Position des Lesers ein (was selten geschieht), um zu sehen, wie weit die Positionen auseinander liegen. Auf der einen Seite haben wir die neuen Autoren – ohne Betreuung und Werbung. Wir Leser müssen sie selbst entdecken – in einer Community oder allein. Auf der anderen Seite die Verlagsautoren, die betreut und begehrenswert sind. Damit ist teuer, was wir kennen. Bezahlbar ist das Unbekannte.

Das ist die Flatrate von Amazon im Kern:

Du, lieber Leser, kannst lesen, was du willst, aber du musst entdecken, was du lesen willst. Du, lieber Autor, verdienst nichts, aber man entdeckt Dich! Dieses Angebot ist eine Kriegserklärung an die bereits entdeckten Autoren. Nicht nur, weil Leser abgezogen werden, sondern auch weil neue Autoren entdeckt werden. Die Ströme der Leser sollen an ihnen vorbei gelenkt werden, finanziell und künstlerisch. Eine Flatrate kommt einer Brachlegung der Verlagslandschaft gleich – von oben kein Regen, von unten abnehmendes Grundwasser.

Es geht nicht um Konditionen, die Amazon erzwingen will oder verzögerte Lieferungen. Die Verhandlungen um Konditionen sind nebensächlich und werden von den Verlagen benutzt, um die Rolle ‚Opfer‘ einzunehmen und die Rolle ‚Täter‘ an Amazon abzugeben. Was ändert es, wenn Hachette 10% mehr an Provision abgeben muss oder Amazon drei Tage früher ausliefert? Der zum Leben erwachte Börsenverein, die Promiautoren, die klagenden Verlage – sie alle wollen ablenken:

Der feuerspeiende (Buch)Drache –

das ist die Flatrate, das All-You-Can-Read. [Anmerkung: Ich rede hier nicht von den Volumentarifen deutscher Anbieter, die gerne als Flatrater herumreisen.] Amazon macht den Lesern ein neues Angebot: digital, kostenlos und unbegrenzt! Das Angebot der Verlage steht dagegen: holzig, teuer und unterdosiert! Die Verlage haben verstanden, dass sie dem Angebot von Amazon nichts entgegenzusetzen haben. Sie eröffnen Nebenkriegsschauplätze, sie rufen nach der Politik und den Gerichten. Sie lassen ihre Vasallen ausreiten und versuchen die öffentliche Meinung gegen Amazon zu drehen. Das mag für den Moment erfolgreich sein …

… aber wird es am Ende erfolgreich sein? Das Angebot von Amazon steht – jetzt, in 4 Monaten, in 4 Jahren! Der Kindle Store kostet Amazon nichts, die Selfpublisher haben nichts zu verlieren. Amazon kann ausweichen und sich eingraben. Die Verlage und ihre Autoren dagegen bleiben auf ihren Kosten sitzen, wenn Amazon seine Bücher digital verschenkt. Was wollen sie machen? Auf das Gelände von Amazon vorstoßen, indem sie die eigenen teuren Bücher digital verschenken? Sich die erfolgreichen Selfpublisher gegenseitig teuer abjagen, um sie verschenken zu müssen? Auf der Seite von Amazon sehen wir einen Zermürbungskampf, keinen Blitzkrieg. Eine klar durchdachte Strategie steht gegen Unordnung und Getöse.

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