China Labor Watch
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Foxconn 1.000 Mitarbeiter protestieren wegen überfälliger Zahlungen

Heute früh versammelten sich ca. 1.000 Arbeiter am Eingang von Foxconn Chengdu, um zu protestieren. Sie fordern ihre überfälligen Löhne.

Am heutigen Montag um 8 Uhr Pekinger Zeit versammelten sich etwa 1.000 Arbeiter am Haupteingang von Foxconn Chengdu, Bereich C, um zu protestieren. Sie fordern die Zahlung ihrer überfälligen Löhne und Gehälter. In diesem Werk produzieren sie neue iPads, iPhones und Apple Watches.

Als Reaktion entsandte die lokale Regierung 100 Polizisten, um den Protest unter Kontrolle zu bekommen. Gegen 11.00 Uhr morgens schickte die Polizei ein Dutzend Busse, um die Beschäftigten in andere Gebiete zu bringen. Dort sollten sie mit ihren Verleihfirmen und mit Foxconn selbst verhandeln. Viele Stunden später befinden sich die Beschäftigten laut der NGO China Labor Watch (CLW) noch immer in den Polizeibussen. Bei ihnen stehen Zahlungen von mehreren Monaten aus. Sollte man sie wie vereinbart entlohnen, erhalten sie pro Stunde weniger als 1,50 EUR.

Foxconn zahlt umgerechnet 1,48 Euro pro Stunde

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Bei den Mitarbeitern ging über den Chat-Dienst WeChat der Aufruf umher, man solle sich verstärkt für die eigenen Rechte einsetzen. Anfang November begannen die Beschäftigten mit ihren Aktionen. Jeden Tag protestierten über 100 Arbeiter vor dem Haupteingang der Fabrik von Foxconn. Am 13. November verwendeten Protestierende Schilder mit dem Slogan: „Foxconn’s Versand-Firmen sind unehrlich und nehmen den Arbeitern ihr hart verdientes Geld weg“. Die Arbeiter, die sich an diesem Protest beteiligten, sind bei Tianzao, Yongxinghe, Siyang und anderen Produktions- bzw. Versandunternehmen beschäftigt. Bis jetzt haben sie die ihnen geschuldeten Löhne und die versprochenen Bonus-Zahlungen aus den Monaten August, September und Oktober noch nicht erhalten.

Große Versprechungen und winzige Löhne, wenn man sie denn auszahlt!?

Chengdu Foxconn überlässt die Anwerbung von Arbeitskräften in der Regel einer großen Anzahl von Arbeitsvermittlungsunternehmen. Das bedeutet, dass viele ahnungslose Arbeiter mit hohen Gehältern und Boni angelockt werden, die ihnen die Vermittler während der Hochsaison versprechen. Die Vermittler reichen die Arbeiter dann an Drittfirmen weiter, die einen Vertrag mit ihnen abschließen. Anschließend schickt man die Arbeiterinnen und Arbeiter zur Arbeit in die Chengdu Foxconn-Fabrik. Mit Foxconn selbst schließt auf diese Weise aber niemand einen Vertrag ab.

Die ausgefallenen Stunden der protestierenden Arbeiter ersetzt man derweil mit Personen, die man ebenfalls mit überhöhten Versprechungen anlockt. Diese wissen von den katastrophalen Zuständen in den Fabriken noch nichts. Bei juristischen Auseinandersetzungen kann sich niemand an den eigentlichen Geldgeber, also Foxconn, wenden, kritisiert China Labor Watch. Da keiner mit dem Unternehmen einen Vertrag abgeschlossen hat, können die Arbeiter diese Firma auch nicht vor Gericht verklagen.

foxconn

Im Vordergrund stehen die Vorgaben von Apple und Foxconn

Einige Arbeiter sagten CLW: „Foxconn muss Arbeiterinnen und Arbeiter einstellen, unterzeichnet aber keinen Arbeitsvertrag mit ihnen. Sie tun dies, damit sie die Arbeiterinnen und Arbeiter effektiver unterdrücken können.“ Man missbrauche sie zur regelrechten „Sklavenarbeit“. Letztlich ginge es nur darum, die Produktionsvorgaben von Apple einzuhalten. Das Verhalten unterscheide sich nicht von einem Pyramidensystem. Wer sich gegen die ausstehenden Löhne zur Wehr setzt, der muss damit rechnen, sofort gekündigt zu werden. Eigentlich müsste allen Mitarbeitern der Produktions- bzw. Versandabteilung bis zu 4,49 EUR pro Stunde zustehen. Die Differenz zu den 1,49 EUR steckt sich aber die Verleihfirma als Vermittlungsprovision ein.


Video: Proteste vor dem Eingang der Foxconn Fabrik

Lohn reicht nicht einmal zum Überleben aus

Der Grundlohn für Arbeiter reicht vorne und hinten nicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Im ersten Monat erhalten sie umgerechnet gerade mal 256,62 EUR. Innerhalb der ersten vier Wochen zieht man ihnen direkt wieder einen Großteil ab, um davon die Kosten für Mahlzeiten, Versorgungsleistungen, die Sozialversicherung, für ärztliche Untersuchungen, den Wohnungsschlüssel und Fotos für den Werksausweis zu bezahlen. D.h. im ersten Monat zahlt man ihnen umgerechnet 141,14 EUR aus, wenn die Verleihfirma überhaupt bezahlt. Die medizinischen Untersuchungen müssen sie selbst bezahlen, sollten sie diese nicht bestehen. Außerdem müssen sie für das Schloss ihres Schrankes und andere Arbeitsmaterialien selbst aufkommen. Das interessiert Foxconn nicht.

Bei den Ausreden sind die Firmen um keine Tricks verlegen!

Teilweise gibt es die Büros an der angegebenen Adresse gar nicht, der Arbeiter geht dementsprechend leer aus und kann sich auch nirgendwo beschweren. Andere Firmen stellen es so dar, die Namen der Arbeiter wären auf den Lohnlisten gar nicht erschienen. Oder man behauptet für Bonuszahlungen, die Liste der Mitarbeiter sei noch nicht veröffentlicht worden und lässt die Arbeiter ewig auf ihr Geld warten. Wieder andere versprechen, neben dem vertraglichen niedrigen Lohn noch freiwillig einen Aufschlag zu bezahlen, den die Mitarbeiter aber nie erhalten. Mündliche Absprachen sind nicht bindend, weswegen man sich nicht dagegen wehren kann. Kündigungen akzeptiert man einfach nicht vor Ablauf der ersten drei Wochen. Wer trotzdem geht, erhält schlichtweg gar keinen Lohn. Die Aufwendungen muss man trotzdem bezahlen.

Foxconn CLW
Foto: Proteste vor dem Eingang der Fabrik von Foxconn.

Akademiker sind in den Fabriken von Foxconn verboten

Die Vermittler zwingen alle Akademiker dazu zu behaupten, dass sie über keinen Hochschulabschluss verfügen würden. Personen mit einem Hochschulabschluss dürfen die Fabriken grundsätzlich nicht betreten.

Frauen, die bei der Produktion von Apple Watches eingesetzt werden, zwingt man laut CLW dazu, bei Arbeitsantritt ihre BHs auszuziehen. Die Mitarbeiterinnen können sonst nicht die Metalldetektoren der Fabriken passieren.

Um die Sicherheit der Apple-Produkte kümmert man sich intensiv, um die Gesundheit der Mitarbeiter nicht. Das obligatorische Tragen der Fingerlinge an den Händen sorgt für angeschwollene Finger und teilweise für allergische Reaktionen. Schutzbrillen stellt man hingegen niemandem zur Verfügung. Der Fingerschutz soll verhindern, dass irgendwelche Komponenten verschmutzt oder durch einen Stromschlag beschädigt werden können.

Foxconn Polizei CLW
Die Polizei im Anmarsch. Alle Fotos von China Labor Watch.

Doch das ist noch lange nicht alles, was man darüber schreiben könnte. Die schmutzigen Tricks der Unternehmen, die im Auftrag von Foxconn tätig sind, nehmen im Artikel von China Labor Watch kein Ende. Wer sich den englischsprachigen Beitrag ungekürzt durchlesen möchte, kann dies hier tun. Auch auf der Facebook-Seite von CLW sind noch weitere Informationen und Videos verfügbar.

Spendet bitte ein paar Euro für China Labor Watch!

Wer diese gemeinnützige Organisation bei ihrer Mammut-Arbeit unterstützen möchte, sollte jetzt in der Vorweihnachtszeit eine Spende tätigen. Jeder Euro hilft! Tarnkappe.info wird auch weiterhin regelmäßig über die Aktivitäten dieser in New York ansässigen Nichtregierungs-Organisation berichten. Allerdings bleibt zu befürchten, dass dies am Elend der betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter langfristig wenig bis gar nichts ändern wird.

Tarnkappe.info

 

 

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.