Cybercrime-Erlöse für Staatskasse
Cybercrime-Erlöse für Staatskasse
Bildquelle: Elnur_

Cybercrime-Erlöse: sprudelnde Geldquelle auch für die Staatskasse?

Beschlagnahmte Bitcoins aus Cybercrime-Erlösen stellt die Justiz vor neue Aufgaben. So werden justizeigene Versteigerungs-Plattformen kommen.

Beschlagnahmte Bitcoin-Beträge aus Cybercrime-Geschäften stellen die Justiz mitunter vor neue Herausforderungen. Das derzeitige Fehlen von einheitlichen Regeln für einen Umtausch von Bitcoins zu Euro führt bundesweit zu völlig unterschiedlichen Herangehensweisen und Verantwortungsbereichen bezüglich der Verwertung von Kryptowährungen. Und nicht immer landet die konfiszierte Kryptowährung auch tatsächlich in der Staatskasse, berichtet der Spiegel am 14.05.2021 in einem Bezahlbeitrag.

Cybercrime-Erlöse: Wie gewonnen…

Als einen wahren Jackpot für die Staatskasse erwiesen sich allerdings die Cybercrime-Erlöse von den Betreibern von Movie2k.to. Hier hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden im Zuge der Ermittlungen Kryptowährungs-Wallets zum damaligen Gesamtwert von 25 Millionen Euro sichergestellt. Beim Portal movie2k.to waren rund 880.000 Mitschnitte von Kinofilmen und TV-Serien als Stream verfügbar. Die Webseite hat die Werke nicht selbst vorgehalten. Sie haben lediglich auf verschiedene Streaming-Hoster verlinkt. Einnahmen aus Abofallen und Online-Werbung sollen die Betreiber laut der Generalstaatsanwaltschaft seit Mitte 2012 in Kryptowährungen investiert haben.

Einer der beiden Hauptverdächtigen, der Programmierer von movie2k.to, hat ein vollumfängliches Geständnis abgelegt. Zur Schadenswiedergutmachung gab er freiwillig den Private Key als Passwort für die Wallets mit Bitcoin (BTC) und Bitcoin Cash (BCH) heraus. Als geständig zeigte sich hier zudem auch der Verdächtige, der für die Geldwäsche zuständig war. Immerhin war es demgemäß der Dresdner Generalstaatsanwaltschaft möglich, die Cybercrime-Erlöse in Euro zu umzutauschen. Bei einem Tausch in zwei Tranchen flossen knapp 35,5 Millionen Euro in die Landeskasse. Das entspricht dem „höchsten Betrag aus sichergestellten Digitalwährungen, den deutsche Strafverfolgungsbehörden bis dato einkassieren konnten“, informiert der Spiegel.

… so zerronnen

Völlig anders lief es hingegen in Kempten ab. Zwar beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft dort ein Wallet von mehr als 1.800 Bitcoins. Der Beschuldigte allerdings, der wegen Ausspähens von Daten und Computerbetrugs eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verbüßte und sich nun wieder auf freiem Fuß befindet, gab den Private Key zu der Wallet nicht bekannt. Folglich blieb den Beamten auch der Zugriff auf die Wallet verwehrt. Der vom Täter deshalb zu leistende Wertersatz an die Staatskasse belief sich lediglich auf 432.000 Euro. Ein im Vergleich niedriger Betrag zu dem aktuellen Bitcoinwert der Wallet von ca. 79 Millionen Euro.

Ähnlich verlief es im Chemical Love-Fall. Der rheinland-pfälzischen Justiz ist es im April 2016 gelungen, einen der größten illegalen Internetshops für Drogen in Deutschland, Chemical Love, zu zerschlagen. Bei der Hausdurchsuchung stellten die Ermittler u.a. eine Bitcoin-Wallet des Betreibers mit rund 757 Bitcoins (BTC) sicher. Auch hier befanden sich die Strafbehörden nicht im Besitz des Private Key. So konnten sie das prall gefüllte Bitcoin-Wallet nicht sicherstellen, bevor es von Unbekannten geplündert wurde. Bereits am 1. März 2017 kam es zu einer ersten Entleerung besagter Bitcoin-Wallet. Bisher scheinbar spurlos verschwanden dabei etwa 264 Bitcoin. Zwei Jahre danach, Ende 2019, entnahmen die private Key-Besitzer abermals 489 Bitcoin und transferierten diese auf neue Adressen. Sie hätten sie auch bei der bitcoin era app spekulativ investieren können. Aber auch an die verbliebenen 54 Bitcoin mit einem aktuellen Gegenwert von 2,3 Millionen Euro kommen die Beamten nicht heran.

In Staatskasse fließt aus Cybercrime-Erlös nur Wertersatz

Zwar würde dieses Geld immer noch ausreichen, um die Schulden des inzwischen verurteilten Hauptbeschuldigten zu begleichen, nur nützt ihm dies wenig. Zusätzlich zu einer Haftstrafe von 15 Jahren sollte Nicolas K., der Sohn eines früheren Stuttgarter Bundesliga-Fußballers, zuerst 10 Millionen Euro an die Staatskasse zahlen. In einem späteren Urteil reduzierte sich der zu zahlende Betrag dann auf 1,5 Millionen Euro. Das wird in dem Fall auch genau das Geld sein, das der Staatskasse zufließen wird. Bitcoin zum heutigen Kurswert von knapp 23 Millionen Euro können praktisch als Verlust verbucht werden.

Einheitliche Regeln für Bitcoin-Tausch sind unabdingbar

Da es keine bundesweit einheitlichen Regeln für die Justiz zum Tausch von Bitcoins gibt, sind folglich auch die konkreten Zuständigkeiten bisher noch ungeklärt. Wie der Spiegel schreibt, sind in manchen Bundesländern die „Generalstaatsanwaltschaften für die Verwertung zuständig, anderswo eigens eingerichtete Einheiten zur Bekämpfung der Internetkriminalität oder die ermittelnden Staatsanwaltschaften. […] In Berlin scheiterten die Behörden am Verkauf von 64 Bitcoins, zuletzt an der Einrichtung eines Kontos für den Bitcoin-Transfer“.

Soll der Staatskasse jedoch nicht weiterhin bares Geld verloren gehen, ist eine Regelung unabdingbar. Das meint auch Christian Rückert, Experte für Strafrecht und Cyberkriminalität an der Universität Erlangen-Nürnberg. Er geht das Problem von der juristischen Seite an. Für ihn sind wesentliche Grundsatzfragen in Bezug auf Bitcoin noch ungeklärt. Demgemäß könne Bitcoin „keiner der etablierten rechtlichen Vermögenskategorien wie zum Beispiel dem Eigentum zugeordnet werden“. Zudem sei fraglich „nach welchen Rechtsvorschriften die Behörden diese Kryptowährung beschlagnahmen können“.

Geplant ist justizeigene Plattform für Kryptowährung-Versteigerung

Die in Nordrhein-Westfalen für die Verwertung von Bitcoins zuständige Behörde, die Zentrale Ansprechstelle Cybercrime (ZAC), plädiert für einen Sonderweg. Insofern möchten sie sich künftig nicht mehr am Handel auf Bitcoin.de beteiligen, vielmehr ist geplant, für die Versteigerung von Kryptowährungen eine justizeigene Plattform zu nutzen. Auch Staatsanwalt Christoph Hebbecker befürwortet das Projekt.

»Für Bitcoin existiert zwar kein Börsenpreis. Jedoch ist über die internationalen Handelsplätze ein Marktpreis mit hoher Transparenz bekannt, sodass sich ein Versteigerungserlös regelmäßig an diesem orientieren dürfte.«

Hebbecker informierte den Spiegel darüber, dass die Vorbereitungen für eine eigene Bitcoin-Auktionsplattform in Nordrhein-Westfalen bereits »in der Abschlussphase« seien und in »drei bis vier Wochen« darüber die ersten Kryptowährungen versteigert werden könnten. Das betrifft dann schon die sich im Besitz der Kölner Staatsanwaltschaft angegliederten Ermittlungseinheit befindlichen 460 sichergestellten Bitcoins. Derzeitiger Wert in Euro: rund 19 Millionen.

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.