Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern streben im Kampf gegen den Hass im Internet eine Identifikationspflicht für Gamer an.
Noch im Oktober 2019 löste Horst Seehofer (CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, mit seiner Aussage, viele potenzielle Täter kämen aus der Gamer-Szene und man solle deshalb „die Gamer-Szene stärker in den Blick nehmen“, kontroverse Diskussionen aus. Diesbezüglich ergreifen nun die Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern bereits die Initiative. Sie brachten am Freitag einen entsprechenden Entwurf im Bundesrat ein, wonach für Anbieter sozialer Netzwerke sowie für Spieleplattformen eine Identifikationspflicht für Nutzer/innen in Kraft treten soll, berichtet netzpolitik.org.
Anwendungsbereichs-Erweiterung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes bringt Identifikationspflicht für Gamer
Die Landeskabinette in Hannover und Schwerin einigten sich auf eine gemeinsamen Bundesratsinitiative zum Thema Identifikationspflicht. Am 14. Februar 2020 brachten demgemäß Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern den Antrag auf Gesetzes-Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes in der Bundesratssitzung ein. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) äußert sich zur Notwenigkeit eines solchen Schrittes:
„Betreiber von einschlägigen Kommunikationsplattformen im Netz müssen zukünftig diejenigen identifizieren können, die bisher oft hinter anonymen Accounts Hass und Hetze verbreiten“.
Eine Anwendungsbereichs-Erweiterung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG), das sich bisher nur auf Anbieter sozialer Netzwerke bezog, soll nun auch Anbieter von Spieleplattformen mit mehr als zwei Millionen Nutzer/innen in Deutschland zusätzlich umfassen. Von der Maßnahme verspricht man sich eine weitreichendere Möglichkeit zur Bekämpfung von Hasskriminalität. Kommt es zu Straftaten, will man die Urheber schneller identifizieren. Im Entwurf heißt es dazu: „Auch bei der Nutzung von Spieleplattformen kommt es vermehrt zu Hasskriminalität, etwa bei der Nutzung der Messenger-Funktionen“.
Neue Vorlage sperrt Jugendliche unter 16 Jahre von Gaming-Plattformen aus
Die Identifikationspflicht umfasst eine Erhebung von Namen und Anschrift sowie des Geburtsdatums. Das gilt sowohl für Neuanmeldungen, als auch für bereits registrierte User, bei denen bestehende Angaben innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung zu überprüfen sind. Die Erfassung der User-Anschriften schließt auch eine Verifizierung mittels amtlichem Personalausweis samt Lichtbild, elektronischem Identitätsnachweis, einer qualifizierten elektronischen Signatur bzw. einem anerkannten elektronischen Identifizierungssystem (Postident-Verfahren) mit ein. Wie Heise Online erwähnt, werden demnach Jugendliche unter 16 Jahren praktisch aus allen mitgliederstarken Foren und Spieleplattformen ausgesperrt, da diese erst ab 16 Jahren im Besitz eines Personalausweises sind. Davor ist eine Ausstellung nur auf Antrag der gesetzlichen Vertreter möglich. Fraglich ist, ob ein Kinderreisepass als Ausweis Akzeptanz findet. Bei Nichterfüllung dieser Auflagen drohen hohe Bußgelder.
Erweiterung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) auf Gaming-Plattformen ist Antwort auf Halle-Attentat
Der Anlass für die Erweiterung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) zur Identifikationspflicht auf Gaming-Plattformen, ist eine Antwort auf den Anschlag in Halle (Saale) am 9. Oktober 2019. Der Rechtsextremist Stephan B. erschoss am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, zwei Personen. Ursprünglich wollte er mit Waffengewalt in die Synagoge im Paulusviertel einzudringen, um dort versammelte Personen zu töten. Er konnte schließlich von zwei Streifenbeamten festgenommen werden.
Gemäß einer Einschätzung von Sicherheitsbehörden würden Extremisten Gaming-Plattformen ohne Moderation oftmals dazu missbrauchen, ihre Anschläge zu veröffentlichen. Auf diese Weise blieben sie unter dem Radar von Behörden. Auch der 27-jährige rechtsextremistische Attentäter von Halle nutzte zur Verbreitung seines Tat-Videos eine solche Plattform. Er streamte den Tathergang über Twitch, ein Live-Streaming-Videoportal, das vorrangig zur Übertragung von Videospielen genutzt wird. Diese Tatsache reichte aus, um die Gamer künftig genauer ins Blickfeld rücken zu wollen. So gelangte Seehofer zu folgender Schlussfolgerung:
„Das Problem ist sehr hoch. Viele von den Tätern oder potenziellen Tätern kommen aus der Gamer-Szene. Manche nehmen sich Simulationen geradezu zum Vorbild. Man muss genau hinschauen, ob es noch ein Computerspiel ist, eine Simulation – oder eine verdeckte Planung für einen Anschlag. Und deshalb müssen wir die Gamer-Szene stärker in den Blick nehmen.“
Foto jusuf111, thx!
Tarnkappe.info