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Telegram: das vernichtende Urteil bei heise.de – eine Analyse

Das vernichtende Urteil über Telegram bei heise sorgt noch immer für Empörung. Wir erklären, warum WhatsApp schlechter ist. Ein Gastbeitrag.

Der vernichtende Beitrag des Redakteurs Jürgen Schmidt erzeugte vielfach eine regelrechte Welle der Empörung. heise online stellt Durows Messenger als regelrechten „Datenschutz-Albtraum“ dar. Sogar Zuckerbergs Marktführer WhatsApp arbeite sehr viel effektiver, wenn es um den Schutz der Privatsphäre seiner Nutzer geht, argumentiert Schmidt. Statt wie die anderen Medien Telegram als reinen Zufluchtsort für Hacker, Verschwörungstheoretiker, Rechtsradikale und sonstige Cyberkriminelle darzustellen, nahm heise die Sicherheitsaspekte von Telegram auseinander. Unser Gastautor shrugg1e hat sich die Argumentation einmal genauer angeschaut.


Ist Telegram wirklich ein Datenschutz-Albtraum?

Ende November wurde auf dem News-Portal heise.de ein Artikel zum beliebten Messenger Telegram veröffentlicht. Binnen weniger Tage sammelten sich dort fast 1.100 (!) Kommentare an. Der Artikel hat offenbar einen empfindlichen Nerv getroffen. Sehen wir uns die publizierten Thesen also einmal genauer an. Übrigens hat der gleiche Redakteur nur ein Jahr zuvor WhatsApp bei heise öffentlich verteufelt, weil es an Dritte viel zu viele Daten preisgegeben hat.

Kritikpunkt #1 – die Linkvorschau

Anfangs geht es im Artikel auf heise online inhaltlich darum, dass Telegram eine eingetippte URL im Hintergrund öffnet, um eine Linkvorschau zu generieren. So weit, so unspektakulär. Der Kritikpunkt war, dass nicht der Client selbst (Smartphone, PC, etc.) eine Verbindung zur URL herstellt, sondern ein Telegram-Proxy. Dies sollte der erste „Datenschutz Albtraum“ sein. WhatsApp hat Jürgen Schmidt hingegen gelobt, der Zugriff auf die URL erfolge nur vom Client selbst aus.

Gegenargumente

Bei WhatsApp kann anhand der eindeutigen IP-Adresse des Smartphones eine Verknüpfung zu einer Person erfolgen. Telegram verhindert durch den zwischengeschalteten Proxy eine Verknüpfung. Da nur der Telegram-Server die Webseiten kontaktiert, können URL-Aufrufe grundsätzlich keinem Nutzer individuell zugeordnet werden. Der Nutzer kann seine Identität also verschleiern.

Bei unverschlüsselten Chats hat man bei Telegram also eine gangbare Lösung gefunden. Bei geheimen Chats mit Ende-zu-Ende Verschlüsselung kann man die Linkvorschau sogar abschalten. Das geht hier unter Privatsphäre und Sicherheit > Dateneinstellungen. Der Telegram-Server kann dann keine Informationen über die Inhalte der Chats sammeln. Übrigens wird die hier kritisierte Funktion exakt genau so in den Telegram-Einstellungen beschrieben. Also eigentlich keine Spur von Datenschutzpannen oder heimlicher Datensammelei.

Eine Möglichkeit zur Anpassung der Methode der Linkvorschau existiert in WhatsApp nicht. Das ist schlichtweg nicht vorgesehen.
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Kritikpunkt #2 – Speicherung der Daten auf Telegram-Servern

Das zweite Thema war, dass alle eure Nachrichten auf den Telegram-Servern gespeichert werden und damit Telegram und staatliche Organe potentiell Zugriff darauf haben. Es gibt bei Telegram zwar „Geheime Chats“. Die haben aber viele Nachteile und nur die wenigsten Anwender kennen sie.

WhatsApp macht es besser, ohne Zugriff aufs Smartphone kommt man nicht an die Nachrichten heran. Außerdem sei über die Motive von Telegram nichts bekannt. Schmidt hinterfragt: Warum wird ein solcher Dienst kostenlos angeboten? Da stimmt doch etwas nicht!

Gegenargumente

Was soll man dazu sagen. Die These, dass es eine Cloud-Kopie der Chatverläufe gibt, stimmt. Aber genau das ist es, was Telegram für so viele interessant macht. In Zeiten von Home Office, in denen man viel am PC sitzt, ist ein echter Cloud-Messenger, der einen hervorragenden Multi-Device Support bietet, einfach sehr praktisch. Er bietet einen deutlichen Mehrwert gegenüber WhatsApp. Die Software von WhatsApp benötigt nämlich immer ein Smartphone, um zu funktionieren. Die echten Desktop- und Tablet-Clients von Telegram sind in keinster Weise mit den aufgehübschten Web-Versionen von WhatsApp vergleichbar, die dem User dann als eigenständige App angepriesen werden.

Öffentliche Telegram-Gruppe

Auch hier spielt Telegram wieder mit offnen Karten, die Speicherung der Kommunikationsinhalte ist genau so in der FAQ erklärt. Wem das nicht gefällt, der kann jederzeit einen Ende-zu-Ende verschlüsselten „geheimen Chat“ starten. Die kritisierten Nachteile, dass den geheimen Chat kaum jemand kennen würde, gelten nicht. Dann wäre es doch von Vorteil, sich einfach mal die Anleitung in Ruhe durchzulesen.

Gruppenchats sind wieder ein anderes Thema, mehr dazu im Fazit. Auch das Argument, die Software laufe im Grunde nur auf einem Gerät (auf dem Smartphone), das ist bei WhatsApp auch nicht anders. Im Gegenteil, die Desktop-Versionen von Telegram sind sehr einfach in der Anwendung und werden ebenfalls ständig weiterentwickelt. Die ach so vernichtenden Argumente gegen Telegram sind in meinen Augen einfach nur fragwürdig.

Cloud-Kopie der Chats von WhatsApp

Der heise-Redakteur erwähnt leider nicht, dass es von WhatsApp ebenfalls eine Cloud-Kopie der Chats geben kann. In Zeiten von kostenlosen Cloudspeichern dürfte eine Vielzahl der Nutzer das Backup in Google Drive oder bei iCloud aktiviert haben. Wieso sollen die Behörden keinen Zugriff darauf erhalten?

Haben staatliche Organe Interesse an Chatinhalten, dann klappt das meiner Meinung nach bei Whatsapp deutlich einfacher als bei Telegram. Da Staatstrojaner und Verschlüsselungs-Hintertüren doch eher die Ausnahme sind, wird sich immer häufiger der Möglichkeit bedient, einfach ein weiteres Gerät dem Account hinzuzufügen. Dann werden alle Inhalte zusätzlich auf dieses Endgerät gespiegelt. Nicht so bei Telegram: Geheime Chats sind nur auf dem Endgerät verfügbar auf dem sie gestartet wurden und werden niemals synchronisiert. Außerdem ist der Betreiber von Telegram bekanntlich sehr zurückhaltend bei der Preisgabe von Informationen an jegliche Behörden. Diese Tatsache hat Telegram im Gegensatz zu WhatsApp schon häufiger reichlich Ärger eingebracht. Und das nicht nur in Russland.

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WhatsApp ist nicht quelloffen, Telegram teilweise schon

Immerhin erwähnt man, dass WhatsApp Closed Source ist. Man kann also nicht überprüfen, ob das alles stimmt, was Facebook behauptet. Und ganz ehrlich: vertraut ihr Facebook?. Im Artikel leider wird nicht erwähnt, dass mit Ausnahme der Serverkomponenten Telegram Open Source ist.

Wie sich Telegram finanziert und warum das eigentlich gar nicht so dubios ist, wird ebenfalls in der FAQ beschrieben.

Dagegen stellt sich mir die Frage: Wenn WhatsApp durch die Verschlüsselung tatsächlich nichts aus den Chats „verwerten“ kann, außer den Metadaten, wie finanziert sich dann WhatsApp? Denn es macht ja laut heise-Artikel angeblich „alles besser“. Ich glaube nicht, dass Herr Zuckerberg einen Dienst betreibt, der sicherlich mehrere Millionen Dollar an Betriebskosten verschlingt, nur weil er die Menschheit lieb hat und ihr etwas Gutes tun will. Es ist kein Geheimnis, dass Facebook schon sehr bald Geld mit WhatsApp verdienen möchte. Werbung in den Statusmeldungen werden den Anfang machen. Spätestens dann wird Telegram an Interesse zulegen. Telegram ist und bleibt dauerhaft frei von Werbung.

Signal als bester Messenger?

Signal (Logo)

Als letztes wird Signal als bester Messenger empfohlen. Signal ist sehr gut und definiert Datenschutz richtig. Dass es besser geht, zeigen aber auch andere Messenger wie Threema. Hier wird im Gegensatz zu Signal keine echte Handynummer zur Registrierung benötigt. Außerdem hat Threema angekündigt zukünftig Open Source zu werden, dies war bisher der größte Kritikpunkt. Dass ein Messenger nur so gut ist, wie die Kontakte, die man darin hat, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Das ist klar. In dem Punkt hat WhatsApp aufgrund seiner Popularität natürlich die Nase vorn.

TL;DR

Ich teile die Kritik aus dem heise Artikel nur in einem einzigen Punkt: Gruppenchats sind in WhatsApp besser geschützt als in Telegram. „Geheime Gruppenchats“ gibt es bei Telegram leider (noch) nicht. Besser als WhatsApp wäre es allerdings gleich für maximalen Datenschutz bei Gruppenchats auf Threema zu wechseln. Metadaten aus WhatsApp werden weiterhin die Facebook-Datenkrake füttern. Wie mächtig Metadaten sind, hat ja schon einmal der frühere NSA-Chef Hayden ausführlich erläutert.

Alle anderen Kritikpunkte sind ein Ergebnis aus Unverständnis und schlechter Recherche, dies zeigen die hasserfüllten Kommentare des Artikels deutlich.

Weitere Vorteile von Telegram gegenüber WhatsApp kommen leider nicht zur Sprache. So zum Beispiel, dass man ohne seine Rufnummer preiszugeben chatten kann. In dem Fall läuft die Kommunikation rein über den Telegram-Nutzernamen. Oder das man nicht gezwungen wird, sein Adressbuch hochzuladen. Oder die Tatsache, dass es öffentliche Kanäle gibt, denen man folgen kann wie z.B. den tollen Kanal von der Tarnkappe ;-).

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Danke fürs Lesen!

Ich wünsche euch eine schöne Adventszeit!

Euer shrugg1e ¯_(ツ)_/¯

Dieser Beitrag wurde von einem Gastautor verfasst. Ihr könnt ihn hier bei Twitter erreichen.

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.